Rebound-Effekt nach Absetzen von Abnehm-Medikamenten |
Theo Dingermann |
22.07.2025 07:00 Uhr |
Interessanterweise traten die stärksten Gewichtszunahmen nach Absetzen der Medikation bei Probanden auf, die zuvor signifikant Gewicht verloren hatten. / © Getty Images/Catherine McQueen
Angesichts der weltweit zunehmenden Prävalenz von Übergewicht und Adipositas – aktuell sind mehr als 2,2 Milliarden Erwachsene betroffen – und der damit verbundenen Folgeerkrankungen wie Typ-2-Diabetes, kardiovaskuläre Erkrankungen und bestimmte Krebsarten gewinnen medikamentöse Antiadipositas-Therapien zunehmend an Bedeutung. Aber wie nachhaltig ist deren Erfolg, wenn die Medikation wieder abgesetzt wird?
In einer Metaanalyse analysierten Forschende um Han Wu und Wenjia Yang vom Volkskrankenhaus der Universität Peking, China, elf randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 1573 Patienten, die mit Antiadipositas-Medikamenten behandelt wurden. In den Kontrollgruppen waren 893 Patienten eingeschlossen.
Die Daten umfassten sechs Studien mit GLP-1-Rezeptoragonisten wie Liraglutid und Semaglutid, eine Studie mit dem dualen GLP-1/GIP-Agonisten Tirzepatid, eine Studie mit Orlistat, zwei Studien mit Phentermin-Topiramat (in Deutschland nicht zugelassen) sowie eine Studie mit der Naltrexon-Bupropion-Kombination Mysimba®. Die primäre Zielgröße war die Veränderung des Körpergewichts nach dem Absetzen der Medikation. Als sekundäre Zielgröße diente der Body-Mass-Index (BMI). Die Ergebnisse wurden jetzt im Wissenschaftsjournal »BMC Medicine« publiziert.
Die Metaanalyse zeigte, dass das Körpergewicht innerhalb von vier Wochen nach dem Absetzen der Behandlung zunächst weiter sinkt. Bereits acht Wochen danach kommt es aber zu einem signifikanten Wiederanstieg des Körpergewichts. Der gewichtete mittlere Gewichtsunterschied (WMD) betrug zwischen den Wochen acht und zwölf 1,50 kg. Dieser Trend verstärkte sich weiter über die Wochen 12 und 20 (WMD = 2,50 kg nach 20 Wochen).
Die Gewichtszunahme stabilisierte sich dann 26 Wochen nach Absetzen der Behandlung. Eine bleibende Gewichtsreduktion im Vergleich zum Ausgangsgewicht konnte auch nach 52 Wochen noch festgestellt werden, jedoch mit deutlich abgeschwächtem Effekt. Der BMI zeigte einen ähnlichen Verlauf: ein Rückgang in den ersten vier Wochen nach Absetzen, gefolgt von einem Anstieg ab Woche 10, der sich bis Woche 52 fortsetzte (Zunahme um 0,82 kg/m2).
Eine signifikante Gewichtszunahme nach Absetzen wurde primär bei GLP-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA) beobachtet. Diese Wirkstoffe wirken über zentrale Rezeptoren appetithemmend und verzögern die Magenentleerung. Nach dem Absetzen entfällt die anorexigene Wirkung, was zu einem Rebound-Effekt führt. In Studien mit GLP-1/GIP-Dualagonisten wie Tirzepatid wurde eine ähnliche Tendenz festgestellt. Teilnehmende, die nach 36 Wochen Tirzepatid auf Placebo wechselten, nahmen im Verlauf eines Jahres etwa die Hälfte des verlorenen Gewichts wieder zu.
Überraschenderweise wurde die Gewichtszunahme vor allem bei Personen mit einem niedrigeren BMI (<35 kg/m2) beobachtet. In höheren BMI-Gruppen fiel die Zunahme statistisch nicht signifikant aus, möglicherweise aufgrund geringer Differenzierung innerhalb einer insgesamt stark adipösen Studienpopulation.
Teilnehmende mit kontinuierlicher Lebensstil-Intervention nach Absetzen der Medikation nahmen signifikant stärker zu als solche ohne Intervention. Dieses überraschende Ergebnis, das im Widerspruch zu vielen in der Literatur beschriebenen Ergebnissen steht, die normalerweise einen positiven Einfluss von Bewegung und Diät nahelegen, könnte durch methodische Schwächen, darunter geringe Fallzahlen und unklare Definitionen der Interventionen, erklärt werden.
Interessanterweise traten die stärksten Gewichtszunahmen nach Absetzen der Medikation bei Probanden auf, die zuvor signifikant Gewicht verloren hatten. Das deutet auf einen möglichen Zusammenhang zwischen initialem Therapieerfolg und Rebound hin. Die Rate der initialen Gewichtsreduktion (schnell versus langsam) hatte hingegen keinen Einfluss.
Allerdings müssen die Daten dieser Analyse als vorläufig gewertet werden. Denn die Anzahl der eingeschlossenen Studien war begrenzt und die Heterogenität in den Designs (Dauer, Substanzen, Zielgruppen) ermöglichte kaum eine akzeptable Vergleichbarkeit der Studienergebnisse. Zudem fokussierten sich einige Studien nicht primär auf die Gewichtsverläufe nach dem Absetzen der Medikamente, was ebenfalls die Zuverlässigkeit der Daten mindern könnte.
Der Prozess der Gewichtszunahme nach Beendigung der Behandlung wird als Gewichtsschwankungen (»Weight Cycling«) bezeichnet. Mehrere Mechanismen können diese erklären, darunter potenziell persistierende, appetitstimulierende Veränderungen im gastrointestinalen Hormonsystem nach Gewichtsverlust oder ein reduzierter Ruheenergieverbrauch durch Verlust von Muskelmasse. Auch psychologische Effekte, darunter ein Verlust von Motivation und Veränderungen im Essverhalten, könnten zum Weight Cycling beitragen.