Rechenzentren geben Praxishilfen für Flut-Apotheken |
Cornelia Dölger |
30.07.2021 16:45 Uhr |
Das Hochwasser Mitte Juli hat 70 Apotheken in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz beschädigt oder zerstört. Wichtige Abläufe wie die Rezeptabrechnung sind teilweise erheblich eingeschränkt oder fallen komplett aus. / Foto: Fotolia / pixelfokus
Das Hochwasser, das vor gut zwei Wochen im Westen Deutschlands teils verheerende Überschwemmungen verursachte, hat sich zurückgezogen – was bleibt, sind zerstörte Häuser, Straßen, ganze Orte, Betriebe verloren ihre Existenzgrundlage. Auch Apotheken sind betroffen – in den stark in Mitleidenschaft gezogenen Bundesländern Rheinland-Pfalz sowie Nordrhein-Westfalen sind es den Apothekerkammern zufolge insgesamt etwa 70. Diese können seit Anfang der Woche Hilfsangebote auf einer zentralen Plattform abrufen, die die Kammern und Verbände der beiden Bundesländer gemeinsam eingerichtet haben. Um zu helfen, hat sich jetzt auch der Bundesverband Deutscher Apothekenrechenzentren (VDARZ) zu Wort gemeldet. In einem Schreiben, das der PZ vorliegt, gibt der Verband Empfehlungen zu Abrechnungsfragen und adressiert diese sowohl an den Deutschen Apothekerverband (DAV) als auch an den GKV-Spitzenverband. Letzterer hat laut VDARZ inzwischen signalisiert, dass er die Empfehlungen an die Kostenträger weitergeben wolle. Der DAV wolle die Landesverbände zeitnah darüber informieren, wie es auf PZ-Anfrage heißt. Der Tenor des Schreibens ist eindeutig: Das Hochwasser und die Zerstörungen haben die Apotheken in eine Ausnahmelage katapultiert, wodurch oftmals geregelte Abrechnungsvorgänge nicht möglich sind. Es gelte, die Situation gemeinsam zu meistern.
Wie soll das geschehen? »Ziel unserer Empfehlungen ist, den Apotheken in ihrer belastenden Situation entgegenzukommen und gleichzeitig bei den Kostenträgern für Transparenz zu sorgen«, erklärt VDARZ-Vorstandsmitglied Klaus Henkel im Gespräch mit der PZ. Durch die Flutkatastrophe sei es etlichen Apotheken derzeit schlicht nicht möglich, die Abrechnung in der gewohnten Form zu leisten, etwa weil die technischen Anbindungen jetzt eingeschränkt oder komplett ausgefallen seien oder weil Rezepte beschädigt oder verschwunden seien.
Welche Apotheken betroffen sind, ist inzwischen auf einer Liste zusammengefasst, die sich aus den Meldungen der Apotheken an ihre jeweiligen Kammern ergeben hat. Über die Landesapothekerverbände seien diese Informationen an den DAV gegangen, so Henkel. Zustande kam die Idee für das Empfehlungsschreiben durch einen »Verhandlungsmarathon« des VDARZ unter anderem mit dem GKV-Spitzenverband, aber auch einzelnen Kostenträgern über die Frage, wie die komplexen Abrechnungen in einer solchen Situation improvisiert werden könnten, erklärte der VDARZ-Vorstand . »Es war klar, dass sich hier sehr viele Fragen ergeben würden.«
Das VDARZ-Papier soll sowohl Apotheken als auch Kassen über die besonderen Bedingungen bei der Rezeptabrechnung und -abgabe informieren. Konkret erklärt es zum Beispiel, dass die Institutionskennzeichen betroffener Apotheken über den VDARZ unter Angabe »in Betrieb, aber vorerst ohne technische Anbindung« beziehungsweise »vorerst außer Betrieb« an die Krankenkassen weitergegeben werden. Hierbei würden die Kassen auch über die voraussichtliche Dauer der Einschränkungen und auch über den Zeitpunkt der Rückkehr in den Betrieb unterrichtet, heißt es.
