Seufzen verbessert die Lungenfunktion |
| Annette Rößler |
| 28.10.2025 07:00 Uhr |
Tiefes Ein- und Ausatmen bei einem Seufzer ordnet die Struktur des Surfactants in der Lunge und verbessert dadurch die Lungenfunktion. Das haben Forschende aus Zürich herausgefunden. / © Getty Images/Keeproll
Seufzen wirkt befreiend, und zwar nicht nur im übertragenen Sinn, sondern auch ganz wörtlich auf die Lungenfunktion. Das berichtet ein Team um Maria Novaes-Silva von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich im Fachjournal »Science Advances«. Demnach beruht der physiologische Effekt des Seufzens auf dessen Wirkung auf das Surfactant.
Surfactant ist eine oberflächenaktive Substanz, die von spezialisierten Zellen in der Lunge produziert und auf die Oberfläche des alveolären Epithels sezerniert wird. Sie senkt die Oberflächenspannung des Wassers und verhindert so, dass die Lungenbläschen beim Ausatmen kollabieren. Ohne genügend Surfactant ist eine normale Lungenfunktion nicht möglich, weshalb es bei Frühgeborenen so lange von außen zugeführt werden muss, bis die Lunge vollständig ausgereift ist.
Chemisch ist Surfactant nicht einheitlich. Es besteht zu 80 bis 90 Prozent aus Phospholipiden, hauptsächlich Dipalmitoylphosphatidylcholin (DPPC), zu 5 bis 10 Prozent aus neutralen Lipiden und zu 5 bis 10 Prozent aus Proteinen. Wie die Forschenden feststellten, erfüllt das Surfactant seine Funktion am besten, wenn es bestimmte Schichten bildet und sich DPPC an der Oberfläche anreichert.
»Direkt an der Grenze zur Luft gibt es eine etwas steifere Oberflächenschicht, darunter liegen mehrere Schichten, die im Vergleich zur Schicht an der Oberfläche weicher und zarter sein sollten«, erklärt Novaes-Silva in einer Mitteilung der ETH Zürich. In ihren Experimenten konnten die Forschenden zeigen, dass diese Schichtung mit der Zeit verloren geht und sich ein Gleichgewichtszustand zwischen den verschiedenen Surfactant-Komponenten einstellt, wenn sich die Flüssigkeit bei flacher Atmung nur wenig bewegt.
Seufzer wirken dann wie ein Reset: Sie stellen die ideale Schichtung wieder her. Bei tiefen Atemzügen wird die Lungenflüssigkeit zunächst stark gestreckt und dann gestaucht. Laut Novaes-Silva reicherten sich dadurch gesättigte Lipide an und die Grenzfläche werde dichter bepackt. »Das ist ein Zustand außerhalb des thermodynamischen Gleichgewichts, der nur mit mechanischer Arbeit aufrechterhalten werden kann«, verdeutlicht Professor Dr. Jan Vermant, Arbeitsgruppenleiter und Seniorautor der Publikation.
Die Ergebnisse könnten dazu dienen, die Beatmung und die Behandlung von Patienten mit Lungentraumata zu optimieren, schreiben die Forschenden. So ließen sich womöglich Komponenten identifizieren, die die mehrschichtige Struktur wiederherstellen.