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Fallbericht

RNA-Phagen als Option bei Antibiotika-Resistenzen?

Bakterienresistenzen nehmen zu. Eine Option, dieses Problem zu umgehen, könnte eine Therapie mit spezifischen Phagencocktails bieten. Allerdings ist die Zuverlässigkeit dieser Strategie derzeit noch schwer einzuschätzen. Jetzt lässt aber ein Fallbericht aufhorchen, in dem eine Behandlung einer chronischen, antibiotikaresistenten Infektion der Gallenwege durch Pseudomonas aeruginosa beschrieben wird.
Theo Dingermann
08.04.2025  13:30 Uhr

Ein Team um Dr. Na Li vom Department of Infectious Diseases der Fudan University in Shanghai berichtet in dem Wissenschaftsjournal » hLife« von einer erfolgreichen personalisierten Bakteriophagen-Therapie zur Behandlung einer chronischen, antibiotikaresistenten Infektion der Gallenwege durch Pseudomonas aeruginosa.

Die 88-jährige Patientin litt über vier Jahre an rezidivierenden bakteriellen Gallenwegsinfektionen, bedingt durch strukturelle Anomalien und komplizierte Gallensteinbildung. Trotz intensiver Antibiotikatherapie und mehrfacher perkutane transhepatische Cholangiodrainage (PTCD) – ein Verfahren, bei dem die Galle aus der Leber nach innen oder außen abgeleitet wird – blieb eine Heilung aus. Auch angesichts der zunehmenden Antibiotikaresistenzen, unter anderem gegenüber Carbapenemen, Cephalosporinen und Fluorchinolonen, entschied sich das Ärzteteam für eine personalisierte Phagentherapie.

In einem ersten Behandlungszyklus wurde ein Cocktail aus den vier doppelsträngigen DNA-Phagen (dsDNA-Phagen) mit den Bezeichnungen φPA-A60, φPA-A69, φPA-A70 und φPA-A78 direkt über die Drainage-Schläuche in die Gallengänge eingebracht. Die Applikation erfolgte über neun Tage in einer Konzentration von 108 Phagen pro mL (PFU/mL). Um die Expositionzeit zu erhöhen, wurden die Gallendrainagen jeweils 30 Minuten lang abgeklemmt. Bereits nach wenigen Tagen zeigte sich eine klinische Verbesserung mit Rückgang der Entzündungsmarker (C-reaktives Protein, Procalcitonin) und Normalisierung der Gallenflüssigkeit.

Rezidiv erforderte einen Strategiewechsel

Trotz initialem Erfolg entwickelten sich innerhalb weniger Tage Stämme von P. aeruginosa, die vollständig resistent gegenüber sämtlichen verfügbaren dsDNA-Phagen waren. Genomische Analysen der resistenten Bakterienisolate zeigten großflächige Deletionen und Einzelbasenmutationen in Genen der Lipopolysaccharid-(LPS)-Biosynthese.

Bemerkenswert war der Verlust des O-Antigens – einem Bestandteil von bakteriellen Lipopolysacchariden, der bei gramnegativen Bakterien die äußerste Schicht der Zellmembran bildet – durch Mutationen in den Genen waaL, das für eine O-Antigen-Ligase kodiert. Ebenso gab es einen Verlust des galU-Gens, dessen Produkt UDP-Glucose synthetisiert, die für die Biosynthese von Virulenzfaktoren wie Lipopolysaccharid unerlässlich ist. Auch das hmgA-Gen, das für die Homogentisat-1,2-Dioxygenase kodiert, ging verloren.

Diese Veränderungen verhinderten die Bindung der dsDNA-Phagen an die Bakterien, führten jedoch gleichzeitig zur Sensitivität gegenüber dem dsRNA-Phagen phiYY, der den LPS-Core als Rezeptor nutzt.

Aus diesem Grund wurde in einem zweiten Therapiezyklus, etwa sechs Monate nach dem ersten Therapieversuch, ausschließlich der dsRNA-Phage phiYY eingesetzt. Trotz einer täglichen Verabreichung über sechs Tage (ebenfalls über Gallendrainagen) und begleitender Antibiotikatherapie mit Ceftazidim und Vancomycin konnte P. aeruginosa nicht vollständig eradiziert werden. Klinisch jedoch erholte sich die Patientin. Zudem reduzierte sich der bakterielle Befall, sodass die Patientin entlassen werden konnte.

Auch die während der zweiten Behandlung isolierten Stämme waren weiterhin gegenüber phiYY sensitiv, zeigten jedoch neue Mutationen in LPS-Exportgenen (lptA, lptG), was auf adaptive Anpassung hindeutet.

Die genomischen Untersuchungen mehrerer bakterieller Isolate aus beiden Therapiephasen zeigten, dass es sich trotz zunehmender Mutationslast um Klone eines gemeinsamen Ursprungsstamms handelte. Die Heterogenität innerhalb dieser Klone, insbesondere in LPS-synthetisierenden Regionen, stellt eine zentrale Herausforderung für eine vollständige Phagen-Eradikation dar. Hinzu kommen potenzielle Faktoren wie Biofilmbildung und die schützenden Eigenschaften der Gallenflüssigkeit, insbesondere gegenüber lipidumhüllten Phagen wie phiYY.

Insgesamt demonstriert dieser Bericht nicht nur die prinzipielle Machbarkeit und Sicherheit von Phagentherapien bei Gallenwegsinfektionen, sondern liefert auch Erkenntnisse zur Dynamik einer phageninduzierten Selektion bakterieller Resistenzmechanismen.

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