So gelingt Apothekennachfolge im Verbund |
Melanie Höhn |
15.08.2025 18:00 Uhr |
Julius und Thomas Rochell führen drei Apotheken gemeinsam in einer OHG. / © AKWL
Obwohl er noch lange nicht an den Ruhestand denkt, bereitet Thomas Rochell die Zukunft seiner drei Apotheken im Kreis Höxter bereits systematisch vor. Seit zwei Jahren führt er die Betriebe gemeinsam mit seinem Neffen und Patenkind Julius Rochell in einer offenen Handelsgesellschaft (OHG). Damit verfolgt er ein Modell, das nicht nur dem Senior Sicherheit bietet, sondern auch dem Nachwuchs den Einstieg in die Selbstständigkeit erleichtert.
»Ich habe schon vor über zehn Jahren angefangen, mich ernsthaft mit der Frage zu beschäftigen: Was passiert, wenn ich mal aufhören möchte?«, erzählt Rochell im Gespräch mit der PZ. »Gerade Inhabern eines Filialverbundes kann ich nur dringend raten, sich sehr frühzeitig um eine Nachfolge zu kümmern und einen Übergabeprozess einzuleiten.« Ein Konstrukt mit drei oder vier Apotheken zu übergeben, werde sonst eines Tages sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich.
Sein eigener Weg in die Selbstständigkeit war eher steinig. Seine erste Apothekengründung, im Alter von 28 Jahren, wäre beinahe an den Banken gescheitert, die Sicherheiten und Bürgschaften sehen wollten. »Das war ein echter Kraftakt. Ich habe damals selbst fast hingeworfen«, so der 59-Jährige. Genau deshalb sei es ihm heute ein Anliegen, jungen Kolleginnen und Kollegen nicht nur Mut zu machen, sondern auch strukturelle Unterstützung zu bieten. Denn er weiß aus Erfahrung: Gute Übergabemodelle brauchen Zeit und Vertrauen.
Dass ausgerechnet sein Neffe Julius Rochell einmal sein Partner werden würde, war lange nicht geplant. »Er hat damals in der zehnten Klasse erwähnt, dass er sich ein Pharmaziestudium vorstellen könnte. Danach war das Thema für mich eigentlich vom Tisch.« Als Julius Jahre später in Münster zu studieren begann, half der Onkel mit einem WG-Zimmer. Später schlug das Leben dann eine neue Richtung ein. »Ich brauchte einen neuen Apotheker und hätte nie gedacht, dass mein Neffe Interesse hat. Ich habe mich gar nicht getraut zu fragen«, so Rochell, der seit mehr als 30 Jahren Apothekeninhaber ist. Erst ein Gespräch mit seiner Frau überzeugte ihn, Julius einfach darauf anzusprechen. Die Reaktion seines Neffen: »Ich dachte, du fragst mich nie!«
So begann Julius im Jahr 2020 als angestellter Apotheker im Betrieb seines Onkels. Drei Jahre später, zum 1. Juli 2023, gründeten beide eine offene Handelsgesellschaft (OHG) und führen seither gemeinsam die drei Apotheken im Verbund. Für Thomas Rochell die ideale Lösung: Gemeinsam und mit verschiedenen Blickwinkeln kommen die Partner zu besseren Lösungen, zugleich bringt Julius frische Ideen in den Betrieb ein und kann in die Aufgabe hineinwachsen.
Zwar hatte der heute 29-jährige Julius Rochell schon immer mit dem Gedanken an eine Selbstständigkeit gespielt. Drei Apotheken auf einmal »aus dem Nichts heraus« zu übernehmen, wäre ihm aber doch zu viel gewesen. Vermutlich hätte er auch keine Bank gefunden, die dieses Vorhaben finanziert, glaubt er selbst. Nun könne er in die Aufgabe hineinwachsen. »Selbstständigkeit light« nennt er das Modell.
Einen Tipp hat Julius Rochell für junge Kolleginnen und Kollegen, die ebenfalls mit einem ähnlichen OHG-Einstieg liebäugeln: »Vorher eine Zeit lang als angestellter Approbierter in der Apotheke arbeiten. So kann man ausprobieren, ob man im Arbeitsalltag mit dem künftigen Seniorpartner gut klarkommt.«
Ganz gleich, ob der Kauf eines Botendienstfahrzeuges anstehe oder ein neuer Dienstleister für den Zahlungsverkehr ausgewählt werden müsse: Gerade was Verhandlungen und Verträge mit Geschäftspartnern angehe, profitiere er enorm vom Know-how seines Onkels. Der wiederum weiß Ideen seines Neffen zu schätzen, vor allem im Bereich Digitalisierung. Dienstzeiten wurden bis zum Eintritt des Junior-Partners in den Rochell-Apotheken noch per Excel-Liste erfasst. Nun hat Julius Rochell eine digitale Zeiterfassung durchgesetzt.
Die Zusammenarbeit ist vertraglich detailliert geregelt: Zuständigkeiten, Entscheidungsgrenzen und sogar ein möglicher Rückzug des Seniors wurden in einem umfangreichen Gesellschaftsvertrag festgelegt. »Es steht drin, wann ich gehen darf und wann ich gehen muss«, sagt Rochell. Die vollständige Übergabe ist langfristig geplant, erst in mehr als 10 Jahren. Es gebe zwar keine 50/50-Anteile, aber gleiches Stimmrecht. Beide haften voll und entscheiden gemeinsam. Die Zusammenarbeit ist auf Augenhöhe.
»Das wirtschaftliche Risiko nicht ganz allein tragen zu müssen, ist eine große Erleichterung«, sagt Julius Rochell. Die eigenen Apotheken Stück für Stück in gute Hände abgeben zu können, auf der anderen Seite ebenso, so Thomas Rochell. Der softe Übergang sei für ihn auch gerade in Zeiten des Fachkräftemangels mit Blick auf Personalbindung und –gewinnung sei extrem wichtig: »Wer will schon in einer Apotheke anfangen, von der er nicht weiß, was in einigen Jahren nach dem Ruhestand des Inhabers aus dem Betrieb wird?«
Während Thomas Rochell die Verträge und Lohnbuchhaltung komplett verantwortet, kümmert sich Julius Rochell um den Einkauf, Bestellungen, das Warenlager und arbeitet zudem viel mit den Kunden. Zudem bringt er neue Impulse beim Thema Digitalisierung ein. Einen echten Streit habe es bislang nicht gegeben. Auch das Team habe die neue Konstellation von Anfang an positiv aufgenommen. »Dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen, es geht langfristig weiter, gibt ihnen Sicherheit.«
Ein entscheidender Punkt für Thomas Rochell: »Gerade in Zeiten, in denen viele Apotheken wirtschaftlich unter Druck stehen, brauchen wir positive Modelle. Nur zu klagen, hilft niemandem. Es gibt Wege – man muss sie nur frühzeitig gehen.«