Regierungsberater fordern Dispensierrecht für Ärzte |
Eine Regierungskommission schlägt der Bundesregierung in Sachen Notfallversorgung vor, dass Ärzte an Notfallzentren auch selbst Arzneimittel abgeben sollen. / Foto: IMAGO/blickwinkel
Die Reform der Notfallversorgung ist eines der zentralen gesundheitspolitischen Vorhaben im Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition. SPD, Grüne und FDP wollen insbesondere die Notaufnahmen der Kliniken entlasten und die Lasten in der Notfallversorgung besser im Gesundheitswesen verteilen. Das Bundesgesundheitsministerium hatte daher die Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung beauftragt, eine Stellungnahme vorzulegen. Die Regierungskommission hatte im vergangenen Jahr bereits Vorschläge für eine Klinikreform vorgestellt. Nun sieht sie unter anderem den Aufbau neuer integrierter Leitstellen in ganz Deutschland vor. Hilfesuchende, die sich im Notfall an den Rettungsdienst unter der Notrufnummer 112 oder an den kassenärztlichen Notdienst unter der 116117 wenden, sollen künftig durch eine integrierte Leitstelle eine erste telefonische oder telemedizinische Einschätzung bekommen. Auf deren Basis sollen sie einer passenden Notfallbehandlung zugewiesen werden.
Neu geschaffen werden sollen nach den Vorstellungen der Expertinnen und Experten zudem sogenannte integrierte Notfallzentren (INZ). Sie sollen aus einer Notaufnahme eines Krankenhauses sowie einer Notfallpraxis niedergelassener Ärztinnen und Ärzte bestehen. Die Zentren sollen an den rund 420 deutschen Kliniken mit umfassender Notfallversorgung angesiedelt werden. Die oft unter großer Belastung arbeitenden Notaufnahmen der Krankenhäuser und die ebenfalls oft gestressten Rettungsdienste sollen so entlastet werden. Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) kündigte an, Strukturen sollten aufgebrochen werden. Versorgung solle dort stattfinden, wo sie medizinisch sinnvoll sei. »Das Krankenhaus muss im Notfall nicht immer die erste Adresse sein.« Aber es müsse schnelle Hilfe anbieten können.
Die integrierten Leitstellen sollen laut Stellungnahme »so vorteilhaft und attraktiv sein, dass für die Bevölkerung ein großer Anreiz besteht, sich in einem medizinischen Notfall primär an sie zu wenden«. Dies sei durch unmittelbare Erreichbarkeit, gute medizinische Beratung und telemedizinische ärztliche Hilfe bei allen hierfür in Betracht kommenden Gesundheitsproblemen sicherzustellen. Bei Bedarf gehöre dazu auch eine terminlich verbindliche und bevorzugte Vermittlung in die Weiterversorgung. Den Empfehlungen der Expertenkommission zufolge sollten die Leitstellen eine leistungsfähige, rund um die Uhr erreichbare allgemeinärztliche und kinderärztliche telemedizinische Beratung beziehungsweise Videosprechstunde einrichten.
Wenn es um einen niedrigschwelligen Zugang zur Telemedizin geht, kommen auch die Apotheken ins Spiel. So heißt es in der Stellungnahme: »Für Menschen, die keinen eigenen Zugang zu Videotelefonie haben oder sich in der Benutzung unsicher fühlen, ist zu erwägen, einen derartigen Zugang in Apotheken einzurichten.« Um die Akzeptanz telemedizinischer Beratung zu erhöhen, sei es den Empfehlungen zufolge wichtig, dass der Kontakt schnell, persönlich und mit möglichst geringem technischem Aufwand hergestellt werde. Datenschutzaspekte seien zu beachten, aber mit Blick auf eine unkomplizierte Umsetzbarkeit zu begrenzen, formulieren die Experten in ihrer Stellungnahme. In der Vergangenheit hatte es bereits Versuche mit Telemedizin-Terminals in Apotheken gegeben. Vor einigen Jahren hatte beispielsweise die Deutschen Gesellschaft für Infrastruktur und Versorgungsmanagement (Degiv) in einigen Apotheken Terminals errichtet, mit denen Patienten auf Dienstleistungen ihrer Krankenkassen zugreifen konnten.
Und auch was die Arzneimittelversorgung im Notfall betrifft, macht die Regierungskommission Vorschläge, die von großer Relevanz für die Apotheken sind. Konkret fordern die Expertinnen und Experten, dass die Mediziner in den Notfallzentren selbst Arzneimittel abgeben können. Wörtlich heißt es dazu: »Zudem wird eine einheitliche, unbürokratische Möglichkeit zur Medikamentenvergabe und Krankschreibung für alle am INZ beteiligten Ärztinnen und Ärzte geschaffen.«
Sehr kurz erwähnt wird auch, dass zum Angebot der Leitstellen ein Botendienst für Arzneimittel gehören soll. Nicht genauer angegeben ist hier allerdings, ob dieser Botendienst von Apotheken oder alternativen Betreibern angeboten werden soll.