Produktproben haben größten ökologischen Fußabdruck |
Melanie Höhn |
30.07.2024 16:20 Uhr |
Produktproben erfordern einen hohen Einsatz zeitlicher und personeller Ressourcen in Apotheken, Praxen und Kliniken. / Foto: IMAGO/Westend61
Das Gesundheitssystem in Deutschland ist mit etwa 6,7 Prozent an den nationalen Treibhausgasemissionen beteiligt – ein hoher Ressourcenverbrauch spiegelt sich in entsprechendem Abfallaufkommen wider. Die gezielte Reduktion von Kunststoffabfällen sei ein essenzieller Faktor zur Erreichung eines klimaneutralen Gesundheitssektors, heißt es in einem Beitrag um das Autorenteam Dennis Niebel von der Arbeitsgemeinschaft Nachhaltigkeit in der Dermatologie und Esther Luhmann vom Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten.
In dem Beitrag »Treibhausgasäquivalente und Nutzwasserverbrauch durch dermatologische Produktprobenverpackungen«, der in der Fachzeitschrift »Die Dermatologie« veröffentlicht wurde, nahmen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kostenlose Produktproben, auch Samplings genannt, unter die Lupe und diskutieren die Zweckmäßigkeit des Samplings unter Berücksichtigung umweltrelevanter und betriebswirtschaftlicher Kriterien. Insgesamt wurden 43 dermatologische Produktproben unterschiedlicher Hersteller händisch verwogen und klassifiziert.
Fazit: Verpackungen dermatologischer Samplings verursachen hohe Treibhausgasäquivalente und einen erheblichen Nutzwasserverbrauch. Ein Recycling sei abhängig von der Produktgröße und bei Verbundstoffen oft nicht möglich – zudem hätten kleine Verpackungen in Bezug auf das Produkt den größten ökologischen Fußabdruck.
Weiterhin erforderten Produktproben den Einsatz zeitlicher und personeller Ressourcen in Apotheken, Praxen und Kliniken. Auch die Sortierung und Entsorgung generiere Kosten. Transportverpackungen seien darüber hinaus teilweise überdimensioniert und enthielten Umverpackungen, Füllmaterial und Empfehlungsblöcke, die häufig gar nicht zum Einsatz kämen. So gefährde fortgesetztes Sampling das Ziel der Klimaneutralität des Gesundheitswesens bis zum Jahr 2030, resümieren die Forscherinnen und Forscher.
Angesichts der Vielzahl an Maßnahmen, die im Gesundheitswesen zur Förderung der Ressourcenoptimierung umgesetzt werden könnten, müsse auch die Verteilung von Produktproben berücksichtigt und infrage gestellt werden. Jede einzelne Maßnahme – und besonders solche mit bisher eher gering eingeschätzter Bedeutung – könne einen signifikanten Einfluss auf die Nachhaltigkeitsstrategie nehmen.
Die Produktproben selbst würden oft in sehr kleinen Einheiten versendet, die Verpackungen bestünden oft aus zwei oder mehr verschiedenen Kunststoffarten für Verschluss und Körper. Nach Ablauf des Haltbarkeitsdatums müssten Produktproben ordnungsgemäß getrennt und entsorgt werden. Es sei jedoch anzunehmen, dass unterschiedliche Verpackungsarten hierbei selten getrennt werden. Auch seien die meisten Produktprobenverpackungen aufgrund der anteiligen Verschmutzung kaum bis gar nicht recycelbar, für das Sortieren innerhalb des Recyclings sei außerdem eine Mindestgröße erforderlich.
Untersuchungen aus dem Vereinigten Königreich zeigten zudem, dass nur 18 Prozent der dermatologischen Produktproben gemäß Herstellerangaben recycelbar seien, während der Rest nicht recycelbar ist oder keine Angaben diesbezüglich vorlägen.
Darüber hinaus sei Sampling ein Marketinginstrument mit schlecht messbarem Effekt. Die Umstellung auf innovative Marketingstrategien biete Herstellern die Chance auf Ressourcen- und Kostenreduktion unter Berücksichtigung der EU-Regulatorien.
Es sei nicht messbar, ob ein Sample zum Kauf eines Produktes geführt habe. Zudem sei nicht anzunehmen, dass ein günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis erreicht werden kann, da nicht sicher ist, ob die Proben tatsächlich zu potenziellen Kunden gelangen. Trotzdem werde Sampling bei den meisten Unternehmen noch als effektives Marketinginstrument wahrgenommen, schreibt das Autorenteam.
Gesetzliche Rahmenverordnungen wie die EU-Taxonomie, die Kriterien für die ökologisch nachhaltige wirtschaftliche Aktivität festlegt, und die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die Unternehmen dazu verpflichtet, Nachhaltigkeitsberichte zu erstatten, werden in naher Zukunft finanzwirtschaftliche Aspekte mit der Einsparung von Treibhausgasemissionen, Ressourcen und Wasserverbrauch verbinden, erläutern die Autorinnen und Autoren.
In diesem Kontext seien Samplings nicht nur ökologisch problematisch, sondern könnten langfristig über das EU-Taxonomie- und CSRD-Reporting das Rating eines Unternehmens auf den Finanzmärkten negativ beeinflussen. In einem zunehmend umweltbewussten Marktumfeld drohten auch Imageschäden. Statt Sampling müssten »fortschrittliche, messbare und nachhaltige Marketingmaßnahmen bevorzugt werden, die innovative und präzise Zielgruppenansprachen unter Reduktion von Kosten‑/Ressourceneinsatz und Minimierung des eigenen CO2eq-Unternehmensfußabdruckes ermöglichen«, so das weitere Fazit.