Runder Tisch soll Arzneimittelversorgung sichern |
Nach der Landtagsdebatte diskutierten Apothekerinnen und Apotheker mit Ministerpräsident Michael Kretschmer und dem Sozialpolitiker Alexander Dierks (vorne rechts, beide CDU) über die Zukunft der Apotheken im Land. / Foto: © Robert Baumgart
Während alle auf den Referentenentwurf zum Generika-Gesetz warten, machen sich Vertreter der sächsischen Landesregierung – allen voran die CDU – für den flächendeckenden Erhalt der Apotheken im Freistaat stark. Am 11. Januar 2023 besuchte Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) eine Dresdner Apotheke. In der vergangenen Woche zog die Gesundheitsministerin des Landes Petra Köpping (SPD) nach und ließ sich von einem Apothekenteam in Pösnapark bei Leipzig die Auswirkungen des Mangels an derzeit rund 400 Arzneimitteln auf die tägliche Arbeit erläutern.
Am gestrigen Mittwoch debattierte nun der sächsische Landtag auf Antrag der CDU-Fraktion über das Thema »Lieferengpässen entgegenwirken – Arzneimittelversorgung in ganz Sachsen sichern«. Die Debatte verfolgten auf der Besuchertribüne auch etwa 50 Apothekerinnen und Apotheker, die einem Aufruf des Sächsischen Apothekerverbands (SAV) gefolgt waren. Mit dabei war auch ein komplettes Apothekenteam. Vor und nach der Debatte diskutierten die Inhaber und Mitarbeiter mit dem sozialpolitischen Sprecher der CDU, Alexander Dierks, und dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Christian Hartmann über die Situation in den Apotheken. Auch Ministerpräsident Kretschmer nahm sich Zeit für ein Gespräch und machte deutlich, dass er sich für die Stärkung der Apotheken einsetzen will.
Um die Lieferengpässe in den Griff zu bekommen, schlug Sozialpolitiker Dierks in der Landtagsdebatte die Einrichtung eines Runden Tisches zur Arzneimittelversorgung vor. Die Landesregierung tue bereits einiges, um die Apotheken angesichts der Engpässe kurzfristig zu entlasten. So sei der Austausch von Medikamenten zwischen Apotheken bereits einfacher. Der Mehraufwand, den das Management der Lieferengpässe mit sich bringe, müsse den Apothekern vergütet werden. 50 Cent, wie in den Eckpunkten zum geplanten Generika-Gesetz vorgesehen, seien zu wenig, sagte Dierks. Die Mehrkosten durch das Ausstellen alternativer Verordnungen müssten ebenfalls abgefedert werden. Der CDU-Politiker schlug ein Frühwarnsystem für Lieferengpässe vor und sprach sich dafür aus, wieder mehr Arzneimittel in Europa zu produzieren.
Gesundheitsministerin Köpping dankte den Apothekern und ihren Beschäftigten im Freistaat dafür, dass sie die Patienten trotz der schwierigen Engpass-Lage versorgten. Um die Versorgung trotz der schwierigen Situation sicherzustellen, lege Sachsen das Apothekenrecht »recht großzügig« aus. So erlaube der Freistaat den Austausch zwischen Apotheken, erleichtere die Herstellung in den Offizinen und lasse Importe aus anderen Ländern zu. Zudem habe das Land Apotheken die Möglichkeit eingeräumt, ihre Öffnungszeiten flexibler zu gestalten. Dass die Festbeträge für bestimmte Medikamente bis Ende April ausgesetzt werden, sei zwar nur »ein Tropfen auf den heißen Stein«, aber dennoch eine kurzfristige Maßnahme, die fortgeführt werden müsse. Köpping sprach sich zudem dafür aus, den Preisdeckel für bestimmte Medikamente zu überdenken. Sie forderte darüber hinaus, die Arzneimittelproduktion in Europa zu stärken. In diesem Zusammenhang wies sie darauf hin, dass es in Sachsen »kurze Genehmigungswege« gebe.
