Rechtliche Hintergründe des Teleclinic-Deals |
Melanie Höhn |
11.09.2024 10:36 Uhr |
Aus Sicht der AKNR führt die Kooperation nicht zu Verbesserungen für Versicherte der TK. Bereits jetzt hätten die gesetzlich Versicherten die freie Arztwahl (§ 76 SGB V) und die freie Apothekenwahl (§ 31 SGB V). »Dieses freie Wahlrecht kann auch telemedizinische Dienstleistungen oder den Versandhandel mit Arzneimitteln umfassen. Sobald jedoch von Kooperationen gesprochen wird, schwingt hier häufig die Erwartungshaltung oder der Erwartungsdruck auf den Versicherten mit, von diesen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, wodurch letztlich Einfluss auf die freie Wahl der Leistungserbringer ausgeübt wird«, erklärte Douglas.
Dies gelte umso mehr, als telemedizinischer Dienstleistungen nur in Ausnahmefällen bisher interessengerecht seien. Der Einsatz der Telemedizin entspreche in vielen Bereichen nicht den anerkannten fachlichen Standards der medizinischen Versorgung. »Auf diese anerkannten fachlichen Standards hat der Versicherte aber einen Anspruch«, so Douglas. Hier werde versucht, »unter dem Deckmantel einer innovativen Kooperation möglicherweise den Versicherten Leistungen schmackhaft zu machen, die unter den anerkannten fachlichen Standards liegen und wahrscheinlich dann auch für den Kostenträger günstiger sind« – zumindest bestehe dieses Risiko.
»Aus unserer Sicht geht es hier nicht um Versicherte, sondern man versucht den Aktionären von Doc Morris eine Story zu verkaufen, um sie bei der Stange zu halten. Dies entspricht den üblichen Mustern am Kapitalmarkt«, kritisiert Douglas.
Gegenüber der PZ erklärte die TK, dass im Verfahren nach EU-Vergaberecht die Teleclinic GmbH die geforderten Kriterien qualitativ und wirtschaftlich besser erfülle als die anderen beiden Bewerber und deshalb den Zuschlag erhalten habe. Zudem habe die Teleclinic GmbH der TK vertraglich zugesichert, unabhängig von ihrer Muttergesellschaft zu agieren. »Sie ist vertraglich verpflichtet, alles zu unterlassen, was den Eindruck erwecken könnte, sie werde bei der Erbringung ihrer Leistungen durch die pharmazeutische Industrie oder einzelne Unternehmen der pharmazeutischen Industrie beeinflusst. Die TK hat daher keinen Grund zur Annahme, dass es zu Interessenskonflikten kommen sollte«, hieß es von der TK weiter.
Auch Teleclinic betonte gegenüber der »Welt«, dass die Daten deutscher Versicherter nicht an Doc Morris oder in die Schweiz übermittelt werden. »Teleclinic verarbeitet alle Nutzerdaten verschlüsselt in deutschen Rechenzentren«, wie das Unternehmen mitteilte. E-Rezepte aus telemedizinischen Behandlungen könnten »in allen Apotheken« eingelöst werden. Neben der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben habe sich Teleclinic »zudem vertraglich gegenüber der TK zur Unabhängigkeit verpflichtet«. Doc Morris erklärte, dass »zu keinem Zeitpunkt ein Austausch von Nutzerdaten« zwischen Teleclinic und Doc Morris stattfinden würde.
Aktuell streitet sich die AKNR vor dem EuGH aktuell um die Frage, ob durch bestimmte Vergünstigungen beim Erwerb von Arzneimitteln eine unsachliche Beeinflussung der Patienten erfolge, die im Widerspruch zum europäischen Recht steht. Vor dem Bundesgerichtshof sei ein Verfahren anhängig, in dem es um unzulässige Umsatzbeteiligungen sowie Vergütungen im Zusammenhang mit der Weiterleitung von Verschreibungen geht. Schließlich wurde Doc Morris kürzlich zu einem Ordnungsgeld von 50.000 Euro verurteilt wegen irreführender Preiswerbung. Trotz gerichtlichem Verbot wurde die Praxis nicht eingestellt. Auch hiergegen wurde selbstredend Rechtsmittel durch Doc Morris eingelegt. Douglas: »Es gibt kaum eine Vorschrift im Apothekenrecht, gegen die noch nicht verstoßen wurde. Der Rechtsbruch ist Teil der DNA von Doc Morris.«