Psilocybin wurde doppelt erfunden |
Theo Dingermann |
16.10.2025 09:00 Uhr |
Bestimmte Pilze der Gattung Inocybe (Risspilze) können Psilocybin synthetisieren. Das Halluzinogen ist eigentlich als Inhaltsstoff von Pilzen der Gattung Psilocybe bekannt. / © Adobe Stock/Claudio
Das Halluzinogen Psilocybin wird zurzeit als Wirkstoffkandidat zur Behandlung schwerer und therapieresistenter Depressionen klinisch getestet. Es zählt zu den wichtigsten Naturstoffen von sogenannten magic Mushrooms, also halluzinogenen Pilzen der Gattung Psilocybe, vor allem P. cubensis. Diese synthetisieren das 4-O-phosphorylierte Indolethylamin Psilocybin aus dem chemisch stabileren Vorläufer, dem dephosphorylierten Psilocybin-Analogon Psilocin. Tatsächlich stellt Psilocin die eigentliche psychotrope Verbindung dar. Sie bindet an 5-Hydroxytryptamin (5-HT)-Rezeptoren, darunter in erster Linie an den 5-HT2A-Rezeptor, und stört so die serotonerge Neurotransmission.
Doch nicht nur Psilocybe-Pilze synthetisieren Psilocybin. In einer Arbeit im Fachjournal »Angewandte Chemie« informiert eine Gruppe um Tim Schäfer vom Institut für Pharmazeutische Mikrobiologie an der Friedrich Schiller Universität Jena darüber, dass dies auch Pilze der Gattung Inocybe tun, etwa I. corydalina. Erstaunlicherweise verwenden beide Pilze dabei unterschiedliche Biosynthesewege: Während P. cubensis den klassischen, gut charakterisierten psi-Gencluster nutzt, besitzt I. corydalina ein funktionell analoges, aber phylogenetisch nicht verwandtes ips-Gencluster mit den Genen ipsD, ipsH, ipsK, ipsM1 und ipsM2.
Klassisch geht die Biosynthese von Tryptophan aus. Der alternative Biosyntheseweg aus I. corydalina startet jedoch mit 4-Hydroxy-L-Tryptophan, das wahrscheinlich aus Tryptophan mithilfe einer membranständigen Cytochrom-P450-Monooxygenase gebildet wird. In I. corydalina wird aus 4-Hydroxy-L-Tryptophan dann zunächst 4-Hydroxytryptamin gebildet, woran sich eine zweifache Methylierung zum N,N-Dimethyl-4-Hydroxytryptamin und schließlich die Phosphorylierung zu Psilocybin anschließen.
In P. cubensis dagegen wird L-Tryptophan zu Tryptamin decarboxyliert, weiter zu 4-Hydroxytryptamin hydroxyliert und dann in einer ATP-abhängigen Reaktion zu Norbaeocystin an der 4-Hydroxygruppe phosphoryliert. Danach wird die primäre Aminogruppe zweimal zum Psilocybin methyliert.
Damit unterscheidet sich der Reaktionsablauf in I. corydalina vollständig von dem der Psilocybe-Pilze, die weder identische Enzyme noch gleiche Reaktionsfolgen verwenden. Beide Linien teilen lediglich das Zwischenprodukt 4-Hydroxytryptamin.