Schritte zu einem klimaneutraleren Gesundheitswesen |
Melanie Höhn |
28.05.2024 16:04 Uhr |
Bis 2025 soll das Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM) aufgebaut werden, um das Thema Nachhaltigkeit besser zu verankern. / Foto: Adobe Stock/Johannes
Der Gesetzentwurf zur Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) soll morgen in einem Bund-Länder-Treffen korrigiert werden. Heute wurde im Rahmen der »Clean Med« darüber diskutiert, inwieweit Nachhaltigkeit Einzug in das Gesetz gehalten hat und inwieweit Hitzeschutz und Nachhaltigkeitsthemen im Bereich der Krankenhäuser, aber auch in anderen Ebenen des Gesundheitssektors, mehr integriert werden können.
Dass es mehr denn je an der Zeit ist, über die Veränderungen des Klimas intensiver zu diskutieren, erklärte Matthias Albrecht vom Kompetenzzentrum für klimaresiliente Medizin und Gesundheitseinrichtungen (KliMeG): »Der Klimawandel jagt von Rekord zu Rekord, Starkregenereignisse wie kürzlich im Saarland, aber auch in Dubai und im Oman machen betroffen. Der Klimawandel ist sichtbar und spürbar für alle – unser System muss resilient werden«, so Albrecht.
In einer Diskussionsrunde betonte Ute Teichert, Abteilungsleiterin Öffentliche Gesundheit im Bundesgesundheitsministerium (BMG), dass auf Bundesebene das Thema Nachhaltigkeit besser verankert werden wird: Bis 2025 soll das Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM) aufgebaut werden. Wichtig sei ihrer Meinung nach, miteinander ins Gespräch zu kommen und gemeinsam Schritte nach vorn zu gehen. »Wir stehen am Beginn einer Reform. Dies ist eine Chance zu überlegen, welche Stellschrauben es gibt«, sagte sie.
Henriette Neumeyer, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), kritisierte, dass im Moment »noch ziemlich viel Chance offen« sei – »obwohl wir sehen, dass das Thema der Klimaneutralität im Bewusstsein ist wie nie zuvor«, so Neumeyer. Es gebe einen »absoluten Wahrnehmungssprung«, dennoch durchdringe das Thema die Politik nicht genügend. Nachhaltigkeit sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und die umfangreichen Maßnahmen müssten nun in die Umsetzung gebracht werden.
Zum Treffen zwischen dem Bund und den Ländern und den Debatten um die Krankenhausreform sagte Neumeyer, dass Gesundheitsminister Lauterbach am morgigen Mittwoch »die vielleicht letzte Chance« habe, »die Krankenhausreform in einem vernünftigen Rahmen umzusetzen.« Nach all den Fehlern und Rückschlägen, die der Gesundheitsminister zu verantworten habe – zuletzt der massiv fehlerbehaftete »Transparenzatlas« – habe er nun eine letzte Möglichkeit, den Kompromiss zu suchen. Die Bundesländer seien mit einer veränderten Stellungnahme bereits auf den Minister zugegangen, nur lasse das Bundesministerium weiterhin jede konstruktive Einigungsbereitschaft vermissen. »Wir rufen den Minister auf, die Konfrontationspolitik zu beenden, die zahlreichen Türen, die er in den vergangenen Monaten und Jahren zugeworfen hat, wieder zu öffnen und mit allen Akteuren der Gesundheitspolitik in den Dialog zu treten«, erklärte Neumeyer.
Dass nichts zum Thema Nachhaltigkeit im aktuellen Gesetzentwurf zur Krankenhausreform enthalten sei, kritisierte Anne-Kathrin Klemm vom BKK-Dachverband. »Wenn wir aktuell über Regularien nachdenken, werden wir immer sehr schnell kleinteilig. Wir brauchen ein gemeinsames Ziel und Kriterien und müssen uns ein Stück weit rebellisch verhalten«, so Klemm. »Wir kommen nicht drumherum, wirklich gut zu kommunizieren«, und es dürfe nicht am Bedarf der Versicherten vorbei geplant werden.
Auch Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, kritisierte, dass die aktuelle Debatte zur Krankenhausreform nicht vom Thema Nachhaltigkeit geprägt sei und forderte: »Wir müssen uns angewöhnen, in viel stärkerem Maße pragmatisch zu sein«. Außerdem müsse sich verbindlich gemeinsam auf Prinzipien geeinigt und gemeinsam daran gearbeitet werden.
Für Tina Rudolph (SPD), Mitglied des Deutschen Bundestags, ist der Blick über den Tellerrand wichtig. Beispielsweise gehe Spanien mit der digitalen Patientenakte, in der Termine organisiert, Rezepte verwaltet oder die Bereitschaft zur Organspende vermerkt werden kann, mit gutem Beispiel im Bereich der Digitalisierung voran – dies trage auch dazu bei, Wege zu sparen und ökologisch nachhaltig zu sein. Vor allem liegt ihr aber das »Mindset« in Richtung mehr Nachhaltigkeit am Herzen – dies könne in keinem Gesetz verankert werden. Mit Ute Teichert ist sie sich dahingehend einig, dass nach dem Ansatz von »Health in all policies« alle Ministerien dazu aufgefordert sind, über Klima- und Hitzeschutz gemeinsam zu diskutieren.
Dass auf diesem Weg auch die Pharmazeutinnen und Pharmazeuten mitgenommen werden, findet Regina Schumann, die mit den »Pharmacists for future« bei der »Clean Med« vor Ort war. Apothekerinnen und Apotheker seien keine Einzelkämpfer und müssten deshalb mit anderen Akteuren aus dem Gesundheitswesen zusammenarbeiten. »Uns ist wichtig, dass die Auswirkungen von Arzneimitteln entlang ihres gesamten Lebenszyklus untersucht werden«, erklärte sie auf Nachfrage der PZ. Für das Gesundheitswesen sei es von Vorteil, auch einen Blick auf andere Länder zu werfen.
Beispielsweise beschäftigt sich das norwegische Projekt »Procuring for greener pharma« der Nichtregierungsorganisation »Health Care Without Harm« mit dem Wandel hin zu einer verantwortungsvollen Antibiotika-Gabe und baut auf dem Engagement Skandinaviens im Sektor »Nachhaltige Beschaffung« auf, wie in einem weiteren Vortrag auf der »Clean Med« deutlich wurde. Dabei gehe es darum, Kriterien zur Verringerung der Umweltauswirkung von Arzneimitteln festzulegen, ökologische Belastungen durch Arzneimittel zu reduzieren und spezifische Maßnahmen und Standards für Antibiotika zu entwickeln, wie Matthias Albrecht und Anne Hübner vom KliMeG erklärten.
In Schweden werden seit 2021 Beschaffungskriterien für Medizinprodukte mit einem Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit entwickelt. 2020 entstand die »Responsible Antibiotics Manufacturing Platform (RAMP)«, die darauf abzielt, den Wandel hin zu einer verantwortungsvollen Antibiotika-Herstellung voranzutreiben – zukünftig sollen weitere Pharmazeutika wie Anästhesiegase, Inhalatoren und Hormone folgen. In Frankreich gibt es seit 2023 verpflichtende Lifecycle-Analysen für alle medizinischen Gesundheitsprodukte, darunter medizinische Geräte und Medikamente. Durch verfügbare Daten gibt es eine bessere Vergleichbarkeit der Produkte im Hinblick auf Umwelt- und Klimawirkung.