Schlüsselrolle statt Subventionen |
| Cornelia Dölger |
| 16.04.2025 10:00 Uhr |
Um das System fit zu machen, brauche es strategische Priorisierungen, mein Fresenius-Chef Michael Sen. / © Adobe Stock/Zerbor
Geld sei im Gesundheitssystem ausreichend vorhanden, nur sei das System ineffizient, meint Sen. In einem Gastkommentar für das »Handelsblatt« formuliert er fünf Ansätze für einen »echten Aktionsplan«. Es gelte die richtigen Zukunftsbranchen zu fördern, gleichzeitig müssten sich traditionelle Leitindustrien neu erfinden. Der Gesundheitswirtschaft kommt Sen zufolge in diesem Gefüge eine Schlüsselrolle zu.
Fünf Ansätze skizziert Sen, mit denen es gelänge, das »ineffiziente« und »ineffektive« Gesundheitssystem fit zu machen. »Die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Wandel sind da – und der gerade vorgelegte Koalitionsplan beinhaltet erste Impulse«, so Sen.
Zuallererst muss ihm zufolge Schluss sein mit der »Subventionsspirale«. Stattdessen brauche es eine strategische Industriepolitik mit guten Rahmenbedingungen. Der europäische Binnenmarkt für medizinische Güter und Dienstleistungen müsse vertieft werden. Dass die künftigen Regierungspartner dies in ihrem Koalitionsvertrag anerkennen, gehe in die richtige Richtung.
Zweitens brauche es eine nahtlose Digitalisierung sämtlicher Prozesse im Gesundheitssystem. Durch künstliche Intelligenz seien bei Behandlungsqualität und Effizienz »Quantensprünge« möglich. Der »vermeintliche Gegensatz zwischen medizinischem Fortschritt und Datenschutz« müsse überwunden werden, vor allem in der Digitalisierung der Krankenhausversorgung, bei der Deutschland im EU-Vergleich zurückstehe.
Sen plädiert zudem dafür, starre Grenzen aufzubrechen, sei es zwischen ambulanter und stationärer Versorgung oder bei Vergütungssystemen. Diese orientierten sich zu stark an der Anzahl von Abläufen und zu wenig an Ergebnissen und Qualität. »Am Ende hat hier vor allem der Patient das Nachsehen«, kritisiert Sen.
Faire Preise und Planungssicherheit müssten viertens dazu führen, dass die Produktion pharmazeutischer Wirkstoffe, lebenswichtiger Medikamente und systemrelevanter Produkte wie Antibiotika, Impfstoffe und Notfallmedikamente wieder in Deutschland und Europa stattfinde. »Wir können uns chronische Lieferengpässe und Grundstoffknappheit nicht länger leisten«, so der Fresenius-Vorstandsvorsitzende.
Fünftes soll die überbordende Bürokratie Sen zufolge auf den Prüfstand; es könne nicht sein, dass Ärzte und Pflegekräfte durchschnittlich drei Stunden pro Tag für Dokumentationen aufwenden müssten – »Zeit, die dringend für die Patientenversorgung genutzt werden sollte«. Im europäischen Binnenmarkt müssten Hürden bei der Zulassung von Produkten und klinischen Studien weiter abgebaut werden.
Wenn die Gesundheitsversorgung digitaler, resilienter und effizienter werde, habe Deutschland die »echte Chance, wieder zur ›Apotheke der Welt‹ zu werden«, schließt Sen.
Mit mehr als acht Millionen Beschäftigten und einem Anteil von knapp zwölf Prozent an der Bruttowertschöpfung sei die Gesundheitswirtschaft ein wichtiger Pfeiler der deutschen Wirtschaft und biete »enormes Potenzial«. Dies gelte es auszuschöpfen.