Priorisieren und individuell lösen |
Schon bei der Abgabe eines Medikaments können Apotheker und PTA über arzneimittelbezogene Probleme aufklären. / © Shutterstock/Zamrznuti tonovi
Patienten wird viel abverlangt: Sie sollen wissen, welche Medikamente gegen welche Erkrankungen eingesetzt werden, wann die richtigen Einnahmezeitpunkte sind, möglichst adhärent sein und erklärungsbedürftige Darreichungsformen richtig anwenden. Das alles ist komplex. Für viele Patienten stellt die richtige Umsetzung der Arzneimitteltherapie eine Herausforderung dar.
So berichtet eine Patientin von der Neuverordnung eines Diuretikums, das sie am liebsten gar nicht mehr einnehmen möchte. Auf Nachfrage der Apothekerin erzählt sie, dass sie ständig auf die Toilette gehen müsse und sie die Tabletten immer mal weglasse, wenn sie morgens Erledigungen in der Stadt machen möchte. Dass dies ihre Blutdrucktherapie gefährdet, weiß sie nicht. Die Apothekerin erkennt das Adhärenzproblem der Patientin und erläutert ihr die Bedeutung des Medikaments. Zusammen finden sie eine Lösung für einen individuell günstigeren Einnahmezeitpunkt am Mittag; die Apothekerin ergänzt das auf dem Medikationsplan zur Information des Arztes.
So treten im Apothekenalltag häufig arzneimittelbezogene Probleme (ABP) auf, die den Therapieerfolg gefährden oder ein Risiko für den Patienten bedeuten können. Die erfüllende und heilberufliche Aufgabe des Apothekers ist es, potenzielle und manifeste ABP zu erkennen, deren Ursachen ausfindig zu machen sowie Lösungen und Maßnahmen zum Wohl der Patienten zu erarbeiten.
Oftmals gelingt dies schon, wenn die richtigen Fragen gestellt werden. Grundlagen dafür sind das pharmazeutische Fachwissen und die Fähigkeit zur persönlichen Kommunikation mit dem Patienten und dem Arzt.
Einzelne ABP bei der Belieferung der Rezepte zu thematisieren, fällt nicht schwer; das sind Apotheker und PTA, die aktiv beraten, gewöhnt. Bei einer erweiterten Medikationsberatung allerdings eine Vielzahl von Arzneimitteln zu prüfen und die auftretenden Probleme bezüglich ihrer klinischen und therapeutischen Relevanz zu gewichten, erfordert ein hohes Maß an Übersicht.
Umfragen belegen, dass die Implementierung der pharmazeutischen Dienstleistungen oft an Zeit- und Personalknappheit scheitert. Viele Apothekenteams beschreiben ähnliche Hürden bei der Umsetzung der Medikationsberatung:
Außerdem sollte die Bearbeitung zügig und effizient erfolgen, damit die pharmazeutischen Dienstleistungen wirtschaftlich erbracht werden können, so die Erwartung vieler Apothekenleiter.
Doch wie kann bessere Priorisierung und Effizienzsteigerung gelingen? Dazu bedarf es eines guten pharmazeutischen Wissens, digitaler Unterstützung und guter Organisation der Abläufe.
Arzneimittelbezogene Probleme sind alle Ereignisse, die im Verlauf der Arzneimittelanwendung bei einem individuellen Patienten auftreten und den angestrebten Erfolg der Therapie real oder potenziell beeinflussen können. Dazu zählen beispielsweise unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW), Interaktionen, falsche Anwendung oder falsche Einnahmezeitpunkte von Arzneimitteln.
Im normalen Beratungsalltag vermittelt das Apothekenteam bei der Abgabe von verordneten Medikamenten Informationen zu Dosierungen, Anwendung, Vermeidung potenzieller Wechselwirkungen mit den bekannten Dauermedikamenten oder Nahrungsmitteln und zur Aufbewahrung. Abhängig davon, wie intensiv das Beratungsgespräch ausfällt, können dabei ABP aus diesen Kategorien entdeckt werden.
Umfassender wird bei der pharmazeutischen Dienstleistung »Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation« geprüft. Der Apotheker checkt systematisch im persönlichen Gespräch mit dem Patienten dessen Gesamtmedikation auf 13 ABP (Kasten). Damit gibt die Leitlinie zur Medikationsanalyse 2a einen gewissen Rahmen vor, was der Apotheker kontrollieren soll. Laborwerte und Diagnosen des Patienten liegen in der Regel nicht vor und müssen nicht generell einbezogen werden. Der Apotheker soll die Therapie des Arztes also nicht auf Richtigkeit prüfen, sondern auf die definierten möglichen ABP. Das schließt nicht aus, dass im Einzelfall weitere ABP aufgedeckt werden, wenn der Patient tiefere Informationen preisgibt oder Arztberichte oder Laborwerte zur Verfügung stellt.
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Laut der Leitlinie zur Medikationsanalyse 2a wird bei der erweiterten Medikationsberatung bei Polymedikation auf 13 ABP geprüft. Dazu zählen:
Bei der Selbstmedikation zusätzlich:
Apotheker benötigen ein profundes pharmazeutisches Basiswissen, um ein ABP zu bewerten. Neue häufig verordnete Arzneistoffe, deren Anwendung und übliche Dosierungen sowie therapeutische Leitlinien der wichtigen Volkskrankheiten sollten sie beherrschen und sich dazu immer wieder fortbilden. Dann fällt es leichter, offensichtliche ABP direkt, also ohne aufwendige Recherche, zu erkennen.
