Rezepturzuschlag gilt pro Einheit, nicht pro Gesamtdosis |
Cornelia Dölger |
09.09.2024 15:18 Uhr |
Das Bundessozialgericht gab einem Apotheker Recht. Im Streit mit der AOK Bayern ging es um zytostatikahaltige parenterale Lösungen und deren Abrechnung. / Foto: Imago/Klaus Martin Höfer
Seinen Anfang nahm der Sachverhalt bereits 2014, wie es in dem entsprechenden Terminbericht des Bundessozialgerichts (BSG) heißt. Der klagende Apotheke stellte demnach für Versicherte der AOK Bayern zytostatikahaltige parenterale Lösungen her. Verordnet worden waren je Verordnungsblatt »2x Azacitidin« mit jeweils mehr als 50 Milligramm Wirkstoff; nach der Fachinformation für das Arzneimittel sollten Dosen über 100 Milligramm zu gleichen Teilen auf zwei Spritzen aufgeteilt werden.
Der Kläger rechnete nach der Anlage 3 der Hilfstaxe je Verordnung zwei Zuschläge für zwei Spritzen mit der hergestellten Zubereitung ab. Das beanstandete die Krankenkasse. Sie hielt nur einen Zuschlag je Verordnung für abrechnungsfähig und rechnete die beanstandeten Zuschläge gegen andere Abrechnungen auf.
Sie argumentierte, abgerechnet werden könne nach der Anlage 3 Teil 2 Ziffer 6 der Hilfstaxe nur je Verordnung ein Zuschlag. Schließlich sei der Zuschlag »pro applikationsfertiger Einheit« an die verordnete Gesamtdosis geknüpft – und nicht an die einzelne Spritze.
Der Apotheker zog vor das Sozialgericht Altenburg (S 13 KR 1201/16), war aber erfolglos: Seine Klage auf Zahlung der einbehaltenen Vergütung von 5994,74 Euro plus Zinsen wurde abgewiesen. Das Landessozialgericht Thüringen (L 6 KR 1224/18) hob das Urteil aus Altenburg allerdings auf und verurteilte die Kasse zur Zahlung.
Der Kläger habe den Zuschlag je hergestellter Spritze angesetzt, so das Thüringer Gericht. Dies sei zutreffend, da jede Spritze eine applikationsfertige Einheit im Sinne der Anlage 3 Teil 2 Ziffer 6 der Hilfstaxe sei. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut, der für die Abrechnung maßgeblich sei. Dieser ist: »Für die Herstellung zytostatikahaltiger parenteraler Zubereitungen ist pro applikationsfertiger Einheit ein Zuschlag von 81 Euro abrechnungsfähig.«
Verordnet worden seien je Verordnung zwei Spritzen, die jede für sich eine applikationsfertige Einheit sei, so das Gericht. Auch aus dem systematischen Zusammenhang innerhalb der Hilfstaxe ergebe sich, dass mit dem Begriff der applikationsfertigen Einheit nicht auf die Gesamtmenge je Verordnung abgestellt werde.
Das sah die AOK Bayern nicht so und legte Revision beim BSG ein. Sie argumentierte, die Hilfstaxe sei vom Landessozialgericht so ausgelegt worden, dass damit den Apotheken eine doppelte Abrechnung des Zuschlags ermöglicht werde. Eine solche Abrechnung sei von den Vertragspartnern der Hilfstaxe aber nicht beabsichtigt gewesen sei und verursache unnötig hohe Kosten für das Gesundheitswesen. Tatsächlich setze die Hilfstaxe die applikationsfertige Einheit mit dem Bedarf eines Tages, also der verordneten Gesamttagesdosis, gleich.
Dies wies das BSG ab. Der 3. Senat befand, dass die entsprechende Passage in der Hilfstaxe »streng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen« sei, wie es in dem Terminbericht heißt. Bewertungen und Bewertungsrelationen blieben außer Betracht. Der von dem Apotheker abgerechnete Rezepturzuschlag je Spritze sei rechtmäßig, weshalb die von der Beklagten vorgenommene Retaxierung rechtswidrig sei und der Kläger Anspruch auf Auszahlung der einbehaltenen Vergütung habe.