Radwege für Apotheken |
Alexander Müller |
20.11.2024 13:15 Uhr |
Die AfD hat im Bundestag Vorschläge für den Apothekenmarkt gemacht, / © IMAGO/Steinach
Der Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel »Flächendeckende Arzneimittelversorgung mit Apotheken zukunftssicher machen« sieht vor, das Fixum von derzeit 8,35 Euro pro Packung auf 12 Euro zu erhöhen. Alle anderen Apothekenvergütungen sollen um 25 Prozent steigen und künftig entsprechend der Inflationsrate angepasst werden. Dies bezieht sich vermutlich auf die Zuschläge für Rezepturen und die BtM-Dokumentation.
Ferner fordert der Antrag jeweils eine Verdreifachung der Notdienstgebühr von 2,50 auf 7,50 Euro und der Lieferengpasspauschale auf dann 1,50 Euro. Null-Retaxationen aufgrund von Formfehlern sollen abgeschafft werden. »Apotheker sollen nicht für Versäumnisse anderer haften«, heißt es zur Begründung.
Gegen diese Maßnahmen hätte die Apothekerschaft sicherlich nichts einzuwenden. Aber sind das seriöse Vorschläge oder ist der Antrag schon Teil des Wahlkampfes, um auf Stimmenfang in der Apotheke zu gehen?
Die PZ hat bei Martin Sichert nachgefragt, dem gesundheitspolitischen Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, der den Antrag eingebracht hat. Wie würden die Rechtspopulisten die Maßnahmen gegenfinanzieren? »Gegenfinanziert wird das durch die Erhöhung des Bundeszuschusses zu den Krankenkassen«, schreibt Sichert. Also de facto über Steuermittel.
Sichert weiter: »Das Geld dafür kommt durch Streichung überflüssiger Entwicklungshilfemaßnahmen in Milliardenhöhe, wie beispielsweise Radwege in Peru oder Gender-Toiletten in Afrika.«
Zum Hintergrund: Die »Radwege in Peru« werden von Rechten regelmäßig als mutmaßlicher Beleg für Verschwendung von Steuergeldern herangezogen. Im Internet kursiert ein Betrag von 315 Millionen Euro. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat diese Zahl als »nicht richtig« zurückgewiesen.
»Richtig ist: Das BMZ unterstützt mit einem im Jahr 2020 zugesagten Zuschuss in Höhe von 20 Millionen Euro den Aufbau eines Fahrradschnellwegenetzes in Lima, das sich derzeit im Bau befindet. Im Jahr 2022 hat das BMZ weitere 24 Millionen Euro für den Bau von Radwegen in Peru zugesagt, die sich derzeit in der Planungsphase befinden«, heißt es vom Ministerium.
Was die »Gender-Toiletten in Afrika« betrifft, war eine Rede von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock Anlass des Aufregers in rechten Kreisen. Die grüne Ministerin hatte im März 2023 über ein Entwicklungsprojekt in Nigeria gesagt: »Und ich wette auch, dass die Anlagen für Wasser und Sanitär an einer ganz anderen Stelle gestanden hätten, wenn man nicht die Bewohnerinnen und Bewohner gefragt hätte. Weil es natürlich für ein Kind, das zehn Jahre alt ist, oder auch für eine Frau einen großen Unterschied macht, ob der Brunnen mitten im Dorf ist, ob die Toiletten mitten im Dorf sind oder ganz am Ende des Dorfes, wo man nach deutschen Hygienestandards und aus Geruchsgründen vielleicht gesagt hätte, die sollten wir lieber dort an den Rand bauen, der aber nicht beleuchtet ist.«
Mal abgesehen davon, ob die Apothekenteams die fraglos überfällige Honorarerhöhung wirklich aus Kürzungen in der Entwicklungszusammenarbeit finanziert bekommen wollten: Im Jahr 2022 hat das BMZ nach eigenen Angaben für die bilaterale Zusammenarbeit mit Nigeria insgesamt 67,5 Millionen Euro für die kommenden Jahre zugesagt. Der Gesamtwert aller laufenden Projekte, die meist über Jahre angelegt sind, beträgt demnach rund 570 Millionen Euro.
Die AfD konnte gegenüber der PZ auf Nachfrage nicht aufzeigen, was die Maßnahmen für den Apothekenmarkt an zusätzlichen Kosten bei den Krankenkassen auslösen würden. Aber eine Überschlagsrechnung mit den öffentlich einsehbaren Zahlen ergibt einen Betrag von mehr als drei Milliarden Euro. Selbst ganz ohne Radwege und Toiletten und Afrika ließe sich das nicht gegenfinanzieren, zumal die »Radwege in Peru« von etlichen AfD-Politikern aus anderen Politikfeldern regelmäßig aufgegriffen werden – und die Ausgaben dafür schon mehrfach verplant wurden.
Zusätzlich zu diesen ungedeckten Schecks sieht der AfD-Antrag für die Apotheken aber auch unmittelbare Rückschritte und Einschränkungen vor: So dürften »die Zuständigkeits- und Verantwortungsbereiche der Heilberufe nicht verwischt werden«, fordern Sichert und seine Mitstreiter. Apotheker sollten nicht »zu Hilfsärzten« und »Arztpraxen light« gemacht werden, Arztpraxen zu Behelfsapotheken. »Diagnose inklusive Durchführung von dafür erforderlichen Tests, Behandlungen und Eingriffe inklusive Impfung sollen unter den Arztvorbehalt fallen«, fordert die AfD. Im Gegenzug solle es kein Dispensierrecht für Ärzte geben.
Dafür kann sich die AfD aber »Apotheken light« vorstellen: Die Mindestanforderungen an Ausstattung und Räume für Labor- und Rezepturarbeiten sollen sie unterschreiten dürfen, und zwar sowohl »innerhalb eines Filialverbundes« als auch »auf Basis regionaler vertraglicher Vereinbarungen zwischen verschiedenen Apotheken vor Ort«. Die Leistungen sollten entsprechend zentralisiert erbracht werden.
Und schließlich will die AfD die Dokumentationspflichten von Apotheken um 50 Prozent reduzieren. Für diesen Schritt zum Bürokratieabbau soll aber zunächst eine »Regierungskommission für Bürokratieabbau« eingerichtet werden. Auch für die »Förderung der Ausbildung zum Apotheker« wünscht sich die AfD eine Regierungskommission. Und PTA-Schulen sollen bundesweit kostenfrei werden. Finanziert vermutlich über die Radwege in Peru.