Schnelles Atmen kann high machen |
Jennifer Evans |
10.09.2025 11:00 Uhr |
Atemübungen wirken auf das Gehirn und können das Bewusstsein verändern, wie eine Studie nahelegt. / © Adobe Stock/ Studio Grand Web
Atemübungen erleben derzeit einen Aufschwung als Mittel gegen psychische Belastungen. Besonders schnell ausgeführte Atemtechniken, sogenannte High Ventilation Breathwork (HVB), können dabei Bewusstseinszustände hervorrufen, die an psychedelische Erfahrungen erinnern. Diese Praxis löst nicht nur Glücksempfindungen aus, sondern verändert auch den Blutfluss in jenen Hirnregionen, die Emotionen verarbeiten. Bisher war jedoch wenig darüber bekannt, welche neurobiologischen Prozesse dabei ablaufen.
Ein Team um Amy Amla Kartar vom Colasanti Lab der Abteilung für Klinische Neurowissenschaften der Brighton and Sussex Medical School hat in einer kleinen Untersuchung Hirnscans von insgesamt 42 Teilnehmenden ausgewertet. Sie führten 20- bis 30-minütige Atemsitzungen mit Musik durch und beantworteten anschließend Fragebögen. Parallel untersuchten die Forschenden Veränderungen im Blutfluss mithilfe der Magnetresonanztomographie (MRT). Die Ergebnisse erschienen nun in der Fachzeitschrift »PLOS One«.
Es zeigte sich: Je stärker die Atmung das sympathische Nervensystem aktivierte, desto intensiver erlebten die Teilnehmenden den veränderten Bewusstseinszustand, den sogenannten Altered State of Consciousness (ASC). Also auch unter Stress. Denn dieser Teil des Nervensystems bereitet den Körper auf Kampf- oder Fluchtsituationen vor, erhöht den Blutdruck und lässt das Herz schneller schlagen.
Gleichzeitig maßen die Forschenden eine stärkere Durchblutung in der rechten Amygdala und dem vorderen Hippocampus. Areale, die emotionale Erinnerungen verarbeiten und auch auf psychedelischen Substanzen reagieren. Das spricht den Studienautorinnen und -autoren zufolge dafür, dass Breathwork sich ähnlich auswirken könnte wie Psychedelika. Zudem berichteten die Teilnehmenden durchweg von weniger Angst und negativen Gefühlen – ohne dass Nebenwirkungen auftraten.
Die Forschenden betonen, dass es sich um eine explorative Studie handelt, die größere Untersuchungen erst bestätigen müssen. HVB könne aber Zustände hervorrufen, die sie als »ozeanische Grenzenlosigkeit« beschreiben. Den Begriff prägte in den 1920er-Jahren Sigmund Freud und meinte damit Gefühle von Glückseligkeit, Einsicht und Einheit. Das mache Atemtechniken potenziell wertvoll für therapeutische Anwendungen, heißt es in der Studie.
Im Gegensatz zu psychedelischen Substanzen wie Psilocybin, die für Angsterkrankungen, Depressionen, Zwangs- oder posttraumatische Belastungsstörung gedacht sind, habe Breathwork weniger rechtliche und ethische Einschränkungen in der klinischen Behandlung, argumentieren die Forschenden.