»Sicherung muss umsetzbar sein« |
Zwei Drittel der Generika werden heutzutage in Asien hergestellt und auch bei den Biosimilars werden die Abhängigkeiten für den Standort Europa zunehmen. / © Getty Images/ 7postman
Die Herstellung von Arzneimitteln nach Deutschland oder wenigstens nach
Europa zurückzuholen – diese Forderung hört man derzeit aus verschiedenen Richtungen. Die anhaltenden und sich seit Jahren verschärfenden Lieferschwierigkeiten und das sich dadurch verstärkende Gefühl von Abhängigkeit und Unsicherheit sind ein Grund. Doch: »Die pharmazeutische Produktion weitgehend nach Deutschland oder Europa zurückzuholen beziehungsweise eine Deglobalisierung des Arzneimittelmarkts sind unrealistisch«, sagte Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz von der Goethe-Universität Frankfurt am Main auf einer digitalen Veranstaltung des House of Pharma und der Stiftung für Arzneimittelsicherheit.
Die Gründe lägen unter anderem in den höheren Kosten, die dann auf das Gesundheitswesen zukämen und die derzeitigen Ausgaben drastisch übersteigen würden. Der von der GKV bezahlte durchschnittliche Preis für eine Tagestherapiedosis eines Generikums veranschauliche dies. Vor Einführung der Rabattverträge lag dieser bei 17 Cent, seitdem bei 6 Cent. Produktionsanlagen für Generika zu bauen und die damit verbundenen Auflagen zu erfüllen, sei für diesen Preis nicht umsetzbar, so der Apotheker.
Deutschland und Europa hätten in der Herstellung chemisch definierter Arzneimittel ihre führende Position längst eingebüßt und für Biosimilars zeichne sich eine ähnliche Entwicklung ab. Hingegen würden patentgeschützte Arzneimittel derzeit überwiegend in Europa und den USA hergestellt.
Das Bashing asiatischer Pharmaunternehmen, wie es derzeit hierzulande mitunter praktiziert werde, sei jedoch weder gerechtfertigt noch zielführend, so der pharmazeutische Chemiker. Die pharmazeutische Qualität der Arzneimittel und Arzneistoffe in der legalen Verteilerkette in Deutschland und Europa könne man als sehr gut einstufen. Andernfalls gäbe es viel mehr Meldungen über Qualitätsmängel.
Preiswerte Produktion bei guter Qualität – gibt es denn überhaupt Probleme oder Gefahren? Die Antwort laute Ja, so Schubert-Zsilavecz, der dies an verschiedenen Beispielen belegte. So könnten Fälschungen nie ganz ausgeschlossen werden, erinnerte er an den Heparin-Skandal im Jahr 2007/2008. Hintergrund: Rohheparin wird aus der Mukosa von Schweinedärmen isoliert; dies geschieht praktisch ausschließlich in China. Zur »Gewinnoptimierung« haben Produzenten Verfälschungen untergemischt, die durch die Analytik zunächst nicht detektiert wurden.
Problematisch werde es aber auch, wenn die Qualitätssicherungssysteme in Gefahr gerieten – so geschehen in China. Nachdem die chinesische Regierung ihre Anti-Spionage-Gesetze verschärft hatte, stellten mehrere Bundesländer Inspektionen in China ein, da die Inspekteure befürchteten, in Spionageverdacht zu geraten und verhaftet zu werden. Die Inspektionen seien aber Voraussetzung für die Einfuhr nach Deutschland. Hier sei die Bundesregierung gefragt, entsprechende Regelungen zu treffen, so der Referent. »Die bisherigen Qualitätssicherungssysteme sind sehr gut und werden ständig weiterentwickelt. Allerdings müssen sie umsetzbar sein!«
Ein weiteres Beispiel: die Valsartan-Story. Sie habe gezeigt, wie neue Herstellungsverfahren mit höherer Ausbeute zu Problemen durch neue Verunreinigungen und in der Folge zu massiven Lieferschwierigkeiten geführt haben. Hier sei erhöhte Aufmerksamkeit gefragt. Schubert-Zsilavecz wies in diesem Zusammenhang auf das Abschlussstatement über neue Forschungsansätze in der pharmazeutischen Qualitätssicherung des House of Pharma hin.
Falschaussagen, die das Vertrauen der Patienten in die Qualität von Arzneimitteln und Impfstoffen untergraben, hat Schubert-Zsilavecz als weiteres Problem ausgemacht. Selbst Fachleute könnten entsprechende Veröffentlichungen nicht immer auf Anhieb von Tatsachenberichten unterscheiden, wenn die Falschberichte in der Aufmachung ähnlich der eines Rote-Hand-Briefes oder Mitteilung einer Arzneimittelkommission erschienen. So geschehen mit einer angeblichen Verunreinigung von mRNA-Impfstoffen mit DNA. Eine Nachkontrolle ergab, dass die Messmethode nicht geeignet war, um diese zu bestimmen; bei korrekter Messung lagen die entsprechenden Gehalte exakt im Bereich der Vorgaben.