Relugolix lindert Blutungen und Schmerzen |
Brigitte M. Gensthaler |
01.10.2021 07:00 Uhr |
Myome sind gutartige Geschwulste, die aus Muskelzellen der Gebärmutter bestehen. Ein Symptom sind zu starke und zu lang anhaltende Monatsblutungen. / Foto: Adobe Stock/Peakstock
Das Präparat Ryeqo® (Gedeon Richter) enthält den neuen GnRH-Antagonisten Relugolix (40 mg) plus 1 mg Estradiol und 0,5 mg Norethisteronacetat (NETA). Laut Hersteller ist es der erste orale in Europa zugelassene GnRH-Antagonist.
Ryeqo ist indiziert bei erwachsenen Frauen im gebärfähigen Alter zur Behandlung mäßiger bis starker Beschwerden infolge von Uterusmyomen, zum Beispiel hohem Blutverlust während der Menstruation, Schmerzen, Müdigkeit und Anämie. Die Tablette wird einmal täglich oral möglichst zur selben Tageszeit und unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen.
Um unregelmäßige und/oder starke Blutungen zu vermeiden, soll die Frau die erste Tablette innerhalb von fünf Tagen nach Beginn der Menstruationsblutung schlucken. Die Therapie kann ohne Unterbrechung bis zum Beginn der Menopause fortgesetzt werden. Danach bilden sich Uterusmyome in der Regel zurück.
Vor Therapiebeginn muss eine Schwangerschaft ausgeschlossen werden. Bei Frauen mit Risikofaktoren für Osteoporose oder Knochenschwund soll eine Knochendichtemessung erfolgen. Diese wird auch nach einem Jahr Therapie empfohlen.
Relugolix bindet kompetitiv an Gonadotropin-Releasing-Hormon-(GnRH-)Rezeptoren im Hypophysenvorderlappen und reduziert dosisabhängig die Freisetzung von luteinisierendem und follikelstimulierendem Hormon (LH und FSH) aus der Drüse. In der Folge sinken die Estradiol- und Progesteronspiegel in der Peripherie, die mit dem Myomwachstum assoziiert sind.
Da der GnRH-Antagonist in Monotherapie massive klimakterische Beschwerden auslösen würde, wird er kombiniert mit 17β-Estradiol plus NETA, die als Hormonersatztherapie (HRT) wirken. Es resultieren Estradiol-Konzentrationen wie in der frühen follikulären Phase. Diese wirken myombedingten Beschwerden und den Folgen eines Estradiolmangels wie Hitzewallungen und Knochenschwund entgegen. Das synthetische Gestagen NETA verringert das Estrogen-induzierte Risiko für eine Endometrium-Hyperplasie bei Frauen mit intaktem Uterus.
Relugolix unterdrückt die Ovulation sehr zuverlässig und bietet nach einmonatiger Anwendung eine sichere Kontrazeption. Im ersten Monat ist noch eine mechanische Verhütung nötig, danach nicht mehr. Die Einnahme von hormonellen Kontrazeptiva ist sogar kontraindiziert. Wenn die Frau die Einnahme einmal vergisst, muss sie diese schnellstmöglich nachholen. Wird die Einnahme an zwei oder mehr aufeinanderfolgenden Tagen versäumt, ist der Kontrazeptionsschutz nicht mehr sicher und die Frau muss für die nächsten sieben Tage nicht hormonell verhüten. Ist es geplant, Ryeqo abzusetzen, muss die Frau wissen, dass sie sehr rasch wieder fertil wird und bei Bedarf anderweitig verhüten muss. Andererseits muss die Medikation bei Kinderwunsch abgesetzt werden.
In die zulassungsrelevanten 24-wöchigen, randomisierten, doppelblinden und placebokontrollierten Studien Liberty 1 und 2 (NCT03049735 und NCT03103087 pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33596357/ ) wurden insgesamt 770 Frauen von 18 bis 50 Jahren mit myombedingt starken Monatsblutungen einbezogen. Es gab jeweils drei Studienarme. Die Frauen erhielten die Wirkstoffkombination aus Relugolix, Estradiol und NETA oder Placebo für 24 Wochen. Die dritte Gruppe bekam zunächst zwölf Wochen eine Relugolix-Monotherapie und anschließend zwölf Wochen Ryeqo. Primärer Endpunkt war eine Reduktion des menstruellen Blutverlusts um mehr als die Hälfte sowie auf weniger als 80 ml in Woche 24 im Vergleich zum Ausgangswert.
Diesen primären Endpunkt erreichten fast drei Viertel (73 und 71 Prozent) der Frauen; unter Placebo waren es 19 und 15 Prozent. Mehr als die Hälfte war amenorrhoisch. Die Wirkung trat rasch und anhaltend ein: Schon nach vier Wochen war der menstruelle Blutverlust signifikant verringert und nahm im Therapieverlauf weiter ab. Bei 50 bis 60 Prozent der Frauen mit anfänglicher Anämie (≤ 10,5 g/dl) stieg der Hämoglobinwert signifikant an. Das Myomvolumen nahm aber nicht signifikant ab.
