Retaxgefahr bei Entlassrezepten gemindert |
Cornelia Dölger |
19.11.2024 16:20 Uhr |
Um fehlerhafte Verordnungen zu heilen, ist oftmals die Rücksprache mit dem oder der Ausstellenden nötig – in vielen Fällen klappt das aber nicht. / © Getty Images/ Alvarez
Das Kreuz mit den Entlassrezepten dürfte für Apotheken künftig leichter werden, denn laut Schiedsstelle soll die Retax-Gefahr, die sich aus den teils widersprüchlichen Verordnungsregeln ergibt, deutlich gemindert werden. So verlautet es zumindest aus Schiedsstellenkreisen.
Demnach hat man einen Kompromiss gefunden, der die Apotheken vor allem in puncto Prüf- und Heilungspflichten fehlerhaft ausgestellter Entlassrezepte entlastet. BtM- und T-Rezepte seien weiterhin genauer zu prüfen. Angestrebt werde, dass die neuen Regelungen ab 1. Januar gelten.
Am Montag war die Schiedsstelle zusammengekommen. Dabei wurden die Eckpunkte mehrheitlich beschlossen. Diese müssen jetzt noch ausformuliert werden; der Deutsche Apothekerverband (DAV) sowie der GKV-Spitzenverband (GKV-SV) sind aufgerufen, sich auf konkrete Formulierungen zu einigen. Hier gehe es vor allem um technische Details.
Beim nächsten Termin am 16. Dezember wird es dem Vernehmen nach vor allem um Vorgaben für das Ersetzen nicht verfügbarer Arzneimittel gehen. Die Regeln zur Austauschbarkeit gemäß Lieferengpassgesetz (ALBVVG) wurden am Montag noch nicht besprochen. Zu beiden Themen – ALBVVG und Entlassmanagement – soll es dann kurz vor Weihnachten einen gemeinsamen Schiedsspruch geben.
Beim Entlassmanagement gründen die Probleme auf einer Änderung des Regelwerks, die einige am Entlassmanagement beteiligte Institutionen betrifft – aber eben nicht alle. Daraus hatten sich Widersprüche bei den Kennzeichen der ausstellenden Institutionen ergeben. Viele Verordnungen sind in der Folge fehlerhaft und in der Apotheke schwer heilbar, unter anderem, weil eine Rücksprache mit dem oder der Ausstellenden oftmals nicht möglich sei.
Zwar gibt es Vereinbarungen mit den Kassen, bei Entlassrezepten auf Retaxationen zu verzichten, aber diese laufen spätestens zum Jahresende aus. Die Zeit drängt also.
Zum Hintergrund: Am Entlassmanagement sind mehrere Partner beteiligt, zunächst die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), der GKV-Spitzenverband und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Diese drei Vertragspartner orientieren sich am Rahmenvertrag über das Entlassmanagement. Sie verständigten sich vergangenes Jahr auf eine Änderung dieses Regelwerks, nämlich auf die 10. Änderungsvereinbarung zur Anlage 8 zum Rahmenvertrag über das Entlassmanagement. Diese Vereinbarung trat am 1. Juli 2023 in Kraft.
Die darin enthaltenen Änderungen betreffen auch Apotheken, auch wenn deren Vorgaben für Entlassverordnungen in einem eigenen Regelwerk festgehalten sind, nämlich in Anlage 8 zum Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V. Vertragspartner sind hier der Deutsche Apothekerverband (DAV) und der GKV-Spitzenverband. Die für Apotheken ausschlaggebende Anlage 8 bezieht sich aber auf den Rahmenvertrag zum Entlassmanagement und sollte an die Änderungen angepasst werden.
Hier zogen die Landesapothekerverbände aber die Notbremse: Die DAV-Mitgliederversammlung lehnte die Anpassung der Anlage 8 geschlossen ab, da sie nach ihrer Auffassung den Apotheken zusätzliche Prüfpflichten und Heilungsmöglichkeiten für fehlerhafte Rezepte auferlegt hätte. Die Verhandlungen zwischen DAV und GKV-Spitzenverband blieben ohne Ergebnis, das Thema landete vor der Schiedsstelle.
Seitdem gelten für Kliniken und Reha-Einrichtungen beim Entlassmanagement andere Regeln als für Apotheken: Letztere beziehen sich auf die bisherigen Regelungen aus Anlage 8, für die anderen Vertragsparteien gelten die von ihnen beschlossenen, von den Apotheken abgelehnten Änderungen. Die Anlage 8 kann weder vom GKV-Spitzenverband noch vom DAV separat gekündigt werden.
Mit den geänderten Vorgaben wird zwischen Entlassverordnungen aus Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen unterschieden. Etwa geht es um die versorgungsspezifische Betriebsstättennummer (BSNR), die Reha-Einrichtungen weiterhin in der Codierleiste verwenden dürfen, während Krankenhäuser seit Januar 2024 anstelle der BSNR das Standortkennzeichen des Krankenhauses eintragen müssen.
Neuerungen gibt es auch bei der Pseudo-Arztnummer »4444444«. Diese dürfen Reha-Einrichtungen weiter verwenden, Verordnende aus Kliniken müssen hingegen die Lebenslange Arztnummer (LANR) angeben.
Apothekenteams könnten oftmals nicht erkennen, ob die Verordnung aus einem Krankenhaus oder einer Reha-Einrichtung stammt, so die Befürchtung. Welche Vorgabe den jeweiligen Regeln entspricht und somit retaxsicher ist, sei mithin oftmals nicht nachzuvollziehen.
Um die Belieferung der Rezepte weiter gewährleisten zu können, rief der DAV die Kassen auf, bei Entlassrezepten auf Retaxierungen zu verzichten. In manchen Fällen sei es für die Apotheken unumgänglich, dass sie Entlassrezepte wie Privatrezepte behandelten, etwa wenn diese nicht heilbar seien und keine neue, fehlerfreie Verordnung ausgestellt werden könne.
Dies lehnte der GKV-SV ab. Ein Sprecher sagte seinerzeit zur PZ, dass die von den Apotheken abgelehnten Änderungen beim Entlassmanagement keine zusätzlichen bürokratischen Hürden und auch keine neuen Prüfpflichten darstellten. Auch entspreche die von den Apotheken dargestellte Kontrollpflicht, zwischen Reha und Krankenhäusern zu unterscheiden, nicht den vorgesehenen Regelungen.