Seladelpar im Handel |
Brigitte M. Gensthaler |
04.04.2025 07:00 Uhr |
Die primär biliäre Cholangitis (PBC) ist eine Autoimmunerkrankung der Leber. Antikörper zerstören die Cholangiozyten, die die Wände der intrahepatischen Gallengänge bilden. In der Folge kommt es zu einer fortschreitenden Leberentzündung bis hin zum Organversagen. / © Getty Images/mi-viri
Das Medikament Seladelpar Gilead (10 mg Hartkapseln) hat eine bedingte Zulassung zur Behandlung der primär biliären Cholangitis (PBC; Kasten) in Kombination mit Ursodeoxycholsäure (UDCA) bei Erwachsenen, die nicht ausreichend auf UDCA ansprechen, oder als Monotherapie bei Patienten, die UDCA nicht vertragen. In den USA wird Seladelpar als Livdelzi® vermarktet.
Die empfohlene Dosis beträgt 10 mg einmal täglich, die der Patient zu oder unabhängig von einer Mahlzeit schlucken soll. Hat er dies vergessen, sollte er die nächste Dosis zum nächsten regulären Zeitpunkt einnehmen, aber keine Dosis verdoppeln. Bei leichter Leberfunktionsstörung ist keine Dosisanpassung erforderlich; beim Fortschreiten zu einer mittelschweren Leberinsuffizienz ist ein Abbruch der Behandlung zu erwägen. Die Anwendung bei Patienten mit schwerer Leberfunktionsstörung wird nicht empfohlen.
Die primär biliäre Cholangitis (PBC) ist eine seltene chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung der Leber, die zu einer fortschreitenden Schädigung der intrahepatischen Gallengänge führt. Die PCB betrifft zu 90 Prozent Frauen.
Autoimmunprozesse zerstören die Zellen (Cholangiozyten) der mittleren und kleinen Gallenwege und es kommt zum Gallenstau (Cholestase). In der Folge werden Gallengänge und umliegendes Gewebe, vor allem Leberzellen (Hepatozyten), geschädigt. Die Konzentrationen an alkalischer Phosphatase und Bilirubin steigen. Unbehandelt kann die PCB zu erheblichen Leberschäden mit Entzündung und Fibrose führen. Im Endstadium drohen Leberzirrhose und -karzinom, chronisches Organversagen und Tod. Unter Umständen brauchen die Patienten eine Lebertransplantation. Die PCB löst zahlreiche extrahepatische Symptome aus; besonders belastend für die Patienten sind Juckreiz und Fatigue. Dabei korreliert die Fatigue nicht mit dem Schweregrad der Lebererkrankung.
Als Erstlinientherapie ist Ursodeoxycholsäure (UDCA) mit 13 bis 15 mg pro kg Körpergewicht pro Tag etabliert. Nach Studien sprechen rund 40 Prozent der Patienten unzureichend auf die Therapie an und bei 5 Prozent wird eine Unverträglichkeit berichtet. Bei diesen Patienten folgt die Zweitlinientherapie mit Elafibranor und seit neuestem auch mit Seladelpar zusätzlich zu UDCA; beide neuen Wirkstoffe können auch als Monotherapie verabreicht werden.
Seladelpar ist ein Agonist am Peroxisom-Proliferator-aktivierten Rezeptor delta, kurz PPARδ, also ein »Delpar«. Das seit Herbst 2024 zugelassene Elafibranor ist ein dualer PPARα/δ-Agonist.
Der Kernrezeptor PPARδ wird in der Leber und anderen Geweben exprimiert. Seine Aktivierung verringert die Gallensäuresynthese in der Leber durch die Fibroblasten-Wachstumsfaktor-21-abhängige Herunterregulierung von CYP7A1; dies ist das wichtigste Enzym für die Gallensäuresynthese aus Cholesterol. Zudem werden die Cholesterol-Synthese und -Resorption vermindert. In der Folge nehmen die Konzentration an zirkulierenden Gallensäuren und die Exposition in der Leber ab.
Wirksamkeit und Sicherheit von Seladelpar wurden in der Phase-III-Zulassungsstudie RESPONSE nachgewiesen. 193 Patienten, die nicht ausreichend auf UDCA angesprochen hatten oder diese nicht vertrugen, aber keine dekompensierte Erkrankung hatten, erhielten zwölf Monate lang täglich peroral Seladelpar 10 mg oder Placebo; zwölf davon bekamen Seladelpar oder Placebo als Monotherapie wegen einer Unverträglichkeit gegen UDCA. Als primärer Endpunkt war ein biochemisches Ansprechen nach 52 Wochen definiert (alkalische Phosphatase, ALP < 1,67 × ULN, Gesamtbilirubin ≤ 1 × ULN und ALP-Abnahme ≥ 15 Prozent vom Ausgangswert; ULN: Upper Limit of Normal, Obergrenze des Normalwerts). Sekundärer Endpunkt war die Veränderung des Juckreizes nach sechs Monaten.
