Schmales Zeitfenster für Apothekenreform |
Alexander Müller |
19.03.2025 13:58 Uhr |
Der CDU-Gesundheitspolitiker Georg Kippels wünscht sich fürs Bundesgesundheitsministerium jemanden, »der wieder in den Dialog geht« – kleine Spitze in Richtung Karl Lauterbach, der für seine Alleingänge bekannt ist. / © PZ/Müller
Während Kippels, der kurzfristig für BMG-Referatsleiter Thomas Müller eingesprungen war, sein Grußwort an die Delegiertenversammlung richtete, saß die Arbeitsgruppe Gesundheit der mutmaßlich neuen Koalitionäre von Union und SPD zusammen und verhandelte weiter.
Ob die Union das Gesundheitsressort für sich beanspruchen werde, konnte oder wollte Kippels nicht sagen. Doch das Interesse an dem Ressort sei in den vergangenen Legislaturperioden in den Verhandlungen immer größer geworden. Als Minister oder Ministerin würde sich Kippels jedenfalls jemanden wünschen, »der wieder in den Dialog geht« – eine kleine Spitze gegen den als Einzelkämpfer verschrienen Amtsinhaber Karl Lauterbach (SPD).
Zu den Inhalten der Verhandlungen sei ihm nichts bekannt, beteuerte Kippels. Nur eines sei schon klar: Union und SPD wollten einen »schlanken Koalitionsvertrag«. Denn in den vergangenen Wahlperioden seien die Verträge schnell auf eine stark veränderte Realität getroffen – in der letzten »Groko« auf die Corona-Pandemie und in der jetzt endenden Periode auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Insofern dürften auch die Apotheken nicht damit rechnen, dass jede ihre Forderungen in dem neuen Papier berücksichtigt werde. »Natürlich sollte, dürfte und müsste das Stichwort Vergütungsanpassung der Apotheken nicht fehlen im Koalitionsvertrag«, so Kippels, aber dieses Versprechen könne er nicht geben.
Und wichtiger sind auch aus seiner Sicht größere Strukturreformen, um die Apotheken beim Impfen, in der Prävention oder Ernährungsberatung stärker einzubinden. Die Verteilung niedrigschwelliger Leistungen sei sinnvoll, aber bitte ohne Konfrontation der Heilberufe. Gleichwohl ist Kippels überzeugt: »Mit der historischen Aufgabenverteilung können wir die Versorgung nicht sichern.«
Die Apotheken seien in den vergangenen Jahren oft übersehen worden. »Ihr ward immer so brav und so einsatzbereit und so leidensfähig«, so Kippels. Jetzt müsse ein »schnelles und wirkungsvolles Gesetz« kommen. Die Diskussionsbereitschaft der Krankenkassen sei angesichts der Finanzen zwar problematisch, aber sie dürften eben nicht nur auf die Beiträge achten, sondern müssten auch die Versorgung sicherstellen. »Die Zeit ist richtig, jetzt darüber zu reden, man muss sich aber beeilen, vier Jahre sind schnell rum«, so Kippels.
Reformbedarf sieht er beim Honorar, da habe auch die Union während ihrer Regierungszeit viel liegen gelassen, gab der CDU-Politiker zu. Auch das Verhältnis zum Versandhandel müsse wieder auf die Agenda, wobei die Diskussion von einem Rx-Versandverbot bis zu strengeren Kontrollen etwa der Temperaturbedingungen reiche.
Als schnelle wirtschaftliche Hilfe würden die Skonto-Frage diskutiert sowie eine bessere Nutzung der Finanzmittel für die pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL). »500 Millionen Euro, so eine Spardose möchte ich auch gerne mal haben«, sagte Kippels, was sich an diesem geschichtsträchtigen 18. März unfreiwillig komisch ausnahm: Mit der Zweidrittelmehrheit des alten Bundestags hatte sich die Politik just ein Sondervermögen von 500 Milliarden Euro verordnet, zusätzlich zu den nunmehr entgrenzten Militärausgaben. Kippels gab zu, dass es in seiner Partei gewisse »Diskrepanzen« gegeben habe, was in Sachen Staatsschulden vor und nach der Wahl gesagt worden sei. Aber Politik sei eben »kein statisches Geschäft«.
Kippels will aber über die Vergütungsstrukturen bei den pDL reden. Denn er ist sich sicher, dass die Krankenkassen über die Langzeitbeobachtung überzeugt werden könnten. Und um die Krankenkassen andererseits zu entlasten, müssten versicherungsfremde Leistungen endlich vom Staat getragen werden. Das sei schon vorgesehen gewesen, aber nie umgesetzt worden, kritisierte Kippels. Auch die Steigerungen im Arzneimittelbereich müssten zumindest gestoppt werden.
Mit ihren eigenen Vorstellungen, wie die Apotheke der Zukunft aussehen könnte, beschäftigten sich die Delegierten im Anschluss. »Wir müssen das Thema für uns besetzen und konkret werden, wie wir als Apothekerschaft unseren Beruf in der Perspektive verstehen und in der Apotheke vor Ort ausüben wollen«, so Kammerpräsidentin Ina Lucas.
Bei einer Live-Umfrage konnte sich jeweils eine deutliche Mehrheit der rund 40 anwesenden Apothekerinnen und Apotheker vorstellen, neue Aufgaben zu übernehmen. Besonders große Zustimmung fanden zusätzliche Impfungen in der Apotheke, ein Einschreibemodell »Hausapotheke« sowie selbstständige aut idem-Abgaben. Aber auch das Ausstellen von Wiederholungsverordnungen oder die Abgabe definierter Rx-Präparate ohne Vorliegen eines Rezeptes kann sich eine Mehrheit vorstellen.
Der Kammervorstand will die Ergebnisse der Blitzumfrage mit in die Gespräche auf Bundesebene nehmen – die ABDA arbeitet derzeit an in ihrem Konzept der Apotheke der Zukunft. Und der Draht ist mittlerweile kürzer, seit Lucas zur ABDA-Vize gewählt wurde.
Auch vor diesem Hintergrund wurde später bei der Delegiertenversammlung noch darüber diskutiert, ob die Kammer einen zweiten Vizepräsidenten bekommen soll, aktuell bekleidet Joachim Stolle das Amt. Ein entsprechender Antrag des Vorstands sowie verschiedene Änderungsanträge fanden aber nicht die benötigte Zweidrittelmehrheit. Es bleibt also alles wie gehabt.
Die ABDA-Mitgliederversammlung hatte dagegen eine Satzungsänderung beschlossen, in der Kritiker – auch aus den Reihen der Berliner Kammer – eine Schwächung des Deutschen Apothekertags sehen. Die Delegiertenversammlung wurde informiert, dass das Thema in zwei Jahren evaluiert werde. Die Debatte werde weiter geführt, versprach Lucas. Im Grunde, wie Kippels es früher am Abend gesagt hatte: Politik ist kein statisches Geschäft.