Richtige Rahmenbedingungen für mehr Resilienz |
Die Eröffnungsdiskussionsrunde der Expopharm 2025. / © PZ/Alois Müller
Der Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann (CDU), hatte sich in seiner Rede starke und sichtbare Verbände im Gesundheitssystem gewünscht. Die Vertreter dieser Verbände tauschten sich zur Eröffnung der pharmazeutischen Messe Expopharm über verschiedene Fragen, die das deutsche Gesundheitssystem derzeit betreffen, aus. Darunter waren Marcus Freitag, Mitglied des Vorstands des Pharmagroßhändlers Phoenix group und Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands des pharmazeutischen Großhandels (PHAGRO), Kai Joachimsen, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI), Josip Mestrovic, Vorstand von Pro Generika, des Verbands der Generika- und Biosimilarunternehmen, Han Steutel, Präsident des Verbandes forschender Pharma-Unternehmen (vfa), und Jörg Wieczorek, Vorstandsvorsitzender des Pharmaverbands Pharma Deutschland.
Einigkeit herrschte dabei darüber, dass die Resilienz der Arzneimittelproduktion und -versorgung in Deutschland und in Europa insgesamt gestärkt werden müsse. So erklärte Steutel, dass die Forschung und Produktion wieder verstärkt in Europa stattfinden müsse. Gerade die generische Produktion sei für Unternehmen in den vergangenen Jahren in Deutschland immer unattraktiver geworden. Dabei sei es unrealistisch, alles in Deutschland zu produzieren, aber man müsse für stabile Lieferketten sorgen. »Das haben wir in 2025 gelernt, dass unsere Welt jetzt anders aussieht«, so Steutel. Was in den USA passiere, müsse ernst genommen werden und zu einer Stärkung der Pharmaindustrie in Europa führen.
»Für eine starke Industrie brauchen wir die richtigen Rahmenbedingungen«, sagte Wieczorek von Pharma Deutschland. Es sollte nicht ausschließlich der Preis ausschlaggebend sein, sondern eventuell auch der Produktionsort. Die richtigen Bedingungen seien nicht nur nötig, um Produktion nach Deutschland zurückzuholen, sondern um überhaupt den Mittelstand zu halten. Die Politik sei hier gefragt, die Bedingungen zu schaffen. »Ich messe die Regierung an ihren Taten und nicht an ihren Worten«, so Wieczorek.
Auch Joachimsen betonte, dass Reformen nötig seien. Das Gesundheitssystem in Deutschland sei gut, aber an einigen Stellen müssten Änderungen eingeführt werden. Er nannte hier vor allem die Digitalisierung, die vorangetrieben werden müsse und ein erhebliches Einsparpotenzial berge, und die Patientensteuerung. Durch die Reduktion von unnötigen Arztkontakten könne ebenfalls Geld gespart werden. »Wir haben kein Geldproblem, sondern ein Plan- und Strukturproblem«, so Joachimsen.
Für die Industrie sei die Apothekerschaft ein wichtiger Partner, denn in der Apotheke erreichten die Produkte der Industrie erstmals den Patienten. Und an dieser Stelle sei eine gute Beratung die Grundlage einer guten Therapie. Für ihn sei eine Apotheke Light nicht verhandelbar.
Freitag beleuchtete im Zusammenhang mit der Apotheke Light einen weiteren Aspekt. Derzeit schicke sich die Drogeriekette dm an, ins OTC-Geschäft einzusteigen. dm habe bereits gut 1300 Pick-up-Automaten und er sei überzeugt davon, dass Patienten dort sowohl OTC-Produkte als auch andere Produkte kaufen, bestellen und abholen würden. Er prognostiziere, dass dm relativ zügig versuchen werde, auf Eigenmarken umzustellen, um preislich noch attraktiver zu werden. Das sei zwar in erster Linie dann ein Problem für die Versandhändler, aber langfristig auch für die Vor-Ort-Apotheken. Denn Apotheke Light bedeute im Wesentlichen auch Apotheke ohne Apotheker: »Damit öffnen sie die Tür für alle dms dieser Erde, Apotheken in ihren Stores zu machen, ohne Apotheker«, so Freitag. Und wenn dm das mache, werde Rossmann folgen und Lidl und Aldi werden sich auch Gedanken machen, wie in diesem Bereich Geld zu verdienen ist.
Zudem gingen die Diskutanten auch auf das Thema Impfen in Apotheken ein. Bei diesem Thema könnten laut Steutel Apotheken eine größere Rolle als bisher spielen. Er hofft in dieser Hinsicht auf Veränderungen der Gesetzgebungen und dass in Zukunft in Apotheken alle Totimpfstoffe in Apotheken verimpft werden könnten. Der niedrigschwellige Zugang könne helfen, die Impfquoten zu verbessern. Anders als bei den Arzneimitteln habe Europa weltweit eine dominante Stellung bei Impfstoffen – 80 bis 90 Prozent der Impfstoffforschung und -produktion finde in Europa statt. Das sei nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus Sicherheitsgründen – mit Blick auf die Situation in den USA – positiv zu bewerten.
Der DAV-Vorsitzende Hubmann betonte, dass die Impfquoten in Deutschland verbessert werden könnten, wenn alle Totimpfstoffe in Apotheken verimpft werden dürften. Dann würde das Impfen dort zur Routine und würde von Apothekerinnen und Apothekern und auch von den Patientinnen und Patienten besser angenommen.
Wieczorek wünscht sich, dass sich mehr Apotheken als bisher für das Impfen begeistern: Wir können viel mehr in allen Apotheken machen und das bringt die Apotheken nach vorne. »Das kann eine Riesenchance für Apotheken sein.«