Den primären Endpunkt erreichten 62 Prozent der Patienten in der Seladelpar-Gruppe und 20 Prozent in der Placebogruppe. Bei einem Viertel der Patienten normalisierte sich der ALP-Wert unter Verum, aber bei keinem in der Placebogruppe. Der Juckreiz nahm bei Teilnehmern mit moderatem bis schwerem Pruritus (Pruritus-NRS-Score ≥ 4) nach sechs Monaten signifikant ab gegenüber Placebo. Die Patienten berichteten bereits im ersten Monat über eine Besserung, die sich fortsetzte.
Die Nebenwirkungsraten waren nahezu gleich: 84,6 Prozent unter Placebo und 86,7 Prozent unter Seladelpar; am häufigsten war Pruritus. Die weiteren häufigsten Nebenwirkungen waren Bauch- und Kopfschmerzen, Übelkeit und Blähungen.
Unter höheren Seladelpar-Dosen wurde ein dosisabhängiger Anstieg der Transaminasen im Serum (Aspartat- und Alanin-Aminotransferasen) beobachtet. Zu Beginn der Behandlung sollten daher klinische und laborchemische Untersuchungen erfolgen und die Werte anschließend routinemäßig überwacht werden. Bei vollständiger biliärer Obstruktion ist Seladelpar zu vermeiden und bei Verdacht darauf ist die Behandlung zu unterbrechen.
Die gleichzeitige Anwendung zusammen mit Inhibitoren von Arzneistofftransportern wie BCRP, OATP1B1 und -1B3 sowie OAT3 kann zu einem Anstieg der Seladelpar-Exposition führen. Daher wird die gleichzeitige Anwendung von Probenecid, das ein OAT1-, OAT3- und OATP1B1-Inhibitor ist, nicht empfohlen.
Seladelpar wird vorwiegend über CYP2C9 und in geringerem Maß über CYP2C8 und -3A4 metabolisiert. Daher sollten Patienten engmaschig überwacht werden, wenn sie zeitgleich Inhibitoren oder Induktoren dieser Enzyme einnehmen.
Gallensäurebindende Harze wie Cholestyramin, Colestipol oder Colesevelam können die Absorption von Arzneimitteln verringern. Daher sollte ein Einnahmeabstand von mindestens vier Stunden eingehalten werden.
Vorsichtshalber soll Seladelpar während der Schwangerschaft vermieden werden.
Seladelpar könnte man als Sprunginnovation, aber auch als Analogpräparat sehen. Denn vor einigen Monaten kam mit Elafibranor ein sehr ähnlich wirkender Arzneistoff für das identische Einsatzgebiet in den deutschen Handel. Damals war die Einordnung als Sprunginnovation klar. Auch Seladelpar darf als Sprunginnovation gesehen werden. Denn was sind schon wenige Monate bei einer Arzneistoffentwicklung über mehrere Jahre?
Nach dem Widerruf der Zulassung von Obeticholsäure Ende 2024 ist der Bedarf an Wirkstoffen für die Zweitlinientherapie der primär biliären Cholangitis (PBC) gewachsen. Sowohl Elafibranor als auch Seladelpar springen hier in die Bresche. Die Daten der Phase-III-Zulassungsstudie RESPONSE zeigen, dass auch die Therapie mit Seladelpar gut funktioniert.
Im sekundären Endpunkt reduzierte Seladelpar signifikant den Juckreiz bei Patienten, die zu Beginn der Behandlung mittelschweren bis schweren Pruritus aufwiesen. Hier gibt es einen kleinen Hinweis auf einen möglichen Vorteil von Seladelpar gegenüber Elafibranor. Zwar konnte Letzterer auch den Juckreiz lindern, der Unterschied zu Placebo erreichte aber kein Signifikanzniveau. Welche der beiden Sprunginnovationen letztlich höher springt, wird sich zeigen. Hierfür wäre ein direkter Vergleich in einer Studie hilfreich. Zudem gilt es weitere Langzeitdaten abzuwarten.
Sven Siebenand, Chefredakteur