Risiko für neue Krebserkrankung gering |
Daniela Hüttemann |
29.08.2025 10:30 Uhr |
Wer eine Krebserkrankung durchgemacht hat, setzt danach häufig andere Prioritäten im Leben – und achtet im besten Fall auf einen gesunden Lebensstil. / © Getty Images/andreswd
Nach einer durchgemachten Krebserkrankung kann das Risiko für einen erneuten Primärtumor erhöht sein. So haben Frauen, die schon einmal an Brustkrebs erkrankt waren, ein höheres Risiko für eine erneute primäre Brustkrebserkrankung sowie Krebserkrankungen anderer Art, zum Beispiel Lungen- oder Darmkrebs, als die Allgemeinbevölkerung. Das Risiko und die Art einer zweiten Krebserkrankung können durch die ursprüngliche Behandlung sowie durch soziale, lebensstilbezogene und genetische Faktoren beeinflusst werden.
Darüber, wie groß der Risikoanstieg ist, gingen bisherige Schätzungen auseinander. Forschende der Universität Oxford, Großbritannien, haben es nun anhand von Daten des National Cancer Registration and Analysis Service for England bestimmt. Nach ihrer Auswertung liegt das Risiko für einen zweiten Primärtumor nur 2 bis 3 Prozent höher als bei Frauen, die keinen Brustkrebs hatten.
Es ist ein großer Datensatz über einen langen Zeitraum: Eingeschlossen waren 476.373 Frauen aus England, bei denen zwischen 1993 und 2016 in einem Alter zwischen 20 und 75 Jahren eine frühe invasive Brustkrebserkrankung diagnostiziert wurde und die deshalb operiert wurden. Über die Nachverfolgungszeit von bis zu 20 Jahren entwickelten 64.747 Frauen eine zweite Krebserkrankung. Dabei sei das absolute Risiko im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung nur geringfügig erhöht gewesen, schreiben die Forschenden im »British Medical Journal«.
Bei 13,6 Prozent der Brustkrebsüberlebenden hatte sich eine andere Krebsart entwickelt, vor allem Gebärmutter-, Lungen- oder Darmkrebs. Das waren nur 2,1 Prozent mehr als in der Allgemeinbevölkerung. Bei 5,6 Prozent war ein sogenannter kontralateraler Brustkrebs aufgetreten, also in der anderen Brust als der zuvor erkrankten. Das waren 3,1 Prozent mehr als sonst zu erwarten. Die Wissenschaftler hoffen, dass diese Informationen helfen, Brustkrebsüberlebenden Ängste vor einer zweiten primären Krebserkrankung zu nehmen.
Frauen, die bei der Erstdiagnose jünger gewesen waren, hatten im Vergleich zu älteren Frauen ein etwas höheres absolutes Risiko für eine spätere kontralaterale Brustkrebserkrankung. So lag etwa für eine Frau, die mit 60 erstmals an Brustkrebs erkrankt war, das geschätzte Risiko für eine zweite Krebserkrankung außerhalb de Brust im Alter von 80 Jahren bei 17 Prozent und für kontralateralen Brustkrebs bei 5 Prozent gegenüber 15 und 3 Prozent bei gleichaltrigen Frauen, die kein Mammakarzinom gehabt hatten. Erfolgte die Erstdiagnose mit 40 Jahren, betrug das Risiko, bis zum 60. Geburtstag an einem zweiten Krebs zu erkranken, jeweils 6 Prozent für Nicht-Brustkrebs und kontralateralen Brustkrebs, verglichen mit 4 beziehungsweise 2 Prozent bei gleichaltrigen Frauen der Allgemeinbevölkerung.
Die Patientinnen, deren Daten in die Analyse einflossen, waren in erster Linie chirurgisch behandelt worden. Die Forschenden werteten aber auch aus, inwieweit sich eine adjuvante Therapie auswirkte. Demnach stieg nach einer Strahlentherapie das Risiko für kontralateralen Brustkrebs und für Lungenkrebs. Bei einer endokrinen Behandlung sank das Risiko für kontralateralen Brustkrebs, stieg jedoch für Gebärmutterkrebs. Nach einer Chemotherapie stieg das Risiko, an einer akuten Leukämie zu erkranken.
Aufgrund dieser Ergebnisse schätzen die Forschenden, dass etwa 7 Prozent der zusätzlichen Zweittumoren auf die Anwendung adjuvanter Therapien zurückzuführen sein könnten. Sie weisen jedoch darauf hin, dass deren Nutzen dieses geringe Risiko in fast allen Fällen, in denen diese Behandlungen empfohlen werden, überwiegt.
Die Forschenden schränken ein, dass die Datensätze nicht immer vollständig sein könnten und sie keine Informationen zur Familiengeschichte, genetischer Prädisposition oder Lebensstilfaktoren wie Rauchen hatten, die einen großen Einfluss haben könnten. Trotzdem halten sie ihre Ergebnisse für ausreichend robust, um Frauen mit frühem invasiven Brustkrebs verlässlich über das Risiko für einen zweiten Primärtumor informieren zu können.