»So kann es nicht weitergehen« |
Christina Hohmann-Jeddi |
02.02.2023 14:55 Uhr |
Der Apothekerverband Rheinland-Pfalz blickt nicht optimistisch in die Zukunft: (von links) Jan-Niklas Francke, Andreas Hott und Geschäftsführer Peter Schreiber. / Foto: PZ/Christina Hohmann-Jeddi
Gestern veröffentlichte die ABDA die aktuellen Daten zu Apothekenschließungen: Demnach machten im Jahr 2022 insgesamt 393 Betriebe zu. Auch in Rheinland-Pfalz sinkt die Apothekenzahl seit Jahren stetig, berichtete Andreas Hott, 1. Vorsitzender des Apothekerverbands Rheinland-Pfalz, heute bei einer Pressekonferenz in Mainz. Bei Apothekenschließungen sei das Bundesland sogar seit Jahren bundesweit Spitzenreiter – in den vergangenen zehn Jahren schlossen fast 200 rheinland-pfälzische Apotheken. Allein im vergangenen Jahr ging in 27 Betriebsstätten das Licht aus. »Das ist ein klarer Trend, der uns nicht optimistisch in die Zukunft blicken lässt«, so Hott.
Darum schlägt der Verband jetzt Alarm. Denn gestern kam eine weitere Belastung für die Apotheken hinzu. Seit dem 1. Februar gilt ein höherer Kassenabschlag von 2 Euro statt bisher 1,77 Euro pro Packung, wodurch das Honorar der Apotheken reduziert wird. Diese Honorarkürzung komme zu einem massiven Mehraufwand durch die Lieferengpässe, die eine große Zahl an Arzneimitteln betreffen, und zu steigenden Lohnkosten und weiteren laufenden Kosten hinzu. »Man kommt sich vor wie der Trottel des Systems«, sagt Hott. »So kann es nicht weitergehen.«
Während sich die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung von 2004 bis 2022 knapp verdoppelten und die Tariflöhne in Apotheken um etwa 50 Prozent stiegen, fiel der Anstieg der Apothekenvergütung mit 21 Prozent eher gering aus. Seit 2013 sei das Apothekenhonorar nicht mehr angehoben worden, betonte auch Jan-Niklas Francke, 2. Vorsitzender des AV Rheinland-Pfalz. »Wir sind ein systemrelevanter Heilberuf«, sagte der Apotheker aus Emmelshausen. Dass Apotheker trotz drastischer Kostensteigerungen von der allgemeinen Entwicklung abgekoppelt seien, könne nicht sein.
Neben der finanziellen Situation macht dem Verband auch der fehlende Nachwuchs Sorgen, der auch für Schließungen verantwortlich ist. Laut Hott könne schon jetzt für viele Betriebsstätten kein Nachfolger gefunden werden. Und die Situation werde sich in den nächsten Jahren noch verschlechtern, denn mehr als jeder Dritte Apothekeninhaber in Rheinland-Pfalz sei älter als 60 Jahre; etwa 9 Prozent seien 70 Jahre oder älter. Aus den Universitäten komme wenig pharmazeutischer Nachwuchs in den öffentlichen Apotheken an. Laut einer Befragung des aktuellen Studierendenjahrgangs der Pharmazie in Mainz wollen von 78 Studierenden drei in eine öffentliche Apotheke gehen, berichtete Hott. Früher hätte der Prozentsatz bei etwa 50 Prozent gelegen. Jetzt mache eine starke Biotechnologie-Branche in Rheinland-Pfalz den öffentlichen Apotheken verstärkt Konkurrenz um die Arbeitskräfte. Nach Ansicht von Hott würden an der Universität Mainz etwa 100 bis 120 Studienplätz in der Pharmazie gebraucht, um den Bedarf zu decken.
Um die Arzneimittelversorgung in der Fläche zu sichern und das Apothekensterben zu bremsen, müsse jetzt von der Politik gegengesteuert werden, betonte Hott. Eine Anpassung des Apothekenhonorars sei nötig, zudem fordere der Verband verlässliche gesetzliche Rahmenbedingungen, damit sich mehr Pharmazeuten den Gang in die Selbstständigkeit vorstellen können, mehr »pharmazeutische Beinfreiheit« und eine zuverlässigere Verfügbarkeit von Arzneimitteln.