Laut einer Umfrage des Tüv-Verbands zum Jahreswechsel wollen 22 Prozent der Befragten privates Feuerwerk zünden. Drei Viertel (74 Prozent) wollten hingegen darauf verzichten. / © IMAGO/Bihlmayerfotografie
Seit Jahren wird ein Böllerverbot diskutiert, da es jede Silvesternacht zu Verletzungen kommt. Im vergangenen Jahr waren sogar mehrere Menschen in Berlin durch sogenannte Kugelbomben schwer verletzt worden – darunter auch ein siebenjähriger Junge, der mehrfach operiert werden musste.
Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) hat die Anzahl der Krankenhausaufnahmen aufgrund typischer Feuerwerksverletzungen an Neujahr in den vergangenen zehn Jahren ausgewertet. Demzufolge lag die Zahl mit durchschnittlich rund 530 Fällen etwa 2,6-mal höher als an normalen Wochentagen und sogar etwa 4,4-mal höher als an durchschnittlichen Wochenenden. In die Auswertung wurden Verletzungen der Hand, des Auges, des Kopfes und der Ohren sowie Verbrennungen des Kopfes und des Halses einbezogen.
Die Zahlen aus der WIdO-Auswertung sollen aufgrund der sehr spezifischen Auswahl an Hauptdiagnosen bei stationären Behandlungen nur einen Teil des tatsächlichen Problems beschreiben. Es sei davon auszugehen, dass sehr viel mehr Fälle wegen Verletzungen durch Pyrotechnik medizinisch behandelt werden mussten – vor allem ambulant in den Notaufnahmen. Für die Auswertung wurden die Ergebnisse aus den AOK-Abrechnungsdaten entsprechend dem Versichertenanteil auf die bundesweite Bevölkerung hochgerechnet.
»Der unsachgemäße Umgang mit Feuerwerk führt rund um den Jahreswechsel zu einer enormen Beanspruchung des medizinischen Personals und der Kapazitäten in den Kliniken«, sagt die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann laut einer Pressemitteilung der Krankenkasse. Durch die Beachtung einiger Vorsichtsmaßnahmen könne das Risiko reduziert und auch das medizinische Personal deutlich entlastet werden. »So gehören Böller und Pyrotechnik keinesfalls in die Hände von Kindern«, so Reimann. Auch Jugendliche sollten über die Gefahren aufgeklärt werden und nicht unbeaufsichtigt mit Feuerwerk hantieren.
Barmer hingegen teilt in einer Pressemitteilung mit, dass die Zahl ihrer Versicherten, die in der Silvesternacht aufgrund von Verletzungen, Verbrennungen oder starkem Alkoholkonsum im Krankenhaus behandelt werden müssen, stetig abnimmt. Das zeigt eine aktuelle Auswertung der Krankenkasse.
Demnach sank die bundesweite Fallzahl von etwa 330 zum Jahreswechsel 2019/20 auf rund 190 Fälle zum Ende des vergangenen Jahres. Das entspreche einem Rückgang von 42 Prozent.
Die Krankenhauseinweisungen in der Silvesternacht wurden über einen Zeitraum von sechs Jahreswechseln betrachtet. In die Untersuchung seien alle stationären Behandlungen von Barmer-Versicherten eingeflossen, die entweder durch übermäßigen Alkoholkonsum oder durch vermutlich unsachgemäßen Umgang mit Feuerwerkskörpern notwendig wurden. Dazu zählten unter anderem Alkoholvergiftungen sowie Verletzungen an Kopf, Augen oder Händen und verschiedene Arten von Verbrennungen.
Nach Erkenntnissen der Krankenkasse gingen die stationären Behandlungen aufgrund von Unfällen inklusive Verbrennungen von etwa 195 auf 134 zurück. Die Zahl der Fälle, die auf übermäßigen Alkoholkonsum zurückzuführen sind, verringerte sich von 135 auf 56 und hat sich damit mehr als halbiert.
Auch viele Gesundheitsministerinnen und Gesundheitsminister der Bundesländer warnen vor den Verletzungen durch Böller. Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) warnte vor dem Gebrauch von nicht zugelassenem Feuerwerk. Die Produkte sollten eine Registriernummer, ein CE-Zeichen und eine Kennnummer der Prüfstelle haben. »Mit nicht zugelassenen Feuerwerkskörpern kann man nicht nur sich selbst, sondern auch andere gefährden«, erklärte der Politiker.
Auch Brandenburgs Gesundheitsministerin Britta Müller (BSW) warnt vor illegalen Böllern. »Kaufen und benutzen Sie nur gesetzlich zugelassene Feuerwerkskörper, lesen und befolgen Sie die Gebrauchsanweisung und halten Sie Böller insbesondere von Kindern und Tieren fern«, sagte sie laut einer Mitteilung ihres Ministeriums. Das entlaste zum Jahreswechsel die ohnehin stark belasteten Notaufnahmen der Krankenhäuser.
»Die meisten Unfälle beim Abbrennen von Böllern und Feuerwerkskörpern entstehen aus Unwissenheit, Unachtsamkeit und Leichtsinn. Wer also nicht auf Pyrotechnik verzichten möchte, sollte unbedingt sorgfältig damit umgehen«, erklärte Katharina Schenk (SPD), Thüringens Gesundheitsministerin, laut einer Mitteilung.
Zum Schutz von Gesundheit und Umwelt rät die Landesregierung in Baden-Württemberg an Silvester zu kleinem Feuerwerk. Damit seien im Sprengstoffgesetz Feuerwerkskörper gemeint, von denen nur sehr geringe Gefahren ausgehen: etwa Wunderkerzen, Tischfeuerwerk oder kleine Fontänen. »Ich hoffe, dass an Silvester möglichst wenige Menschen durch Feuerwerk verletzt werden und alle gesund ins neue Jahr starten können«, erklärte Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne). Wer sich für ein kleines Feuerwerk entscheide oder beim Zünden von Feuerwerkskörpern verantwortungsvoll handle und die Gebrauchsanweisungen beachte, trage entscheidend dazu bei, sagte er demnach. »Damit schützen wir uns selbst, unsere Mitmenschen und entlasten zugleich die Krankenhäuser und deren Beschäftigten, die gerade über die Feiertage Großartiges leisten.«
Laut einer Umfrage des Tüv-Verbands zum Jahreswechsel wollen 22 Prozent der Befragten privates Feuerwerk zünden. Drei Viertel (74 Prozent) wollten hingegen darauf verzichten. Laut der repräsentativen Umfrage sind es vor allem jüngere Menschen, die an Silvester Feuerwerk abbrennen: 43 Prozent der 18- bis 29-Jährigen und 39 Prozent im Alter von 30 bis 39 Jahren. Der Verband der pyrotechnischen Industrie (VPI) rechnet im Vergleich zum Vorjahr mit 10 bis 15 Prozent mehr Ware im Handel. 2024 verzeichnete die Branche nach eigenen Angaben einen Umsatz von 197 Millionen Euro (2023: 180 Millionen).