Rx-Marktanteil der Versender verdoppelt sich |
Cornelia Dölger |
20.08.2025 16:08 Uhr |
Die Versender greifen nach Marktanteilen bei verschreibungspflichtigen Medikamenten. / © IMAGO/imagebroker
Innerhalb von wenigen Monaten hat sich der Anteil der Versender im Rx-Markt von einem auf zwei Prozent aufgeschwungen. Darüber berichtet heute das »Handelsblatt« mit Bezug auf eine Analyse des Marktforschungsunternehmens Kaske Group. Das Unternehmen hatte Daten der Versender Doc Morris und Shop Apotheke ausgewertet.
Die Versandhändler greifen demnach mehr und mehr nach dem »verbleibenden Kerngeschäft« der stationären Apotheken. Einen Großteil des 2024 mit Arzneimitteln generierten Umsatzes von 65 Milliarden Euro erwirtschafteten lokale Apotheken demnach mit Rx: knapp 59,5 Milliarden Euro. Das »Handelsblatt« stützt sich dabei auf Zahlen der ABDA.
Insgesamt hätten die stationären Apotheken damit zwar immer noch knapp 98 Prozent des Rx-Umsatzes in Deutschland ausgemacht, zitiert das Blatt Fabian Kaske, Chef der Kaske Group. Allerdings habe sich der Marktanteil der Online-Apotheken durch das E-Rezept in wenigen Monaten auf zwei Prozent verdoppelt; lange hatte der Rx-Versenderanteil bei einem Prozent gedümpelt.
Die Versender schielten von Anfang an auf das E-Rezept. Seit dem Frühjahr 2024 haben Doc Morris und Shop Apotheke die Card-Link-Zulassung, beide erhielten das Go von der Gematik in Rekordgeschwindigkeit schon kurz nach der flächendeckenden E-Rezept-Einführung. Dass Card Link, eine Brückentechnologie auf dem Weg zu digitalen Identitäten, entgegen Sicherheitsbedenken überhaupt durchgesetzt wurde, ist dem Alleingang des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) geschuldet, das eine 51-Prozent-Mehrheit in der Gematik-Gesellschafterversammlung hält.
Die Weichen waren also schnell gestellt, die Versender setzen seitdem auf die Karte E-Rezept. Doc Morris meldete am Dienstag – neben anhaltend roten Zahlen – ein kräftiges Rx-Wachstum um mehr als 40 Prozent auf rund 117 Millionen Euro im ersten Halbjahr 2025. Auch Shop Apotheke wuchs. Im ersten Halbjahr sei der Umsatz mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Deutschland um mehr als 150 Prozent auf 222 Millionen Euro gestiegen. Für das Gesamtjahr erwartet Shop Apotheke einen Rx-Umsatz von rund 500 Millionen Euro, Doc Morris etwa die Hälfte.
Die aggressive Werbepolitik, für die die Versender Millionen ausgeben, hat einen Effekt, wie das »Handelsblatt« weiter schreibt. So seien es die Apps von Doc Morris und Shop Apotheke, die mit Abstand die meisten Kunden hätten. Im zweiten Quartal 2025 nutzten demnach mehr als 3,25 Millionen Menschen die App von Shop Apotheke, bei der App von Doc Morris waren es mehr als 945.000.
Den Trend wollen Apotheken-Plattformen stoppen. Über die Apps etwa von gesund.de und IhreApotheken.de können Kunden Rezepte bestellen und über Partnerapotheken einlösen. Laut »Handelsblatt« stieg die Zahl der gesund.de-Nutzer im zweiten Quartal 2025 im Vergleich zum vierten Quartal 2024 um 278.000 und damit stärker als bei Shop Apotheke. Für das Gesamtjahr werde ein Rx-Außenumsatz von mehr als 400 Millionen Euro angestrebt. IhreApotheken.de erwartet demnach über seine E-Rezept-App einen Außenumsatz von mehr als 300 Millionen Euro.
In Deutschland ansässigen Apotheken sind Rabatte und Boni auf Rx aber verboten – das Thema ist nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zu einem alten Bonusmodell von Doc Morris wieder akut. Damit haben die hiesigen Apotheken einen Wettbewerbsnachteil – den auch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) nicht für ausgeschlossen hält.
Der Wettbewerbsnachteil der Apotheken in Kombination mit der Digitalisierung der Prozesse stimmt Marktforscher Kaske skeptisch. Der Einsatz der Plattformen könne »die Verschiebung der Marktanteile zugunsten der niederländischen Versender im besten Fall vielleicht etwas aufhalten, aber nicht mehr zurückdrehen«. Nicht unwahrscheinlich sei eine »neue Marktrealität« mit einem mittelfristigen Online-Marktanteil »von zehn Prozent oder mehr bei den verschreibungspflichtigen Medikamenten«.
Die Apothekenseite kämpft bekanntlich für die berühmten »gleich langen Spieße«, also gleiche Vorgaben für Versender und lokale Apotheken. Dies hat die Bundesregierung auf dem Schirm und will hier Abhilfe schaffen, zumindest hat sich Schwarz-Rot dies in seinen Koalitionsvertrag geschrieben. Neu entfacht durch die Werbeoffensiven der Versender ist zudem die Forderung nach einem Rx-Versandverbot. ABDA-Präsident Thomas Preis hat an die Politik appelliert, gegen die Versender-Rabattschlachten aktiv zu werden.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.