Semaglutid könnte beim Rauchstopp helfen |
Annette Rößler |
31.07.2024 13:00 Uhr |
Über eine Modulation des Belohnungssystems im Gehirn könnte Semaglutid das Verlangen nach Zigaretten zurückschrauben. / Foto: Adobe Stock/ehabeljean
Außer in den zugelassenen Indikationen Typ-2-Diabetes und Adipositas sind für Semaglutid und andere GLP-1-RA bereits positive Effekte auf das Herz-Kreislauf-System, die Leber und die Nieren sowie womöglich auch neuroprotektive Eigenschaften gezeigt worden. Darüber hinaus gibt es Hinweise aus Tierversuchen sowie Belege durch erste Real-World-Daten, dass Semaglutid das Verlangen nach Alkohol dämpft. Als Erklärung für den letztgenannten Effekt wird eine Beeinflussung des Nucleus accumbens vermutet, der Teil des Belohnungssystems im Gehirn ist.
Insofern ist es keine Überraschung, dass jetzt eine Forschergruppe im Fachjournal »Annals of Internal Medicine« auch von einer vermutlich vorhandenen Wirkung bei Tabakkonsumstörung berichtet. Einen tatsächlichen Beleg kann die Untersuchung aufgrund ihres Designs zwar nicht liefern, doch sind die Hinweise so stark, dass die Autoren um William Wang von der Case Western Reserve University School of Medicine in Cleveland, Ohio, für die Aufnahme von größeren klinischen Studien plädieren, um das Potenzial von Semaglutid zur Raucherentwöhnung zu untersuchen.
Die Veröffentlichung stellt eine Auswertung von Patientendaten aus der Zeit zwischen dem 1. Dezember 2017 und dem 31. März 2023 dar. Eingeschlossen waren Patienten in den USA, die sowohl Typ-2-Diabetes als auch eine Tabakkonsumstörung hatten und die in diesem Zeitraum die Anwendung von Semaglutid oder einem anderen Antidiabetikum begannen. Erfasst wurde, ob die Patienten im ersten Behandlungsjahr einen Arzt aufgrund von Problemen, die mit dem Rauchen im Zusammenhang standen, aufsuchten, ein Medikament zur Raucherentwöhnung verordnet bekamen oder bezüglich eines Rauchstopps beraten wurden.
Von den 222.942 Studienteilnehmenden wurden 5967 neu auf Semaglutid eingestellt; die anderen erhielten ein Insulin, Metformin, einen DPP-4-Inhibitor, einen Sulfonylharnstoff, ein Glitazon oder auch einen anderen GLP-1-RA. Unter Semaglutid war das Risiko für Arztbesuche aufgrund von Gesundheitsproblemen, die mit dem Rauchen zusammenhingen, signifikant niedriger als bei der Anwendung eines anderen Antidiabetikums. Am größten war der Unterschied zu den Insulinen (32-prozentige Risikoreduktion) und am geringsten, aber immer noch signifikant, zu anderen GLP-1-RA (12-prozentige Risikoreduktion).
Auch in den anderen beiden Kategorien »Verordnung von Mitteln zur Raucherentwöhnung« und »Rauchstopp-Beratung« hatte Semaglutid die Nase vorn. Die Effekte waren bei Patienten mit komorbider Adipositas und schlankeren Patienten gleichermaßen vorhanden und in den ersten 30 Behandlungstagen am stärksten ausgeprägt.
Die potenzielle Wirksamkeit von Semaglutid bei Tabakabhängigkeit wird zurzeit in einer kleinen Phase-II-Studie untersucht (NCT05530577). Sollten tatsächlich größere klinische Studien folgen, wäre es wünschenswert, auch andere GLP-1-RA als Vergleichsmedikation mit aufzunehmen, um zu ermitteln, ob es sich hier um einen Klasseneffekt handelt.