Protest auf dem Wochenmarkt |
Daniela Hüttemann |
14.06.2023 16:00 Uhr |
Die Apothekenteams aus Stade betonten heute auf dem Wochenmarkt, dass sie nicht nur für sich, sondern vor allem für eine gute Versorgung ihrer Patienten protestierten. / Foto: PZ/Daniela Hüttemann
»Kann ich das Rezept für meine Frau hier bei Ihnen abgeben? Ist dringend«, fragt ein Marktbesucher Apothekerin Dr. Sabine Freter. Die verneint und erklärt, warum das heute nicht möglich sei und verweist auf die beiden nächst gelegenen Notdienstapotheken im benachbarten Bützfleth und Fredenbeck. »Hat denn morgen wieder alles auf?«, fragt der Passant. Als die Apothekerin bejaht, ist er zufrieden, denn so dringend sei es ja nun auch nicht.
In Stade haben heute alle 13 Apotheken dicht. Freter und rund 50 weitere Apothekerinnen und Apotheker, PTA und PKA aus Stade stehen stattdessen seit 9:00 Uhr auf dem Wochenmarkt und gehen durch die verzweigte Fußgängerzone der Altstadt, verteilen Handzettel und erläutern im persönlichen Gespräch die Gründe für den Protesttag. Auch die Lokalpresse hört sich die Sorgen und Argumente an. »Den meisten war die Problematik gar nicht so bewusst – die Lieferengpässe schon, aber nicht wie es um die Versorgung steht. Daher reagieren fast alle verständnisvoll«, berichtet Freter, die mit ihrem Mann »Unsere Apotheke« in Stade und Buxtehude betreibt.
Noch ist Stade mit rund 45.000 Einwohnern und 13 Apotheken relativ gut versorgt, doch die Apotheken leiden unter Bürokratie, Nachwuchsmangel und mangelnder Honorierung. »Wir brauchen gute Leute und wollen sie auch gern besser bezahlen und natürlich eine hohe Qualität liefern, aber das geht langsam nicht mehr«, so Freter. Mehr Honorar forderten die Inhabenden nicht, um es in die eigene Tasche zu stecken, sondern für ihre Mitarbeiter und die Sicherstellung einer hochwertigen Versorgung aller Patienten.
»Wenn wir jetzt nicht mehr bekommen, können wir bald nur noch eine Grundversorgung gewährleisten – das ist aber nicht unser Anspruch«, pflichtet Oliver Feth, Inhaber der Apotheke im Medeum, bei. »Und es geht auch nicht nur um die Apotheken, sondern auch um die Pflege, Ärzte, eben alle im Gesundheitswesen.« Viele Politiker und Medienvertreter würden Apotheker als reine Kaufleute sehen und auch so behandeln. »Doch das sind wir nicht«, betont Feth. »Die haben das System einfach nicht verstanden.«
Das einzig Gute an dieser traurigen Geschichte sei, dass erstmals bundesweit alle Apotheken geschlossen protestieren. Sonst herrsche vor Ort häufig eher ein Konkurrenzdenken, man sei bislang nicht viel im Kontakt. Feth hofft, dass sich das nun ändert: »Wie bei Corona: die Krise als Chance.« Und nicht nur die Patienten hätten vollstes Verständnis, auch die Ärzte. Ein Arzt aus Stade habe sogar vorgeschlagen, demnächst gemeinsam gegen die Zustände zu protestieren, ergänzt Freter.
»Letztlich sind die Patienten die Leidtragenden, deswegen stehen wir heute hier auch für sie«, betont Hanna Perko von der Löwen-Apotheke. Ihre Chefin Bärbel Dobberkau fügt hinzu: »Minister Lauterbachs Äußerungen sind einfach falsch und frustrierend.« Auch sie sieht großes Verständnis bei den Patienten. Immer wieder kommt ein bekanntes Gesicht vorbei, die Menschen fragen, ob sie die Forderungen der Apotheken mit Unterschriften unterstützen können und wünschen viel Erfolg.
Katrin Raichle-Kranz, Inhaberin der Kranz-Apotheke, findet es gut, dass in Sachen Protest nun endlich etwas passiert ist, hätte sich aber eine frühere Bekanntgabe und mehr überregionale Pressearbeit der ABDA gewünscht. »Wir sind immer noch Anfänger im Demonstrieren, aber es ist gut, dass wir jetzt alle mal den Mut dazu gefunden haben.« Doch dabei dürfe es nicht bleiben. Auch Dobberkau pflichtet bei: »Wir können uns nach heute nicht zurückziehen. Der Protest muss weitergehen.«