Sind die Wechseljahre politisch? |
Alexandra Amanatidou |
09.10.2025 14:30 Uhr |
Von links nach rechts: Mandy Mangler (Chefärztin der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum und am Vivantes Klinikum Neukölln), Nicole Lauscher (Moderatorin, Journalistin und Geschäftsführerin von Vita Health Media) und Miriam Stein (Journalistin und Autorin). / © PZ/ Alexandra Amanatidou
Das Beratungsangebot fand in entspannter und angenehmer Atmosphäre in der Berliner Apotheke von ABDA-Vizepräsidentin Ina Lucas und Maria Zoschke statt. Die Apotheke sei ein niedrigschwelliges Angebot, begründeten die Organisatorinnen der Veranstaltung, Nina Kirschschlager und Nicole Lauscher vom Medienunternehmen Vita Health Media, ihre Entscheidung, die Veranstaltung in einer Apotheke abzuhalten. Außerdem könnten die Teilnehmerinnen so direkt weitere Fragen stellen. Die Veranstaltung ist sponsorenfinanziert und für die Apotheken kostenlos.
Wechseljahre seien immer noch ein Tabu-Thema, erklärte die Apothekerin und Filialleiterin Tilly Duderstadt gleich zu Beginn der Veranstaltung. »Das merken wir auch in der täglichen Beratung.«
Deswegen soll darüber diskutiert werden. Das Unternehmen organisiert seit Januar Infoabende zur Menopause in Apotheken in verschiedenen Städten, aber auch auf dem Land. Dies war bereits der achte Termin in diesem Jahr. In den kommenden Monaten sollen weitere folgen. Mit dabei sind die Journalistin und Bestseller-Autorin Miriam Stein sowie eine Gynäkologin, die medizinischen Rat geben kann. Zu Gast war gestern Abend Mandy Mangler, Chefärztin der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum und am Vivantes Klinikum Neukölln.
Die Diskussion begann mit der Frage: Sind die Wechseljahre politisch? »Ja«, antwortete die Wechseljahre-Aktivistin Stein. »Denn obwohl sie die Hälfte der Bevölkerung betreffen, wussten wir lange nichts darüber.« Und auch heute gebe es Wissenslücken in diesem Bereich, denn die Wechseljahre würden im Curriculum der Studiengänge Medizin, Pharmazie und Psychologie gar nicht vorkommen.
Dass das Thema mittlerweile immer offener diskutiert wird, zeigt sich nicht nur daran, dass der Raum der Veranstaltung gut besucht war, sondern auch daran, dass die Wechseljahre im Koalitionsvertrag verankert sind. Jede Frau habe in Deutschland das Recht, von der Politik zu verlangen, sich mit dem Thema Wechseljahre auseinanderzusetzen. »Sie dürfen ihre Stimme erheben. Wir können gemeinsam politische Veränderungen erreichen.«
Ein weiterer Grund, warum die Menopause politisch sei, seien die Auswirkungen auf die Erwerbstätigkeit von Frauen. Die Wechseljahre seien wie eine Schwangerschaft sehr individuell und Symptome könnten bereits ab dem 40. Lebensjahr auftreten. Dazu können auch starke Regelschmerzen zählen. Je nach Arbeitsplatz sei es dann nicht möglich, zu arbeiten. Eine PTA, eine Apothekerin, eine Chirurgin oder eine Pflegerin könne nicht im Homeoffice arbeiten.
Auch der Pflegekräftemangel, mit dem Deutschland bereits jetzt zu kämpfen hat, werde sich dadurch nur noch verschärfen. Insbesondere, da laut Daten der Bundesagentur für Arbeit vier von fünf Pflegekräften Frauen sind. Aufgrund der Wechseljahre verliere die deutsche Wirtschaft jährlich über 9,4 Milliarden Euro. Das hat die Studie »MenoSupport« eines Forschungsteams der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin vergangenes Jahr gezeigt.
Doch nicht nur die Menopause, sondern auch die Menstruation seien bislang von der Gesellschaft als private Angelegenheit betrachtet worden, sagte die Gynäkologin Mangler. »Dabei ist der Zyklus die Basis unserer Gesellschaft.«
Während der Wechseljahre passiere nicht nur hormonell, sondern auch biografisch viel, sagte Mangler. Als Beispiel nannte die Gynäkologin, dass die Kinder älter werden, die Arbeit oder die Beziehung vielleicht mehr Stress verursachen. Laut Stein würden sich Frauen während der Menopause davor fürchten, Führungspositionen anzunehmen, und hätten weniger Lust zu arbeiten. Andere seien schlechter gelaunt. Außerdem werde man älter. Somit sei nicht immer klar, welche Symptome auf die hormonellen Veränderungen und welche auf das Älterwerden zurückzuführen seien.
Zwar seien Frauenärztinnen und Frauenärzte die richtigen Ansprechpartnerinnen, doch die Realität unseres Gesundheitssystems sieht laut Mangler anders aus. Eine Wechseljahres-Beratung solle individuell stattfinden und benötige eine dreiviertel Stunde, was die Krankenkasse jedoch nicht übernehme. »So eine Beratung kann zwischen 200 und 800 Euro kosten.« Auch bei einer Hormonersatztherapie sei eine individuelle Beratung nötig.
»Wir haben ein Gesundheitssystem, das vergütet, wenn man eine Krankheit therapiert, aber nicht, wenn man sie vorbeugt«, so Mangler. Außerdem benötige unser Gesundheitssystem eine Feedback-Struktur, damit nicht nur Gynäkologinnen und Gynäkologen, sondern auch andere Ärztinnen und Ärzte den Zyklus bei ihrer Diagnose mitbetrachten.
Die Symptome der Wechseljahre hängen auch eng mit unserem Lebensstil zusammen. Auf seine Ernährung und Gesundheit zu achten, sei »eine Herausforderung, aber es lohnt sich total«, so die Ärztin.
Auslöser für Hitzewallungen könnten etwa Stress oder Koffein sein. Bei Schlafstörungen sollten Betroffene auf Koffein verzichten. »Je älter man wird, desto schwieriger wird der Koffeinabbau«, sagte die Gynäkologin. Zudem helfe mehr Bewegung gegen Gelenkschmerzen. Das müsse nicht unbedingt Sport heißen, sondern könne auch das Treppensteigen statt der Nutzung des Aufzugs sein. Ein Tipp gegen Demenz sei, Sudoku oder Kreuzworträtsel zu lösen. Auch soziale Interaktionen würden dagegen helfen.
Aufgrund von Scheidentrockenheit könne Sex im Alter immer schwieriger sein. »Wir können Körperlichkeit, Nähe und Zärtlichkeit anders betrachten und selbst entscheiden, ob wir in dieser Phase weiterhin Sex haben möchten oder nicht«, so Mangler.
Die Wechseljahre hätten aber auch eine positive Seite, darin waren sich die Expertinnen einig. »Man kann den Ballast abwerfen«, sagte Stein. Da der Östrogenspiegel in den Wechseljahren sinke, interessiere man sich weniger für die Meinung der anderen und dafür, was sie über einen denken. »Man nimmt die Dinge nicht mehr so persönlich.« Auch Mangler stimmt zu: »Man wird gelassener und zufriedener.«
Zudem können die gemeinsamen Symptome zu mehr Verbindung zwischen den Frauen führen und ein Gemeinsamkeitsgefühl erzeugen. Das zeige sich auch daran, »dass wir zwei Stunden an einem Dienstagabend gemeinsam darüber diskutieren können«.