Regierung hält an geheimen Erstattungspreisen fest |
Ev Tebroke |
30.05.2024 17:00 Uhr |
Wieviel Geld erstatten die Kassen für ein Medikament? Diese Information soll künftig geheim bleiben können, wenn Pharmahersteller dies wünschen. / Foto: imago images/Shotshop
24 Änderungsvorschläge hatte die Länderkammer jüngst in ihrer Stellungnahme zum Medizinforschungsgesetz (MFG) der Regierung nahegelegt. Darunter auch die Streichung der geplanten Möglichkeit, dass Pharmahersteller künftig die Erstattungspreise für neue Medikamente geheim halten können.
Zwar geht die Bundesregierung durchaus auf einige Änderungswünsche der Länderkammer ein. Insbesondere sollen laut der Gegenäußerung weitere Maßnahmen aus dem Strategiepapier »Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Pharmabereich in Deutschland« umgesetzt werden, die bislang noch nicht im MFG enthalten sind. Auch der Prüfbitte, die Information von Patientinnen und Patienten sowie der Ärzteschaft über klinische Studien zu verbessern, um die Teilnahme an innovativen klinischen Studien zu erleichtern, will die Regierung nachkommen. Eisern bleibt sie aber unter anderem bei den Plänen zur Einführung einer Bundesethikkommission und zur Etablierung von vertraulichen Erstattungsbeiträgen.
Diese Punkte zählen aus Regierungssicht zu den Kernbestandteilen des MFG. Eine Streichung würde die Ziele des Gesetzentwurfs gefährden, heißt es in der Gegenäußerung. Das Gesetz soll in erster Linie dazu dienen, den Pharmastandort Deutschland zu stärken und wettbewerbsfähiger aufzustellen.
Der Bundesrat hatte sich jüngst in seiner Stellungnahme gegen eine geheime Preispolitik bei Arzneimitteln ausgesprochen: »Die Einführung einer Geheimhaltungsmöglichkeit für den verhandelten Erstattungsbetrag führt zu großer Intransparenz für heutzutage erforderliche gesundheitsökonomische Betrachtungen. Dabei steht ein hoher bürokratischer und finanzieller Aufwand für den Differenzausgleich einem nur fraglichen Nutzen entgegen.«
Auch die Kassen befürchten einen Anstieg der Arzneimittelpreise durch die geplante Regelung. »Wenn den Ärztinnen und Ärzten die Preistransparenz genommen wird, dann können sie nicht mehr wirtschaftlich verordnen. Wenn sich Geheimpreise durchsetzen, werden sie die ohnehin steigenden Ausgaben für Arzneimittel deutlich um viele Milliarden Euro zusätzlich in die Höhe treiben«, so die Vorständin des GKV-Spitzenverbands, Stefanie Stoff-Ahnis.
Die Regierung beharrt in der Gegenäußerung jedoch auf ihrem Vorhaben. Zuletzt hatte bereits das Bundesgesundheitsministerium (BMG) die Pläne vor der Presse verteidigt. Der deutsche Erstattungsbetrag könne für die Unternehmen aufgrund der sogenannten externen Referenzpreiswirkung deutlich über den deutschen Markt hinausgehende wirtschaftliche Auswirkungen haben, heißt es anlässlich der Bundesrat-Forderungen. Nach Aussagen der pharmazeutischen Industrie schränke dies den Spielraum der Unternehmen im Rahmen der Erstattungsbetragsverhandlungen ein. Dies könne auch dazu führen, dass pharmazeutische Unternehmer sich entscheiden, sich vom deutschen Markt zurückzuziehen, was wiederum den Zugang deutscher Patienten zu innovativen Arzneimitteln gefährden könnte.
»Es ist daher auch vor dem Hintergrund des internationalen Trends zu vertraulichen Preisen erforderlich, die Flexibilität der Verhandlungspartner und deren Verhandlungsspielräume zu erweitern, um die möglichen mit der externen Referenzpreiswirkung des deutschen Erstattungsbetrags verbundenen negativen Effekte zu verhindern.« Deutschland ist demnach in der EU das einzige Mitgliedsland mit einer vergleichbaren Transparenz der Arzneimittelpreise. Mit der Ermöglichung der Vertraulichkeit könne daher einen Nachteil im Wettbewerb mit praktisch allen vergleichbaren Ländern ausgeglichen werden, die von jeher vertrauliche Preise für neue Arzneimittel vereinbart haben, heißt es in dem Papier.
Die Vertraulichkeit des Erstattungsbetrags sei bewusst als herstellerseitige Option vorgesehen, um die Flexibilität der Verhandlungspartner zu erweitern. Es sei davon auszugehen, dass von dieser Option lediglich in einzelnen Fällen Gebrauch gemacht werde, da das Verfahren für die Hersteller auch mit Mehrkosten verbunden ist. Für die wenigen Verfahren, die pro Jahr in Zukunft mittels eines vertraulichen Erstattungsbetrages abgerechnet würden, werde es einen Prozess der dauerhaften Nacherstattung geben. Vorgesehen ist laut MFG, dass pharmazeutische Unternehmer nicht nur die Differenz zwischen dem gelisteten Preis und dem Erstattungsbetrag, sondern zudem die auf den gelisteten Preis bezogenen Handelsaufschläge für den Großhandel und die Apotheken sowie die Umsatzsteuer ausgleichen sollen.
Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme bemängelt, dass völlig unklar sei, wie diese Prozesse ablaufen sollen.
Das Medizinforschungsgesetz ist nicht zustimmungspflichtig.