Seltener Komplikationen bei ethnischen Minderheiten |
Theo Dingermann |
01.08.2025 13:30 Uhr |
Angehörige ethnischer Minderheiten in Europa haben bei einer Typ-2-Diabetes-Erkrankung ein niedrigeres Sterberisiko als die Mehrheitsbevölkerung. / © Adobe Stock/WESTOCK
Angehörige ethnischer Minderheiten in Europa, die an Typ-2-Diabetes (T2D) erkrankt sind, erleiden seltener Komplikationen der Stoffwechselkrankheit als Angehörige der jeweiligen Mehrheitsbevölkerung. Das ist das Ergebnis einer Metaanalyse von 58 Studien mit mehr als 1,2 Millionen Teilnehmenden, wie ein Team um Professorin Dr. Joline Beulens von der Universität Amsterdam jetzt im Fachjournal »BMJ Open Diabetes Research & Care« berichtet. Berücksichtigt wurden prospektive und Querschnittstudien überwiegend aus Großbritannien, den Niederlanden und Schweden.
Insgesamt zeigte sich bei ethnischen Minderheiten in Europa ein signifikant reduziertes Risiko für die Gesamtmortalität im Vergleich zu europäischen Mehrheitsbevölkerungen (relatives Risiko = 0,70). Auch kardiovaskuläre und krebsspezifische Mortalitätsraten waren bei den ethnischen Minderheiten tendenziell niedriger. Ausnahmen bildeten Menschen südasiatischer Herkunft, bei denen hinsichtlich der Herz-Kreislauf-Mortalität kein signifikanter Unterschied zur europäischen Mehrheitsbevölkerung bestand.
Auch das Risiko für makrovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Herzinsuffizienz war bei ethnischen Minderheiten insgesamt geringer, insbesondere bei Menschen aus Subsahara-Afrika, bei Menschen aus Südasien hingegen vergleichbar oder leicht erhöht.
Ein differenziertes Bild zeigte sich bei mikrovaskulären Komplikationen. So wurde in prospektiven Studien für Menschen aus Südasien und Subsahara-Afrika ein signifikant erhöhtes Risiko für Nephropathien ermittelt. Das Risiko für Retinopathien war bei den ethnischen Minderheiten, insbesondere in den Querschnittdaten, leicht erhöht. Besonders bei Südasiaten war das Risiko für Makulopathie fast doppelt so hoch wie in der europäischen Mehrheitsbevölkerung, wohingegen für Neuropathien und Fußulzera kein signifikanter Unterschied in der Gesamtauswertung nachzuweisen war, obwohl sich in einzelnen Studien ein erhöhtes Risiko für schmerzhafte Neuropathien bei Südasiaten andeutete.
In Bezug auf Depressionen und andere psychische Erkrankungen konnten keine signifikanten ethnischen Unterschiede festgestellt werden. Für Infektionen und Hypoglykämien lagen nur Einzeldaten vor, aus denen sich keine konsistenten Unterschiede ableiten ließen.
Die niedrigere Gesamtmortalität und das reduzierte Risiko makrovaskulärer Komplikationen könnten durch einen früheren Therapiebeginn, bessere kardiometabolische Ausgangsprofile oder durch ein verändertes Arztverhalten bei ethnischen Minderheiten erklärbar sein.
Tatsächlich gibt es Quellen, in denen auf Unterschiede hinsichtlich des Behandlungsbeginns, der Medikationsnutzung und dem Risikofaktorprofil hingewiesen wird. Ethnische Unterschiede im Gesundheitsverhalten und hinsichtlich biologischer Dispositionen, etwa für eine zentrale Adipositas bei Südasiaten, könnten ebenfalls eine Rolle spielen.
In einer Pressemitteilung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) sagt Professorin Dr. Ina Danquah, Vorsitzende der AG Diabetes & Migration, die vorliegende Arbeit zeige, dass »Personen mit eigener oder elterlicher Migrationsgeschichte in Europa trotz ihrer deutlich höheren Diabeteserkrankungsraten ein um 28 Prozent geringeres Risiko für schwere Herz-Kreislauf-Komplikationen haben. Das Sterberisiko liegt sogar um etwa 30 Prozent unter dem der europäischen Mehrheitsbevölkerung«.
Eine Ursache für weniger makrovaskuläre Komplikationen könnten genetische Schutzfaktoren sein. So weisen etwa Menschen aus Herkunftsländern im südlichen Afrika ein günstigeres kardiometabolisches Profil auf, zum Beispiel Blutfettwerte betreffend. Weitere Gründe dafür könnten sein, dass bei Migrantinnen und Migranten aus dem asiatischen und afrikanischen Raum seltener Risikofaktoren wie Rauchen, Alkoholkonsum oder Bluthochdruck bestehen als in der Allgemeinbevölkerung. Außerdem gibt es Hinweise, dass Ärzte bei Migrantinnen und Migranten von einem höheren Risiko ausgehen und früher antidiabetische Medikamente einsetzen.
Die Expertin betont, wie wichtig Aufklärung der Betroffenen ist. »Mit einer guten Vorsorge und konsequenter Therapie lassen sich viele Komplikationen verhindern. Wobei das für alle gilt – unabhängig von der Herkunft« so Danquah. Wichtig sei, dass Angebote verständlich, niederschwellig zugänglich und kulturell angepasst sind.