Schützende ApoE3-Variante wirkt auch bei einer Kopie |
Theo Dingermann |
20.06.2024 14:30 Uhr |
Manche Varianten des Gens für das Apolipoprotein E senken das Risiko für eine Alzheimer-Erkrankung. / Foto: Getty Images/Science Photo Library
Träger einer Mutation im Presenilin-1 (PSEN1), die durch den Aminosäureaustausch von Glutaminsäure durch Alanin an Position 280 (E280A) charakterisiert ist, werden mit Sicherheit an Alzheimer erkranken. Sind diese Personen aber zusätzlich auch noch Träger der sogenannten APOE3-Christchurch-Variante (APOE3Ch), wird der Eintritt der Krankheit um Jahre verzögert.
Über diesen Zusammenhang wurde bereits im letzten Jahr berichtet. Eine Frau hatte nicht nur die genetische Variante im PSEN1-Gen, sondern auch zwei Kopien von APOE3Ch. Diese Frau entwickelte, anders als PSEN1-E280A-Träger ohne diese APOE-Variante, erst in ihren späten 70er-Jahren kognitive Beeinträchtigungen.
Jetzt haben Forschende um Dr. Yakeel Quiroz vom Massachusetts General Hospital in Boston weitere Mitglieder einer großen Verwandtschaftsfamilie aus dem kolumbianischen Bundesstaat Antioquia untersucht. Die Ergebnisse ihrer Studie publizierten sie im »New England Journal of Medicine (NEJM)«.
Die untersuchte Familie besteht aus etwa 6000 Blutsverwandten, von denen etwa 1200 die autosomal-dominante Mutation PSEN1-E280A tragen. Das Durchschnittsalter beim Ausbruch der Alzheimer-Krankheit liegt bei den Trägern dieser Mutation in der Regel bei etwa 45 Jahren.
Das Forscherteam identifizierte nun unter den PSEN1-E280A-Trägern 27 Familienmitglieder, die zusätzlich eine Genkopie der APOE3Ch-Variante tragen. Auch bei diesen Personen verzögert sich das Einsetzen der Krankheit deutlich, jedoch nicht in dem Maße wie bei der Patientin, über die 2023 berichtet wurde. Konkret betrug das mittlere Alter bei Beginn der Demenz bei den APOE3Ch-Trägern 54 Jahre, verglichen mit 50 Jahren bei den Familienmitgliedern, die keine schützende APOE3Ch-Variante besaßen.
Somit liefern die Autoren dieser Studie den ersten Beweis dafür, dass auch heterozygote Träger, die nur eine Kopie der APOE3-Christchurch-Variante im Erbgut besitzen, einen gewissen Schutz vor der autosomal-dominanten Alzheimer-Krankheit bieten kann, der allerdings verglichen mit einer homozygoten APOE3Ch-Konstellation deutlich geringer ist.
Diese Erkenntnis könnte wichtige Auswirkungen auf die Entwicklung neuer Arzneimittel zur Verzögerung oder Behandlung der Alzheimer-Krankheit haben, die APOE-bezogene Signalwege in den Fokus nehmen.
Das am weitesten verbreitete vor Alzheimer schützende Allel ist APOE2. Dieses Allel kommt bei etwa 10 Prozent der Bevölkerung vor. Die sporadische Alzheimer-Krankheit ist bei APOE2-Homozygoten um etwa zehn Jahre und bei APOE2-Heterozygoten um etwa fünf Jahre verzögert.
Interessant ist, dass sowohl die APOE3Ch-Homozygotie als auch die APOE2-Homozygotie mit einer Typ-III-Hyperlipoproteinämie verbunden sein können. Dabei handelt es sich um eine genetisch bedingte Fettstoffwechselstörung, bei der sowohl die Cholesterol- als auch die Triglyceridwerte im Blut erhöht sind. Dies könnte darauf hindeuten, dass bei beiden schützenden APOE-Varianten die Interaktion mit den APOE-Rezeptoren in ähnlicher Weise gestört ist, scheibt Professor Dr. John Hardy vom University College London, in einem begleitenden Editorial in NEJM. Diese Störung könnte an den pathologischen Mechanismen beider Erkrankungen beteiligt sein. Diese gelte es genauer zu untersuchen, fordern die Autoren des Editorials.