Kathleen Kuhfuß, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, sprach sich dafür aus, Anreize für Hersteller zu schaffen, damit diese wieder mehr in Europa herstellten. In einem Flächenland wie Sachsen mit einer alternden Bevölkerung sei ein flächendeckendes Netz an Apotheken besonders wichtig. »Wir brauchen auch genügend ausgebildete Pharmazeutinnen und Pharmazeuten«, betonte Kuhfuß. Linke-Vorsitzende Susanne Schaper forderte den Freistaat auf, wichtige Arzneimittel zu bevorraten. »Der Markt regelt es nicht, also muss der Staat eingreifen«, so Schaper.
Vor und nach der Landtagsdebatte nahmen sich die CDU-Politiker Dierks und Hartmann Zeit für eine ausgiebige Diskussion mit den etwa 50 Apothekerinnen und Apothekern. Beide dankten den Pharmazeutinnen und Pharmazeuten in Sachsen für ihren Einsatz und ihre Flexibilität angesichts der schwierigen Situation. In der Diskussion wurde deutlich, dass es nicht nur um kurzfristige Lösungen der Arzneimittelengpässe geht, sondern dass an einigen Stellschrauben gedreht werden muss, um die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln in Sachsen zu sichern.
Reinhard Groß, stellvertretender Vorsitzender des SAV, forderte, die erleichterten Austauschmöglichkeiten in Apotheken auch nach dem Auslaufen der SARS-CoV-2-Arzneimittel-Versorgungsverordnung fortzuschreiben. Apotheker müssten Rezepturen unkompliziert abrechnen können. Zudem müsse der Mehraufwand, der Apothekenteams durch das Managen der Engpässe entsteht, angemessen vergütet werden. 50 Cent wie im geplanten Generika-Gesetz vorgesehen, seien viel zu wenig.
Friedemann Schmidt, Präsident der Sächsischen Landesapothekerkammer, betonte, dass noch in den nächsten drei bis fünf Jahren mit Ausfällen bei Wirkstoffen zu rechnen sei. »Eine Situation wie in den vergangenen Monaten habe ich in 30 Berufsjahren noch nicht erlebt«, sagte Schmidt. Er forderte, Bürokratie abzubauen, um die Rolle der Apotheken zu stärken. Dafür seien Änderungen im Apothekenrecht notwendig. Zudem sprach sich der Kammerpräsident dafür aus, dass sich der Freistaat mithilfe einer Initiative im Bundesrat dafür einsetzen solle, dass die Präqualifizierung abgeschafft und Retaxationen mit dem nötigen Augenmaß angewendet würden. Zudem müsse Apothekern die Möglichkeit eingeräumt werden, auch Präparate innerhalb von Wirkstoffgruppen unkompliziert auszutauschen.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Hartmann sprach sich ebenfalls dafür aus, bürokratische Regularien zu vereinfachen. Er forderte eine europäische Strategie, um den Lieferengpässen langfristig entgegenwirken zu können. »Es braucht den Austausch aller Akteure, um die Herausforderungen anzugehen«, sagte Hartmann. Es müsse gewährleistet sein, dass die Apotheken kurzfristig Arzneimittel liefern können. Sein Fraktionskollege Dierks kam daraufhin auf die Idee zurück, einen Runden Tisch zur Arzneimittelversorgung einzuführen. »Wir müssen den Austausch aller Akteure vorantreiben, um vernünftige Lösungen zu finden«, erklärte der sozialpolitische Sprecher der CDU-Fraktion. Dabei solle nicht nur über die Engpässe, sondern auch über das Apothekenhonorar gesprochen werden. Weiterhin sei die Ausbildung ein wichtiges Thema. So müssten mehr Studienplätze Pharmazie in Sachsen geschaffen und es müsse die Anerkennung ausländischer Abschlüsse erleichtert werden. Dafür wolle er sich als Sozialpolitiker einsetzen, machte Dierks deutlich.