Schicksalstag für Lauterbachs Lieblingsprojekt |
Cornelia Dölger |
12.11.2024 12:00 Uhr |
Am 22. November soll der Bundesrat entscheiden, ob der die geplante Krankenhausreform passieren lässt. / © Adobe Stock/Sebastian Hesper
Die Ampelkoalition ist Geschichte, aber die Diskussionen um einige Gesetze, die die verbliebenen Regierungsfraktionen noch vor dem nahenden Ende der Legislatur verabschieden wollen, sind höchst lebendig. Im Gesundheitssektor will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die geplante Krankenhausreform unbedingt noch durchsetzen; Absagen von der Union für die nötige Unterstützung hat er sich allerdings schon abgeholt.
Die grundsätzliche Frage, mit welchen Argumenten Lauterbach auf Mehrheiten im Bundestag kommen will, kann er vorerst also nur selbst beantworten. Das Krankenhaus-Reformgesetz ist zwar bereits vom Plenum beschlossen. Aber es steuert auf den Vermittlungsausschuss zu, weil sich einige Länder vehement dagegenstellen und alle politischen Instrumente nutzen wollen, um noch Änderungen durchzusetzen.
Die Kritik der Länder ist grundlegend: Sie sehen durch die Pläne eine Welle von Klinikschließungen heranrollen, die die Versorgungssicherheit gefährde. Zudem kämpfen sie um ihre Planungshoheit und kritisieren, dass die Reform zu wenig auf die regionalen Besonderheiten eingehe. Einige Länder stellen sogar die Verfassungskonformität der Reform infrage.
Bislang ließ sich die Bundesregierung davon kaum beeindrucken. Lauterbach hatte das Gesetz bewusst als insgesamt nicht zustimmungspflichtig entworfen. Das traf von Anfang an auf den Widerwillen der Länder, die traditionell für die Krankenhausplanung zuständig sind. Lauterbach hielt aber an dem Zuschnitt fest; zustimmungspflichtige Bereiche sollen über Verordnungen geregelt werden.
Eingreifen wollen die Länder nun über den Vermittlungsausschuss. Wenn dessen Beschlüsse von denen des Bundestags abweichen, wovon auszugehen ist, muss der Bundestag das Gesetz mit den Änderungen neu beschließen. Welche Fraktionen hier mitgehen würden, ist aber völlig offen; Gewissheiten für die verbliebenen Koalitionspartner gibt es nicht.
Die Frage, ob das Gesetz in den Vermittlungsausschuss kommt oder nicht, ist also entscheidend für das seit Jahren geplante, »historische« Projekt, das inzwischen geradezu wie ein politisches Vermächtnis des Ministers Lauterbach anmutet.
Schicksalstag ist der 22. November. Dann soll der Bundesrat abstimmen, ob er das Gesetz passieren lässt oder nicht. Auch wenn es nicht zustimmungsbedürftig ist – die Anrufung des Vermittlungsausschusses würde es ausbremsen; das geplante Inkrafttreten zum Januar 2025 wäre dann womöglich nicht mehr zu halten.
Hinzu kommt der Zeitfaktor vor dem Hintergrund des Ampelbruchs und der anstehenden Neuwahlen: Wenn das Gesetz in den Vermittlungsausschuss kommt und dieser keinen konsensfähigen Kompromiss findet, bevor die Legislatur endet, ist die Krankenhausreform – wie alle offenen Verfahren – beerdigt.
Die Zeit drängt also in mehrfacher Hinsicht, aber Einigkeit gibt es in der Länderkammer bislang nicht: Ein entsprechender Antrag von acht Ländern auf Anrufung des Vermittlungsausschusses kam vorige Woche im Gesundheitsausschuss des Bundesrats nicht durch. Wird der Vermittlungsausschuss nicht angerufen, kann die Reform ohne Änderungen in Kraft treten.
Das zu verhindern, haben sich einige Länder auf die Fahnen geschrieben. Um das Ruder noch herumzureißen, melden sich nun einige Landespolitikerinnen und -politiker zu Wort. Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) teilte mit, der Entwurf müsse »im Sinne der Patienten« verbessert werden. Der Vermittlungsausschuss solle die Reform nicht verhindern, er solle sie besser machen.
»Das ist das konstruktivste politische Instrument, das die Länder haben. Ich werbe entschieden dafür, diese Karte jetzt im Bundesrat auszuspielen – und setze darauf, dass es dafür eine Mehrheit gibt«, so Gerlach.
Auch NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hält eine Einigung im Vermittlungsausschuss trotz Neuwahlen für möglich. Beim Deutschen Krankenhaustag sagte er: »Ich in der Meinung, dass man die Reform des Bundes in der jetzigen Situation nicht unbedingt scheitern lassen muss. Aber sie darf auch nicht so verabschiedet werden, wie sie jetzt ist.«
Laumann sieht darin kein Zeitproblem, schließlich müsse das Gesetz nicht komplett aufgeschnürt werden. Nur in einzelnen Punkte müsse nachverhandelt werden. Das wäre »in einem guten halben Tag zu besprechen«, so der Minister. Die Zeit werde »allemal reichen, um ein Vermittlungsverfahren zu machen, wenn man es will«.
Es gibt auch andere Einschätzungen. Kritiker fürchten, dass die FDP im Fall einer Wiedervorlage im Bundestag bei der Reform nicht noch einmal mitgehen würde. Also wären SPD und Grüne auf die Stimmen der Union angewiesen – was einer Beerdigung des Gesetzes gleichkäme.