Apotheken, die betroffen sind, sollten zudem darauf aufmerksam machen, dass sie ihre monatlichen Spitzabrechnungen, die in vielen Fällen regulär in der Monatsmitte erfolgen, im August nicht rechtzeitig leisten könnten, empfiehlt der VDARZ. Er verweist auf den GKV-Spitzenverband, der seinerseits dazu rate, für die betroffenen Apotheken entsprechende Fristen zu verlängern. Diese sind in den regionalen Arzneimittellieferverträgen nach §129 Abs. 5 SGBV formuliert. Auf Rückforderungen der gezahlten Abschläge sollten die Kassen dabei zunächst verzichten, heißt es. Falls allerdings klar werde, dass die Spitzabrechnung gar nicht oder nur eingeschränkt erfolgen kann, sollte demnach eine Rückforderung erfolgen.
Apotheken in den betroffenen Regionen, die eingelöste Rezepte durch das Hochwasser komplett verloren haben, haben dem Schreiben zufolge entsprechende Ansprüche gegenüber ihren Versicherungen geltend zu machen. Beschädigte Rezepte können demnach bei den Kassen abgerechnet werden, allerdings nur, wenn sämtlich Daten darauf lesbar und entsprechend regelkonform seien.
Im Chaos der Flutkatastrophe war oftmals schnelle Hilfe bei der Versorgung mit Arzneimitteln nötig. Deshalb waren offenbar auch Bundeswehrärzte oder Ärzte, die nicht zur kassenärztlichen Versorgung zugelassen sind, im Einsatz und haben GKV-Rezepte in den betroffenen Gebieten ausgestellt. Zudem, so schreibt der VDARZ, soll es auch vorgekommen sein, dass Rezepte nicht nach dem üblichen Muster-16 erstellt, sondern auch andere Verschreibungsformate verwendet wurden. Wie dies abgerechnet werden soll, sei derzeit noch unklar, schreibt der VDARZ. Es gebe dafür schlicht keine gesetzlichen Rahmenbedingungen. Der DAV habe sich für diese Frage bereits an das Bundesgesundheitsministerium gewandt; eine Antwort stehe noch aus. Der DAV bestätigte dies und kündigte gegenüber der PZ an, er werde die Landesverbände in Kenntnis setzen, sobald Informationen aus dem BMG kämen.
Apotheken, die wegen des Hochwassers technisch noch nicht wieder ausreichend an alle nötigen Systeme angebunden sind, sollten ihre Rezepte entsprechend kennzeichnen, empfiehlt der VDARZ weiter. »Hierzu sind die Verordnungen mit der Sonderpharmazentralnummer 02567024 und dem Faktor 5 oder 6 und mit Vermerk Hochwasser zu versehen«, heißt es – »zur Not auch handschriftlich«. Ohne diese Kennzeichnung entstehe seitens der Kasse Klärungsbedarf – aber auch hier sollten sich alle Seiten bemühen, individuelle Lösungen zu finden, betont der VDARZ.
Falls Arzneimittel in den Fluten verloren gegangen sind und neu verordnet werden müssen, sollten diese Ersatzrezepte durch den verschreibenden Arzt mit dem Zusatz »Hochwasser« gekennzeichnet werden, heißt es. Dies sei zumindest »mit einigen« Kassenärztlichen Vereinigungen so besprochen worden. Apotheken sollten solche Rezepte mit dem entsprechenden Sonderkennzeichen zusätzlich auszeichnen. Laut VDARZ sollten alle genannten Empfehlungen zunächst bis 31. August berücksichtigt werden.
»70 Apotheken sind betroffen, das sind 70 Einzelfälle – hier ist es ganz einfach wichtig, dass alle Seiten füreinander Verständnis haben«, sagte VDARZ-Vorstand Henkel der PZ. »Die Einschränkungen müssen alle tolerieren, damit die Lage gemeistert werden kann.«