Semaglutid senkt das Herzrisiko – auch unabhängig vom Gewicht |
| Theo Dingermann |
| 24.10.2025 08:00 Uhr |
Die Therapieeffekte auf die Adipositas-Maße waren früh ausgeprägt. Bis Woche 20 sank das Körpergewicht unter Semaglutid im Mittel um 6,4 Prozent (Placebo: − 0,8 Prozent) und der Taillenumfang um 5,0 cm (Placebo: − 1,1 cm). Damit waren 71 Prozent des Gewichtsverlust beziehungsweise 68 Prozent der Reduktion des Taillenumfangs, die insgesamt bis Woche 104 auftraten, nach Woche 20 erreicht. Die Korrelation zwischen Gewichts- und Taillenveränderung war unter Semaglutid stärker als unter Placebo, was auf eine bevorzugte Reduktion von viszeralem Fett schließen lässt.
Für die Prognose nach der 16-wöchigen Titrationsphase war entscheidend, dass ab Woche 20 weder in der Semaglutid- noch in der Placebogruppe ein linearer Zusammenhang zwischen dem Ausmaß des frühen Gewichtsverlusts und dem nachfolgenden MACE-Risiko bestand. Das heißt, dass bei Semaglutid das MACE-Risiko nicht abhängig davon war, wie viel Gewicht in den ersten 20 Wochen verloren wurde. Auffällig war vielmehr ein paradoxes Muster unter Placebo: Ausgerechnet Patienten mit einem höheren Gewichtsverlust (≥ 5 Prozent bis Woche 20) hatten die höchsten MACE-Raten. Das versuchten die Forschenden durch unbeabsichtigte, krankheitsbedingte Gewichtsabnahmen zu erklären.
Unter Semaglutid waren die MACE-Raten unabhängig davon, ob bis Woche 20 mehr oder weniger als 5 Prozent Gewicht verloren ging. Dagegen zeigte sich beim Taillenumfang unter Semaglutid ein klarer linearer Trend: jede zusätzliche Umfangsreduktion bis Woche 20 war mit einem niedrigeren anschließenden MACE-Risiko assoziiert (Hazard Ratio: 0,91).
Es gibt Hinweise, die andeuten, dass die Reduktion des Taillenumfangs schätzungsweise zu rund einem Drittel zur Verminderung des MACE-Risikos beitragen. Das wiederum bedeutet, dass mindestens zwei Drittel des Nutzens der Semaglutid-Therapie nicht über Adipositas-Parameter vermittelt werden. Dies spricht für relevante gewichtsunabhängige Mechanismen.
Die Effekte von GLP-1-Rezeptoragonisten werden vor allem auf die Reduktion viszeraler Fettdepots zurückgeführt – die besser durch den Taillenumfang als durch das Gewicht erfasst werden –, aber auch auf eine verbesserte Endothelfunktion, eine Normalisierung des Blutdrucks und der Lipidprofile sowie auf antiinflammatorische Wirkungen.
Experimentell sind auch zentrale GLP-1-Signale als Modulatoren systemischer Entzündung beschrieben. Dass der Taillenumfang nur einen Teil des Nutzens markiert, passt zu einem pleiotropen Wirkprofil von Semaglutid, das über reine Fettmassen-Effekte hinausgeht.
Die Limitationen dieser Studie betreffen unter anderem die demografische Zusammensetzung (überwiegend weiße Männer), das Fehlen direkter Körperzusammensetzungs-Messungen sowie die eingeschränkte Generalisierbarkeit. Dennoch stützen Umfang, Ereignisdichte und die konsistenten Sensitivitätsanalysen die Robustheit der Kernaussagen.
Somit zeigt die Studie relativ zuverlässig, dass bei übergewichtigen beziehungsweise adipösen Patienten mit etablierter Atherosklerose, aber ohne Diabetes, Semaglutid das MACE-Risiko unabhängig vom Ausmaß der Adipositas zu Therapiebeginn und unabhängig vom Ausmaß des Gewichtsverlusts unter der Therapie zu senken vermag. Die Reduktion des Taillenumfangs trägt erkennbar, aber nur teilweise zum Nutzen bei.
Damit qualifiziert sich eine Therapie mit Semaglutid immer stärker als kardiovaskulär krankheitsmodifizierender Ansatz jenseits reiner Gewichtsmanagement-Indikationen und stellt BMI-Schwellen oder Gewichtsverlust-Targets als alleinige Verordnungskriterien deutlich in Frage.