»Skonto-Gutachter« Rixen sieht Kabinett in der Pflicht |
Alexander Müller |
12.07.2024 15:00 Uhr |
Professor Dr. Stephan Rixen von der Universität Köln hat verfassungsrechtliche Bedenken gegen die geplante Skonto-Regelung. / Foto: Privat
Im Februar entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass im Einkauf der Apotheken Skonti mit Rabatten gleichzusetzen sind und die Preisgrenzen einzuhalten sind. Nachdem die Karlsruher Richter im April ihre Urteilsbegründung vorgelegt hatten, kürzten die Großhändler die Konditionen. Die Apotheken sind mit durchschnittlich fünfstelligen Verlusten davon betroffen.
Die ABDA hat sich daher für eine kurzfristige Klarstellung in der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) eingesetzt. Der aktuell noch für die Verordnung zuständige Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erhielt sogar eine konkrete Formulierungshilfe von der ABDA. Demnach sollte §2 AMPreisV um den Halbsatz ergänzt werden, »die Zulässigkeit der Gewährung handelsüblicher Skonti auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers bleibt unberührt«.
Doch Habeck verwies auf seinen Kabinettskollegen, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Der plant eine Anpassung der AMPreisV mit dem ApoRG – mithin erst zu 2025. Der ABDA ist das zu spät, der Phagro ist grundsätzlich dagegen. Und hat über den beauftragten Rechtswissenschaftler Stephan Rixen Argumente gegen die geplante Regelung zusammenstellen lassen. Die PZ hat ausführlich über das Gutachten berichtet.
Rixen attestiert dem BMG, rechtstechnisch nicht sauber gearbeitet und unklare Begriffe verwendet zu haben. Gegenüber der PZ sagte er: »Bei der Erarbeitung von Gesetzentwürfen kommt es darauf an, die richtige rechtliche Lösung für das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel zu finden. Ich habe insbesondere darauf hingewiesen, dass sich die Basis für eine rechtliche Analyse, der sogenannte legitime Zweck, für die gefundene Lösung in dem Referentenentwurf nicht beziehungsweise nicht hinreichend wiederfindet, um die vom BMG vorgeschlagene Formulierung zu rechtfertigen.«
Rixen hat in seinem Gutachten gleich mehrere Grundrechtsverletzungen im ApoRG ausgemacht. Kann insbesondere das Bundesjustizministerium den Entwurf wie geplant am 17. Juli im Kabinett durchwinken? »Ob es im Wege der Ressortabstimmung und der Kabinettsbefassung Änderungen geben wird, kann ich nicht beurteilen. Dass ich diese aus verfassungsrechtlicher Sicht für notwendig erachte, habe ich im Gutachten dargestellt«, so Rixen. Spätestens in der parlamentarischen Beratung könne der Phagro seine Bedenken noch einmal vortragen.
Bei der ABDA teilt man die Bedenken des Phagro-Gutachters nicht: »Warum ein wirtschaftliches Instrument, das der pharmazeutische Großhandel jahrzehntelang genutzt und offensiv angeboten hat, durch eine Rechtsvorschrift nun auf einmal verfassungswidrig werden soll, erschließt sich uns nicht. Denn die neue Rechtsvorschrift soll die seit Jahrzehnten praktizierte Praxis ausdrücklich erlauben.« Wichtig ist aus Sicht der ABDA, dass der einheitliche Apothekenabgabepreis gewährleistet bleibt. Und der sei in keiner Weise von der möglichen, neuen Skonti-Regelung beeinflusst.
Rixen weiß nicht, in welchem Umfang vor dem BGH-Urteil Skonti über den variablen Zuschlag hinaus gewährt haben, dies sei für die juristische Bewertung aber auch unerheblich. »Der BGH hat jedenfalls in seiner Urteilsbegründung erklärt, dass eine rechtswidrige Praxis nicht dadurch legitimiert wird, dass sie lange als üblich galt. Dieser Einschätzung schließe ich mich an«, so der Jurist.
Doch wenn das BMG aus Sicht des Gutachters beim Skonto so daneben liegt, könnte der Gesetzentwurf dann nicht bei anderen Punkten ähnliche Schwachstellen aufweisen? »Analog zur Frage, ob der Großhandel seinen Sicherstellungsauftrag noch erfüllen kann, wenn es keine Mindestvergütung mehr gibt, lässt sich sicher auch die Frage stellen, ob die Apotheken ihren spezifischen Versorgungsauftrag noch erfüllen können, wenn kein approbierter Apotheker vor Ort ist«, so Rixen. Er stellt aber klar, dass das nicht Teil seines Prüfauftrags war und daher nicht abschließend bewertet werden könne.