Self-Check-out macht peinliche Einkäufe leichter |
Jennifer Evans |
31.07.2025 08:00 Uhr |
Technik gegen Tabus: Einige Menschen scannen intime Produkte lieber als sich den Blicken an einer herkömmlichen Kasse zu stellen. / © Getty Images/Giselleflissak
Selbstbedienungskassen gelten als besonders effizient. Doch vor allem haben sie eine psychologische Funktion – besonders, wenn es um potenziell peinliche Hygieneartikel geht. Der Kauf einiger Produkte zählt bei vielen Menschen zu jenen Momenten, in denen sie soziale Blicke fürchten. Eine Studie hat nun untersucht, wie sich dieses Schamgefühl auf das Einkaufsverhalten auswirkt – und welche Rolle Self-Check-out-Kassen dabei spielen. Die zentrale Frage: Meiden Menschen die Interaktion mit Kassiererinnen und Kassierern, wenn sie Produkte kaufen, die sie als peinlich empfinden?
Um das herauszufinden, analysierte eine Gruppe von Daten- und Wirtschaftswissenschaftlern zwischen 2008 und 2011 Scanner-Daten von US-Supermärkten mit Filialen in Washington, Maryland und Virginia. Die Läden der Kette hatten die SB-Kassen gerade eingeführt. Dabei schauten sich die Forschenden insbesondere Produktgruppen wie Menstruationsartikel, Inkontinenzprodukte oder Intimhygiene-Produkte an. Darunter waren Kondome, Schwangerschaftstests, Mittel gegen Hefepilzinfektionen, Damenhygieneartikel, Hämorrhoidencrems oder auch Mittel gegen Durchfall.
Zunächst zeigte sich ein klarer Trend: Nach der Einführung der automatisierten Kassen griffen Kundinnen und Kunden häufiger zu stigmatisierten Produkten. So stieg beispielsweise der Verkaufsanteil von Darmmedikamenten um 11 Prozent, bei Kondomen waren es 17 Prozent und Medikamente gegen Hefepilzinfektionen verzeichneten ein Plus von 22 Prozent.
Darüber hinaus legten die Daten nahe, dass unter den 19 Prozent aller Artikel, die Menschen kontaktlos erwerben, der Anteil der tabubehafteten Ware deutlich höher war. Unter diesen machten die Schwangerschaftstests 43 Prozent und die Kondome 42 Prozent aus. Nach Angaben der Studienautorinnen und -autoren ließ sich dieses Phänomen auch bei weiteren pharmazeutischen Produkten mit möglichem Schamfaktor beobachten, die dann bevorzugt an den Selbstbedienungskassen den Laden verließen.
Auch nachdem die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusätzliche Faktoren berücksichtigten, zeigte sich dieser Effekt. Selbst wenn der Einkauf eine große Anzahl von Artikeln oder frisches Obst und Gemüse enthielt, das sie zunächst wiegen und scannen mussten, entschieden sich die Supermarktbesucher dennoch viel eher für die digitale Bezahlstation, wenn ihr Einkaufswagen ebenfalls heikle Artikel enthielt.
Die Studienergebnisse deuten zudem darauf hin, dass bei der Entscheidung für die SB-Station nicht nur Bequemlichkeit oder Schnelligkeit ausschlaggebend sind. Denn eine Transaktion an dem Self-Check-out dauert im Durchschnitt 101,5 Sekunden länger als an einer menschlich besetzten Kasse.
Vielmehr ermöglicht die Technik Kundinnen und Kunden, selbst zu kontrollieren, wann sie ein Produkt scannen, das für sie einen unangenehmen Moment hervorruft. Außerdem reduziert eine solche ausgelagerte Bezahlstelle die direkte soziale Interaktion mit der Kassiererin oder dem Kassierer sowie deren Blicke oder Kommentare, garantiert also Anonymität. Denn viele Menschen erlebten den Einkauf als intimen Moment – auch im öffentlichen Raum, heißt es.
Für den Einzelhandel erscheint es der Studie zufolge vorteilhaft zu sein, soziale Empfindlichkeiten weiterhin zu berücksichtigen – besonders bei sensiblen Produktgruppen. Automatisierte Kassen sparen zwar Kosten, sind aber gleichzeitig offenbar ein Mittel zur Kundenbindung. Für die Forschung liefert die Untersuchung in den Augen der Forschenden außerdem ein datenbasiertes Beispiel für Stigma-Management im Alltag.