Regierung soll Apothekenreform stoppen |
Hessens Kammerpräsidentin Ursula Funke zeigte sich empört über den Referentenentwurf zum Apotheken-Reformgesetz.. / Foto: PZ/Wolf
Unausgegoren und realitätsfern bezeichnete Kammerpräsidentin Ursula Funke bei der heutigen Kammerversammlung den Referentenentwurf zum »Gesetz für eine Apothekenhonorar- und Apothekenstrukturreform« (ApoRG). »Der Entwurf zeigt deutlich, dass der Bundesgesundheitsminister radikale Veränderungen des Gesundheitswesens zum Ziel hat. So soll die jetzige Apothekenstruktur geschreddert werden: Denn wir hätten dann Apotheken, Hauptapotheken mit Filialen, Filialen mit Filialleitern, Filialen mit PTA, Zweiapotheken und Arzneimittelstübchen in der Notfallversorgung«, zeichnete Funke die Methode Lauterbachs nach. Das führe über kurz oder lang zur Zerstörung der Apothekenlandschaft und der Verschlechterung der Arzneimittelversorgung und des Patientenwohls.
Funke bezeichnete es geradezu als perfide, dass Pläne der grundsätzlichen Strukturänderung Politikern, Journalisten und der Bevölkerung als finanzielle Entlastung, Entbürokratisierung, Modernisierung oder Hilfen gegen Fachkräftemangel verkauft werden. Vielmehr sei das Gegenteil der Fall. »Eine Apotheke und ein Apotheker gehören untrennbar zusammen, genauso wie ein Flugzeug und ein Pilot.« Die Öffnung der Apotheke für die Leitung durch erfahrene PTA, auch wenn die telepharmazeutischen Anbindung zum Apotheker gewährleistet sei, sei keine Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit und stärke nicht die Patientenversorgung in strukturschwachen Gebieten.
Die dringend erforderliche pauschale Vergütungserhöhung sei zu einem Honorar-Verschiebebahnhof verkommen. »Die geplante Erhöhung der Notdienstpauschale wird aus dem Topf der pharmazeutischen Dienstleistungen abgezwackt. Und die stufenweise Absenkung des prozentualen Anteils der Packungsvergütung bis Ende 2026 von 3 auf 2 Prozent sowie die entsprechende Übernahme ins Fixum bedeutet eine weitere Abkopplung von der wirtschaftlichen Entwicklung. Die Vorfinanzierung von hochpreisigen Arzneimitteln wird immer schwieriger«, prognostizierte die Kammerpräsidentin.
Es sei zwar klar, dass Gesetze nicht verhandelt, sondern nur gehört werden. Allerdings fruchteten beim Bundesgesundheitsminister keine Gegenargumente, Einwände oder Problemschilderungen – wenn man überhaupt einen Termin bekomme. Das ginge allen Leistungserbringern so. »Die nicht vorhandene Dialogbereitschaft hat allerdings dazu geführt, dass die inhaltliche, sachliche Diskussion der Heilberufe untereinander so gut wie nie zuvor ist.«
Funke bezeichnete es als illusorisch, über weitere Gespräche mit dem Bundesgesundheitsministerium Änderungen im Referentenentwurf erzielen zu wollen. Inwiefern das Reformgesetz nachgebessert werden kann, wird sich im parlamentarischen Verfahren zeigen. Der einstimmige Beschluss der Bundesgesundheitsministerkonferenz, dass dringend Nachbesserungen erforderlich sind, bedeute jedenfalls Rückenwind. Stoppen können die Länder die Apothekenreform jedenfalls nicht. Das Gesetz ist nicht zustimmungspflichtig, wie aus dem Entwurf hervorgeht. Funke gab auch das Phänomen des Fraktionszwanges zu bedenken.
Als erste Maßnahme der Entrüstung verabschiedeten die Delegierten einstimmig eine Resolution (siehe Kasten). Darin fordern sie die Bundesregierung auf, den Referentenentwurf zu stoppen. Was weitere Protestmaßnahmen angehe, ist es nach den Worten Funkes sehr wichtig, »taktisch geschickt – und klug vorzugehen«. Bei dem langen Zeitstrahl, den das Gesetz bis in den Herbst noch vor sich hat, würden sofortige Protestaktionen verpuffen. Die Delegierten arbeiteten heraus, wie wichtig eine stärkere Sichtbarmachung des Patientenwillens wäre, etwa in Form von Unterschriftensammellisten, die an Parlamentarier weitergeleitet werden.
