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Opioidabhängigkeit

Protein Shisa7 steuert Suchtverhalten 

Die Behandlung einer Opioidkonsumstörung bleibt schwierig. Jetzt berichten Forschende aus New York von einem möglichen neuen Ansatz: Das Protein Shisa7 ist ein Schlüsselmolekül bei der Steuerung des Suchtverhaltens –  und ein mögliches Target.
Theo Dingermann
31.03.2025  13:30 Uhr

Etwa alle 90 Sekunden verstirbt ein Mensch an einer Überdosis eines Opioids. Das heißt, dass durch eine Opioidkonsumstörung (OUD) weltweit pro Jahr mehr als 350.000 Todesfälle zu beklagen sind. Die meisten Ansätze  zur medikamentösen Behandlung einer Opioidabhängigkeit zielen auf die Belohnung durch die Suchtmittel ab. Allerdings spielen bei Substanzmissbrauch auch ein drogensuchendes Verhalten und eine Kognitionsstörung eine Rolle, die durch den orbitofrontalen Kortex (OFC), einem Teil der Großhirnrinde, vermittelt werden. Die neurobiologischen Mechanismen dahinter zu verstehen, könnte helfen, neue Behandlungsoptionen zu entwickeln.

Jetzt hat ein Team um Dr. Randall J. Ellis vom Friedman Brain Institute der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York einen neuartigen Forschungsansatz gewählt, Biomoleküle zu identifizieren, die bei diesem komplexen Geschehen eine wichtige Rolle spielen. In ihrer Studie analysierten die Forschenden unter anderem mithilfe von maschinellem Lernen das  OFC-Transkriptom, also welche Gene abgelesen werden, in postmortalen Gehirnproben von Menschen, die heroinabhängig waren. Die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeiten publizierte das Team im Wissenschaftsjournal »Biological Psychiatry«

Die Forschenden isolierten die RNA aus OFC-Proben von 34 verstorbenen Heroinabhängigen und verglichen diese mit 28 Kontrollproben. Durch differenzielle Genexpressionsanalyse und weitere Verfahren wurde SHISA 7 konsistent als Top-Prädiktor für einen Heroinkonsum identifiziert. Die Heroin-Kohorte zeigte eine tendenzielle Herunterregulation des bisher wenig erforschten Gens SHISA 7. Vermutlich handelt es sich bei dem Genprodukt Shisa7 um ein Hilfsprotein von GABAA- und/oder AMPA-Rezeptoren.

Absicherung der Ergebnisse im Tiermodell

Im Tiermodell reduzierte eine chronische Heroinexposition bei männlichen Ratten die SHISA7-Expression im OFC signifikant, was zudem positiv mit heroininduzierten Hebeldrücken der Versuchstiere korrelierte. Das deute an, dass die Expression von Shisa7 nach der Heroinerfahrung zwar abnahm, aber positiv mit der Drogensuche verbunden war, schreiben die Autoren. Eine einmalige Heroinexposition hatte keinen Effekt.

Um die funktionelle Relevanz zu prüfen, wurde Shisa7 mithilfe von lentiviraler Überexpression direkt im OFC exprimiert. In heroinerfahrenen Tieren verstärkte dies das heroinassoziierte Suchverhalten stark und beeinträchtigte die Verhaltensumstellung auf eine natürliche Belohnung durch Saccharose. Letzteres spiegelt eine reduzierte kognitive Flexibilität wider – ein Kernsymptom von OUD.

Im OFC von Ratten zeigten sich nach der Shisa7-Überexpression Genexpressionsmuster, die mit denen heroinexponierter Tiere und menschlicher Heroinnutzer stark überlappten, insbesondere in Bezug auf neuroinflammatorische und neurodegenerative Signalwege. Vor allem im heroinexponierten Zustand führte eine Shisa7-Überexpression zu einer deutlichen Verstärkung dieser transkriptionellen Muster.

Die Forschenden nutzten eine Kombination aus Co-Immunpräzipitation und Massenspektrometrie (co-IP/MS), um die Mechanismen weiter zu untersuchen. Bei der Co-Immunpräzipitation isoliert man Protein-Komplexe, sodass man so auf Interaktionspartner, in diesem Fall für das Shisa7-Portein, schließen kann. Diese Partner werden dann  durch eine Massenspektrometrie identiofiziert.

So konnten die Forschenden zeigen, dass Shisa7 nach Heroinexposition spezifisch mit Subtypen glutamaterger Rezeptoren und GABAerger Rezeptoren interagierten. Zudem wurden Interaktionen mit Proteinen identifiziert, die in Synapsenstruktur, Gliazellfunktion und neurokognitiven Erkrankungen involviert sind (wie SYNGAP1, GFAP, NTRK2). Auch Proteomdaten zeigten eine Anreicherung neurodegenerativer Signalwege nach Heroinkonsum.

Somit liefern die Ergebnisse eine starke Evidenz dafür, dass SHISA7 im OFC eine zentrale Rolle in suchtassoziierten Verhaltensweisen und deren molekularer Regulation einnimmt. Dass ein Heroinkonsum das SHISA7-Gen herabreguliert, das Genprodukt selbst aber das Suchtverhalten stärkt, könnte den Forschenden zufolge darauf hindeuten, dass die Herabregulierung von Shisa7 ein Schutzeffekt ist und dass dessen Störung zu einer verstärkten Heroinsucht führt. Die Daten lassen vermuten, dass SHISA7 sowohl neuroinflammatorische als auch synaptische Netzwerke beeinflusst und sich somit als Zielstruktur für neuartige therapeutische Interventionen in OUD und verwandten neuropsychiatrischen Erkrankungen eignen könnte.

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