Bei Frauen, die über zwölf Wochen die Monotherapie bekommen hatten, sank die Knochendichte an der Lendenwirbelsäule um -2,0 und -1,92 Prozent gegenüber dem Ausgangswert. Der Unterschied zu Frauen, die von Anfang an Ryeqo bekommen hatten, war statistisch signifikant. Dies zeigt, dass die Kombination mit einer HRT den Knochenschwund mindern kann. In einer kleinen Gruppe, die das Kombipräparat über 104 Wochen einnahm, entwickelte sich die Knochendichte vergleichbar wie unter Placebo.
Die häufigsten Nebenwirkungen waren Hitzewallungen und Uterusblutungen.
Die Kontraindikationen ähneln denen anderer Hormonpräparate: bestehende oder frühere venöse Thromboembolien wie tiefe Beinvenenthrombose oder Lungenembolie, arterielle thromboembolische kardiovaskuläre Erkrankungen wie Myokardinfarkt oder Schlaganfall sowie Thrombophilien. Bei Frauen mit Brustkrebs oder anderen hormonabhängigen Tumoren, Lebertumoren sowie bei schweren Lebererkrankungen mit erhöhten Leberfunktionswerten ist das Medikament ebenfalls kontraindiziert. Dies gilt auch bei Osteoporose, ungeklärten genitalen Blutungen oder Migräne mit Aura – und natürlich in Schwangerschaft und Stillzeit. Die begleitende Anwendung hormoneller Kontrazeptiva ist ausgeschlossen.
Relugolix ist ein Substrat von P-Glykoprotein (P-gp). Da P-gp-Inhibitoren die Exposition von Relugolix erhöhen können, wird die parallele Gabe nicht empfohlen. Dies betrifft zum Beispiel bestimmte Antiinfektiva, Antimykotika, Antihypertensiva, Antiarrhythmika, Angina-pectoris-Medikamente, Ciclosporin, HIV- und HCV-Protease-Inhibitoren. Ist eine begleitende Therapie, zum Beispiel mit Azithromycin, unvermeidlich, wird Ryeqo zuerst und der P-gp-Inhibitor mindestens sechs Stunden später eingenommen und es ist verstärkt auf Nebenwirkungen zu achten.
Die begleitende Anwendung von starken CYP3A4- und/oder P-gp-Induktoren wird ebenfalls nicht empfohlen, da die Plasmaspiegel und die Wirkung von Relugolix abnehmen können. Andererseits erhöhen starke CYP3A4-Inhibitoren ohne P-gp-Inhibition (Voriconazol) die Exposition von Relugolix nicht klinisch relevant. Wohl aber können CYP-Inhibitoren und -Induktoren die Metabolisierung von Estrogenen und Gestagenen verändern. Dies gilt auch für Johanniskraut-Präparate (Hypericum perforatum), deren langfristige begleitende Anwendung nicht empfohlen wird.
Laut Herstellerangaben laufen Studien zu Relugolix bei Frauen mit Endometriose. Bislang ist der Einsatz hier off Label.
Zuletzt wurden beim Thema Uterusmyome häufig die Einschränkungen im Einsatz von Ulipristal thematisiert. Nun gibt es mit Ryeqo® eine interessante neue Therapieoption zur Behandlung von Symptomen bei Uterusmyomen. Die Fixkombination enthält den neuen Wirkstoff Relugolix, der vorläufig als Schrittinnovation einzustufen ist.
Relugolix wirkt als GnRH-Rezeptorantagonist, was an sich nichts Neues ist. Hervorzuheben ist aber, dass der Wirkstoff oral verfügbar ist. Überzeugend sind die Studienergebnisse mit Ryeqo, die zwar keinen immensen Rückgang der Myome zeigen, aber Vorteile hinsichtlich Reduktion von Blutungsvolumen und Schmerzen sind deutlich erkennbar, was für die Patientinnen von hoher Relevanz ist.
Allein verabreicht führt Relugolix zu einem Estrogen- und Progesteronmangel auf ein postmenopausales Niveau. Daher ist die Fixkombination mit Estradiol und Norethisteronacetat wichtig und sinnvoll. Auf regelmäßige Kontrollen der Knochendichte ist zu achten.
Relugolix ist ein Wirkstoff mit Potenzial für andere Indikationen. Er ist in den USA bereits beim Prostatakarzinom zugelassen und könnte zudem auch bei Schmerzen aufgrund einer Endometriose eine Therapieoption werden. Ebenfalls in den USA steht mit Elagolix ein anderer oraler GnRH-Rezeptorantagonist bereits für dieses Anwendungsgebiet zur Verfügung.
Sven Siebenand, Chefredakteur