Die Delegiertenversammlung der Landesapothekerkammer Hessen fordert die Bundesregierung auf, den vorgelegten Entwurf eines Gesetzes für eine Apothekenhonorar- und Apothekenstrukturreform (Apotheken-Reformgesetz - ApoRG) in dieser Form sofort zu stoppen, da dessen Umsetzung die Arzneimittelversorgung der Menschen in der Bundesrepublik Deutschland – auch gegenüber anderen Ländern in der EU – massiv verschlechtern würde.
Begründung:
Statt die wirtschaftliche Situation der Apotheken zu verbessern, Honoraranreize im ländlichen Raum zu schaffen und die Arzneimittelversorgung langfristig zu sichern, droht das Gegenteil und der Apotheker als freier Beruf wird angegriffen.
Die Schaffung von »Pseudoapotheken« ohne anwesenden Apotheker gefährdet die Versorgung massiv. Arzneimittelberatung und Therapiebegleitung werden minimiert, die zeitnahe Versorgung mit dringend benötigten hochwirksamen Medikamenten, wie Opioid-haltigen Schmerzmitteln, wird dort unmöglich gemacht. Die ohnehin schon schwierige Compliance und Adhärenz der Patienten für ihre Arzneimitteltherapie werden weiter abnehmen, was Folgekosten sowie eine Verschlechterung der Situation des Patienten nach sich zieht.
Apotheke und Apotheker in Präsenz gehören zum Wohle der Patienten untrennbar zusammen! Nur so können Qualität, Sicherheit und wohnortnahe Versorgung für alle benötigten Arzneimittel jederzeit gewährleistet werden. Pharmazeutisch-technische Assistenten (PTA) sind ein wichtiger Assistenzberuf, die letztliche Verantwortung für die Arzneimittelabgabe kann jedoch nur der approbierte Apotheker übernehmen.
Die vorgesehene Zerschlagung der deutschen Apotheke, deren Betrieb nicht ohne Grund aus Arzneimittelsicherheitsgründen und zum Verbraucherschutz unter anderem durch Apothekengesetz und Apothekenbetriebsordnung geregelt ist, verschlechtert die Versorgung der Patienten. Nur approbierte Apotheker können aufgrund ihrer Ausbildung Interaktionen, Kontraindikationen, Inkompatibilitäten erkennen und beurteilen. Daher muss der Apotheker jederzeit aktiv eingreifen können, was nicht der Fall ist, wenn er nur bei Bedarf zugeschaltet wird.
Apotheken sind niedrigschwellige Anlaufstellen in Gesundheitsfragen und jederzeit erreichbar. Apothekerinnen und Apotheker verschließen sich nicht neuen pharmazeutischen Aufgaben, die zum Wohle der Patienten übernommen und durchgeführt werden (wie weitere pharmazeutische Dienstleistungen, Impfen etc.). Auch einer verstärkten telepharmazeutischen Beratung von Patienten und Fachkreisen steht die Apothekerschaft offen gengenüber.
Grundvoraussetzung hierfür ist jedoch der ordnungspolitische und wirtschaftliche Rahmen, in dem der Apothekenbetrieb und die besondere Ware Arzneimittel zum Wohle der Menschen bewegt werden. Hierfür bedarf es zunächst einer finanziellen Konsolidierung. Die Honorierung wurde in den letzten 20 Jahren einmalig um 3% angehoben, damit sind die Kostenentwicklung und Kostenexplosion nicht zu stemmen. Hierin ist die Ursache für die Abnahme der Apothekenzahl zu finden.
Um das Apothekenwesen zum Wohle der Bürger zu erhalten und weiterzuentwickeln, bedarf es dringend einer Honorarerhöhung.
Die Delegiertenversammlung der LAK Hessen begrüßt den wichtigen Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz der Länder, die sich einstimmig für eine sichere Arzneimittelversorgung durch Apotheken vor Ort mit Apothekern in ungeteilter Präsenz ausgesprochen hat.