Reden allein erhöht die Therapietreue nicht |
Annette Rößler |
30.08.2023 14:04 Uhr |
Bei Frauen mit hormonsensitivem Brustkrebs ist die medikamentöse Blockade von Estrogen sehr wirksam, hat aber auch Nebenwirkungen. / Foto: Adobe Stock/Africa Studio
Bei der adjuvanten endokrinen Therapie (AET) wird die Bildung des weiblichen Geschlechtshormons Estrogen mit Medikamenten unterdrückt beziehungsweise die Hormonwirkung blockiert. Bei Frauen mit einer Brustkrebserkrankung, deren Tumor durch das Hormon Wachstumssignale erhält, ist die AET überaus wirksam. So heißt es dazu in der S3-Leitlinie »Mammakarzinom«: »Adjuvante endokrine Therapien wie Tamoxifen und Aromatasehemmer reduzieren signifikant die Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs um relativ circa 40 Prozent und die Wahrscheinlichkeit des Versterbens um relativ circa 30 Prozent.«
Die Kehrseite davon ist allerdings, dass viele Anwenderinnen der AET unter starken Nebenwirkungen der Therapie leiden. Hierzu zählen etwa Hitzewallungen, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Stimmungsschwankungen, Osteoporose und Gewichtszunahme. Die Abbruchraten sind entsprechend hoch: Laut Leitlinie bleibt nur etwa die Hälfte der Frauen über die empfohlenen fünf Jahre bei der Stange.
Doch sind die unangenehmen Nebenwirkungen wirklich der einzige Grund für die ausgeprägte Non-Adhärenz? Eine systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse, die aktuell im »Journal of Clinical Oncology« erschienen ist, forscht nach den genauen Ursachen und möglichen Ansätzen, um die Therapietreue zu verbessern. Die Autorengruppe um Dr. Emma Bright von der University of Colorado wertet darin 33 Studien mit insgesamt 375.951 Teilnehmerinnen aus.
Ein Ergebnis ist, dass die Compliance steigt, wenn die Patientinnen für die Therapie weniger bezahlen müssen. Da in Deutschland die Krankenkassen für die Kosten der AET aufkommen, ist dieser Aspekt hierzulande allerdings – im Gegensatz zu den USA, wo das teilweise anders ist – vermutlich kaum relevant. Apps oder Textnachrichten, die die Frauen an die Einnahme der Medikamente erinnerten, sowie die Vermittlung von psychologischen Bewältigungsstrategien führten zu einer moderaten Verbesserung der Therapietreue.
Ein Ansatz, der zumindest kurzfristig relativ erfolgreich war, bestand darin, dass die Frauen die für sie persönlich wichtigste Motivation zur Anwendung der Therapie benennen sollten. Das konnte zum Beispiel sein, die Enkelkinder aufwachsen zu sehen, ein bestimmtes Hobby auszuüben oder eines Tages einen Marathon zu laufen. Ein Foto davon wurde dann zusammen mit den Worten »Ich nehme das für…« auf die Medikamentenpackung geklebt.
Interessant sind auch die Ergebnisse zum Management von Nebenwirkungen. Sie besagen, dass die bloße Aufklärung der Frauen über mögliche Nebenwirkungen (mündlich oder schriftlich) nicht dazu führte, dass mehr Patientinnen die Therapie wie verordnet anwendeten. Erfolgreicher waren Interventionen, die darauf abzielten, Nebenwirkungen abzumildern beziehungsweise zu managen, etwa physikalische Therapie, Bewegung und eine verhaltensbezogene Beratung.
»Aufklärung an sich ist nicht genug. Das ist ein eindeutiges Ergebnis«, sagt Seniorautorin Professor Dr. Joanna Arch in einer begleitenden Pressemitteilung. Sie vermute, dass die meisten Onkologen sich nicht darüber im Klaren seien, wie schlecht die Adhärenz bei dieser Art der Therapie tatsächlich ist. »Sie gehen davon aus, dass die Medikamente auch eingenommen werden, wenn sie sie verordnen.«
Dass man als Arzt gezielt nach den Nebenwirkungen fragen sollte, betont allerdings auch die deutsche Leitlinie. Sie verweist zudem darauf, wie wichtig es ist, die Patientinnen von der Notwendigkeit der Therapie zu überzeugen. Bei schweren Nebenwirkungen könne unter Umständen ein Wechsel des Medikaments erwogen werden. »Gelingt es, durch diese Maßnahmen die Therapietreue zu erhöhen, rettet dies möglicherweise mehr Leben als eine zusätzliche Chemotherapie«, heißt es in der Leitlinie.