So friedlich war Friedrich Wilhelm Schlöffel im Parlament selten. / Foto: Historisches Museum Frankfurt, C16361
Mitte des 19. Jahrhunderts kämpften liberale Bürger für die Einigung Deutschlands und eine freiheitliche Verfassung. Sie wollten die Herrschaft der Fürsten beenden und demokratische Strukturen schaffen. Im Frühling 1848 erfasste eine Welle revolutionärer Bewegungen die Staaten des Deutschen Bundes. Auch einige Apotheker beteiligten sich als Vertreter des Bürgertums an den Auseinandersetzungen.
So sind zum Beispiel mehr als dreißig Apotheker bekannt, die wegen der Teilnahme an der Revolution im Großherzogtum Baden zu Zuchthaus oder Arbeitshaus verurteilt wurden, wegen politischer Delikte inhaftiert waren oder wegen Hoch- und Landesverrat in der Festung Hohenasperg einsaßen. Im Falle der Verurteilung lagen die Strafen nicht unter sechs Monaten oder waren gar noch drastischer. Der Apothekenbesitzer Eduard Rehmann (1812–1856) hätte 15 Jahre absitzen müssen, entging aber der Strafe durch das Exil in der Schweiz.
Die badischen Behörden analysierten die Hauptbeteiligten der Revolution. Unter den 603 Personen waren 13 Apotheker. Damit war die Berufsgruppe gemessen an der Anzahl ihrer Berufsangehörigen überproportional vertreten. Zum Vergleich: Ärzte beteiligten sich seinerzeit lediglich 35. Gerade in Kleinstädten hatten Apotheker ein relativ hohes Ansehen und übernahmen dort auch politische Verantwortung – zum Beispiel im Stadtparlament. So überrascht es nicht, dass sie als Bürger auch an den Ereignissen von 1848/49 beteiligt waren.
Ein rebellischer Apotheker schaffte es sogar bis ins höchste Parlament – die Frankfurter Nationalversammlung. Dabei verlief das Leben von Friedrich Wilhelm Schlöffel (1800–1870) zunächst unauffällig und typisch für einen Apotheker seiner Zeit: Er machte eine Apothekerlehre, arbeitete als Gehilfe, absolvierte den Militärdienst, studierte, machte das Staatsexamen erster Klasse und kaufte eine Apotheke im schlesischen Landeshut (heute Kamienna Góra, Polen).
Dort begann er dann sein Engagement in der politischen Linken, zunächst als Stadtverordneter. Er engagierte sich durch Eingaben und Petitionen »für die Interessen bürgerlicher Gewerbetreibender gegenüber den adeligen Grund- und Gerichtsherren ebenso wie für die verarmten Weber und Spinner in Schlesien«. Im Jahr 1845 wurde er als führendes Mitglied eines Bürgervereins der Beteiligung an der »Warmbrunner Verschwörung« beschuldigt, inhaftiert und sechs Monate später wieder freigesprochen. Schlöffel verfasste mehrere Schriften, in denen er seine politische Position gegen die Vorrechte des Adels klar zum Ausdruck brachte.
In der Nationalversammlung der Paulskirche gehörte er der Fraktion der äußersten politischen Linken an und erwarb sich den Ruf des »radikalsten Linksaußen« des gesamten Parlaments. Er war ein auffälliger Diskutant und nahm kein Blatt vor den Mund, was ihm regelmäßig Ordnungsrufe einbrachte. Ab Mai 1849 nahm Schlöffel am badisch-pfälzischen Aufstand teil, weshalb er im November in die Schweiz flüchtete und von dort 1850 »wegen politischer Gefährlichkeit« ausgewiesen wurde. Er emigrierte in die USA und wurde Gastwirt in Philadelphia. 1851 verurteilte ihn das Schwurgericht in Zweibrücken wegen Hochverrats zum Tode. Nach seiner Begnadigung 1866 kehrte er noch im selben Jahr nach Schlesien zurück, blieb seinen politischen Idealen aber zeitlebens treu.
Neben Schlöffel waren zwei weitere Apotheker im Paulskirchen-Parlament: Adolph August Hirschberg (1804–1885) und Eduard Vogel (1806–1868). Auch sie vertraten das linke politische Spektrum. In späteren Parlamenten waren die Apotheker jedoch deutlich konservativer. So gehörten von den zwölf seit 1949 im Deutschen Bundestag vertretenen Pharmazeuten sechs der CDU, zwei der SPD, zwei der FDP und je eine Person Bündnis 90/Die Grünen beziehungsweise Die Linke an.