Sehverlust und hohes Cholesterol steigern Demenzrisiko |
Christina Hohmann-Jeddi |
02.08.2024 14:00 Uhr |
Eine Sehschwäche gerade im höheren Alter kann das Risiko, eine Demenz zu entwickeln, erhöhen. / Foto: Getty Images/Miniseries
Einer Demenz kann man in gewissem Umfang vorbeugen, indem man Risikofaktoren reduziert. In früheren Studien hatte die Kommission zur Prävention, Intervention und Pflege von Demenz der Fachzeitschrift »The Lancet« bereits zwölf solcher Risikofaktoren identifiziert. Zu diesen gehören unter anderem Bluthochdruck, Schwerhörigkeit, Depression und soziale Isolation. In ihrer aktuellen im »Lancet« veröffentlichten Studie nimmt die Kommission Sehverlust und erhöhtes LDL-Cholesterol als weitere Risikofaktoren für eine Demenz in die Liste auf.
Demnach können Sehbehinderungen das Demenzrisiko insbesondere im späten Lebensalter erhöhen. Laut der Studie ließe sich das Erkrankungsrisiko um 2 Prozent senken, wenn besonders im hohen Alter Sehschwächen ausgeglichen würden. Weltweit blieben bei 12,5 Prozent der Menschen über 50 Jahren Sehschwächen unbehandelt.
»Ein abnehmendes Sehvermögen kann ähnliche Folgen haben wie Schwerhörigkeit«, erläutert Dr. Anne Pfitzer-Bilsing, Leiterin der Abteilung Wissenschaft von der gemeinnützigen Alzheimer Forschung Initiative, in einer Pressemitteilung. »Menschen, die schlechter sehen oder hören, ziehen sich oft zurück und sind sozial weniger aktiv.« Durch die soziale Isolation verarbeite das Gehirn weniger Reize und werde weniger stimuliert, wodurch die Leistungsfähigkeit abnehme und das Alzheimer-Risiko steige. »Außerdem kann soziale Isolation zu Depressionen führen, die ebenfalls zu den Demenz-Risikofaktoren zählen.«
Als weiteren neuen Risikofaktor wurden zu hohe LDL-Cholesterolwerte im mittleren Lebensalter in die Liste aufgenommen. Der Publikation zufolge könnte durch Normalisierung der Werte das Demenzrisiko um 7 Prozent gesenkt werden. Ein hoher LDL-Cholesterolspiegel könne die Bildung von Amyloid-Plaques, ein charakteristisches Merkmal der Alzheimer-Krankheit, begünstigen, heißt es zur Erklärung. Er beeinflusse aber auch das Risiko für weitere Demenzerkrankungen, so Pfitzer-Bilsing.
»Hohe LDL-Cholesterolwerte können zu Ablagerungen in den Blutgefäßen führen, die die Blutversorgung des Gehirns beeinträchtigen. Dadurch steigt das Risiko für eine vaskuläre Demenz.« Mit Aufnahme des LDL-Cholesterolwerts in die Liste der Risikofaktoren unterstreiche die Kommission die Wichtigkeit der Herz-Kreislauf-Gesundheit für die Demenzprävention.
Das bekräftigt auch Professor Dr. Stefan Teipel, Leiter der Klinischen Demenzforschung am Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE). »Was gut ist für die Herzgesundheit, ist auch für die Hirngesundheit gut. Es lohnt sich also doppelt, in Prävention zu investieren.« Dabei seien hohe LDL-Werte kein neu entdeckter Risikofaktor und wurden etwa von der Weltgesundheitsorganisation schon 2019 in ihrem Report aufgelistet. Auch zum Sehverlust gibt es bereits einige Studien zu dessen Einfluss auf das Demenzrisiko.
Dem »Lancet«-Bericht zufolge könnten 45 Prozent der Demenzerkrankungen verhindert oder deutlich verzögert werden, wenn alle 14 Risikofaktoren vollständig ausgeschaltet werden könnten. Dass Prävention möglich ist, betont auch Teipel. So hätte seit 2011 eine Reihe von prospektiven epidemiologischen Studien in Großbritannien, Dänemark, den USA und Deutschland gezeigt, dass das altersbezogene Demenzrisiko in den letzten zehn Jahren um etwa 3,5 Prozent gesunken ist. Die Gründe seien vermutlich der Zugang der Nachkriegsgeneration zu einer besseren Gesundheitsversorgung und zu Bildung, gerade bei Frauen, und die Abnahme des Rauchens. Dass die Summe der verhinderbaren Demenzfälle über alle Risikofaktoren hinweg bei 45 Prozent liegt, zweifelt der Experte aber an.
»Wenn man mehrere Risikofaktoren beeinflusst, gibt es synergistische Effekte, man kann für einzelne Individuen die Effekte der Risikoreduktion deswegen nicht einfach aufsummieren. Ich denke, die 45 Prozent liegen im oberen Randbereich dessen, was man erwarten kann und die Wirklichkeit liegt deutlich darunter.«