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Non-Adhärenz

Sieben Strategien, um Arzneimittel-Zweifler zu überzeugen

»Meine Tabletten nehme ich nicht«: Diesen Satz hören Apotheker nicht nur von Kindern. Sieben Wege, um Patienten mit willentlicher Non-Adhärenz doch noch zu überzeugen, nannte Apothekerin Professor Dr. Martina Hahn bei einem Workshop auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Klinische Pharmazie.
Daniela Hüttemann
23.11.2021  07:00 Uhr

Professorin Dr. Martina Hahn ist klinische Pharmazeutin am Universitätsklinikum Frankfurt am Main. Neben ihrer Forschung und Lehre betreut sie psychiatrische Patienten pharmazeutisch. Gerade bei diesen Patienten gebe es viele Vorbehalte gegen Medikamente, berichtete die Apothekerin am Samstag in einem Workshop zur Adhärenzförderung bei der digitalen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Klinische Pharmazie (DGKPha).

Grundsätzlich hat natürlich jeder Mensch das Recht selbst zu entscheiden, ob er ein Medikament anwendet oder nicht. Bereits die Verordnung sollte im Prozess einer »Shared Decision«, also einer gemeinsamen Vereinbarung erfolgen. Doch auch wenn die Patienten vom Arzt in die Therapiewahl einbezogen wurden, halten sich viele nicht daran. Manche unabsichtlich (Tablette vergessen), andere aber auch bewusst. Die Psychopharmaka-Expertin Hahn verriet sieben »Commitment-Strategien« für Zweifler, auf die sie je nach Situation und Patiententyp zurückgreift. 

  1. Pro und Contra: Was spricht dafür, was spricht dagegen. Das ist die klassische Pro-und-Kontra-Liste, die rational zugänglichen Patienten die Entscheidung für die Medikamentenanwendung erleichtern kann. »Menschen halten sich eher an Vereinbarungen, an die sie glauben«, so Hahn.
  2. Advocatus Diaboli: Dabei nennt der Apotheker zunächst einmal (schwache) Argumente, die gegen das Arzneimittel sprechen, oder zeigt die (negative) Alternative auf, ohne dem Patienten Angst zu machen (»Sie müssen das Schmerzmittel natürlich nicht nehmen. Sie können auch die nächsten sechs Wochen auf der Couch rumsitzen«). Der Patient erwägt dann selbst die positiven Aspekte. »Ich mache das manchmal mit einem Augenzwinkern«, verriet Hahn. »Das verdeutlicht dem Patienten, dass ein Weiter wie bisher auch keine gute Lösung ist.« Gleichzeitig verstärke es das Gefühl des Patienten, eine Wahlmöglichkeit und damit die Kontrolle zu haben.
  3. Fuß in die Tür: »Setzen Sie gemeinsam mit dem Patienten erst einmal einfache Ziele, das Medikament zum Beispiel vorerst nur für einen gewissen Zeitraum einzunehmen, um zu sehen, was passiert«, so die klinische Pharmazeutin. Größere Ziele könnten danach meist leichter verfolgt werden. Sie habe mit dieser Strategie beispielsweise gute Erfahrungen bei Angstpatienten gemacht.
  4. Tür im Gesicht: »Hier verlangen Sie mehr als nötig und lassen sich dann scheinbar herunterhandeln«, erläuterte Hahn. Wenn zum Beispiel eine lebenslange Medikation nötig ist, einigt man sich zunächst auf ein Jahr Therapie. »Das ist nicht immer einfach, funktioniert aber manchmal mit Suchtpatienten«, so ihre Erfahrung.
  5. Erinnern an frühere Zustimmung: »Das Medikament hat Ihnen damals doch gut geholfen«. Manchmal kann dies Patienten motivieren, wenn die Therapietreue nachlässt, zum Beispiel bei Schizophrenie-Patienten.
  6. Betonen der freien Wahlmöglichkeit: »Es ist Ihre Entscheidung«, betont Hahn dann, informiert aber auch über mögliche Konsequenzen. »Seien Sie dabei klar, ehrlich und unaufgeregt – und übertreiben Sie nicht, sondern halten Sie sich an die Evidenz und üben Sie keinen Druck aus.« Zustimmung und Zusammenarbeit ließen sich verstärken, wenn ein Mensch glaube, die Entscheidung aus freien Stücken getroffen zu haben – Hahns Erfahrung nach dann meistens für das Medikament.
  7. Cheerleading: »Ermutigen Sie den Patienten immer wieder und loben Sie auch kleine Fortschritte«, so Hahn. »Betonen Sie, dass der Patient alles in sich trägt, um Schwierigkeiten bewältigen zu können.«

»Einige Strategien wie Pro und Contra, »Fuß in die Tür« oder Betonen der freien Wahl wenden Sie wahrscheinlich bereits unbewusst an«, meinte die Referentin, was die Teilnehmenden bestätigten. Sie plädierte, alle Möglichkeiten in Ruhe durchzugehen und gezielt in bestimmten Beratungssituationen anzuwenden.

Auch beim besten Patientenwillen lasse die Adhärenz mit der Zeit nach – hier sieht Hahn einen großen Bedarf für die Adhärenzförderung als honorierte pharmazeutische Dienstleistung. »Non-Adhärenz ist nicht heilbar – unser Bemühen muss hier genau so lange dauern wie die Therapie selbst. Das ist zeitaufwendig und eine Vergütung daher dringend angezeigt.« Apotheker könnten aber am besten erkennen, wenn es Patienten schwer fällt, ihre Therapie einzuhalten, und seien auch am besten in der Lage, die Medikation, wo immer es geht, zu vereinfachen. Hahn: »Je einfacher die Einnahme, desto besser die Adhärenz.«

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