Beispielsweise gab es auf dem Indikationsgebiet Diabetes mellitus in den vergangenen zehn Jahren enorme Veränderungen bezüglich neuer Medikamente – Stichwort SGLT2-Hemmer und GLP-1-Agonisten – und Therapieempfehlungen. Hier ist die kontinuierliche Fortbildung absolut notwendig, um relevante ABP dieser neuen Wirkstoffe überhaupt erkennen und fachgerecht dazu beraten zu können.
So bedürfen die neuen Pens einer fachgerechten Erklärung. Bei Abgabe der SGLT2-Hemmer sollte das Apothekenteam den einzigartigen Wirkmechanismus – die vermehrte Ausscheidung von Glucose über den Urin – und die Vorsichtsmaßnahmen bezüglich der Genitalhygiene erklären. Solch ein Beratungswissen sollten Apotheker automatisch abrufen können.
Ergänzend helfen Datenbanken, die Module der Warenwirtschaftssysteme, AMTS-Tools wie der MediCheck, Fachinformationen und Leitlinien, Lösungen und Alternativvorschläge zu identifizierten ABP zu erarbeiten (Kasten).
Werden zehn oder mehr Arzneimittel geprüft, kommt es in den digitalen Systemen oft zu sehr umfangreichen Ergebnissen. Dann führt die Flut an Informationen zu einem »overreporting« – also, dass ABP erfasst werden, die für die Therapie des individuellen Patienten überhaupt keine Relevanz haben. Bei einer unselektierten Übernahme aller Ergebnisse besteht die Gefahr, dass sich Apotheker bei der Erstellung des Berichts an den Arzt in unwichtigen Aspekten verlieren. Ärzte sehen dies kritisch, denn sie sind besorgt, dass Patienten bezüglich der Therapie verunsichert werden und die Adhärenz leidet.
Ein Beispiel: mögliche Muskelschmerzen unter Statinen. Myopathien treten relativ selten auf, werden aber aufgrund von Meldungen in der ABDA-Datenbank (Interaktion von Simvastatin mit CYP3A4-Inhibitoren) regelmäßig bei Medikationsanalysen angezeigt. Spricht das Apothekenteam diese mögliche Nebenwirkung zu dominant an, obwohl der Patient aktuell keine Beschwerden hat, können Nocebo- oder Nonadhärenz-Effekte resultieren. Die Nichteinnahme des Statins wäre dann eine Therapiegefährdung durch das ABP Nonadhärenz.
Apotheker müssen also die von der Software anzeigten ABP im Gespräch auf ihre Relevanz überprüfen. Um die digitalen Tools optimal zu nutzen, sollten Apothekenteams Schulungen von Herstellern und Apothekerkammern besuchen.
Die Kunst ist, bei den Ergebnissen das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden, zu bewerten und mithilfe der digitalen Tools schneller die nötigen Informationen zu den Arzneimitteln, zum Beispiel Dosierungen, Einnahmemodalitäten und Einnahmehinweise, abzurufen, aber auch mögliche Risiken zu erkennen und zu prüfen (Resultate des Interaktionschecks, Verordnungskaskaden, Nierenrechner).
Eine gute Vorgehensweise ist es, bei der Priorisierung der ABP folgende Fragen zu stellen – an sich selbst und den Patienten:
Es gibt Probleme, die therapeutisch gar nicht relevant sind, aber den Patienten selbst stören, zum Beispiel eine hohe Tablettenlast. Solche Aspekte müssen geklärt werden, denn sie verbessern die Zufriedenheit des Patienten mit seiner Therapie.
Diese Fülle ist eine Herausforderung, vor der viele Patienten zurückschrecken. / © Adobe Stock/Kamzoom
Andere ABP sind rasch mit dem Arzt zu lösen, zum Beispiel wenn der Apotheker feststellt, dass der Asthmapatient kein Akutspray für den Asthmaanfall besitzt. Dann sollte man unverzüglich in der Praxis anrufen.
Nimmt eine Patientin ihre Tabletten nicht oder unregelmäßig ein, weil sie die Blisterfolie nicht allein entfernen kann, ist die Therapie gefährdet. Nonadhärenz aufgrund von Anwendungsproblemen kann durch Umstellung des Medikaments (gegebenenfalls nach Rücksprache mit dem Arzt) und Information in der Apotheke vermieden werden.
Erfolgt die Inhalation mit einem Pulverinhalator nicht intensiv genug, weil der Patient nach dem Manöver nicht die Luft anhält, kann der Apotheker mit der Dienstleistung zur Schulung der Inhalation die Anwendung und damit den Therapieerfolg verbessern.
Je mehr Arzneimittel ein Patient einnimmt, desto mehr potenzielle ABP werden angezeigt. Das kennt jeder vom Interaktionscheck der ABDA-Datenbank. Die Klassifizierung in Kontraindikationen sowie schwerwiegende, mittelschwere und leichte Interaktionen durch farbliche Unterlegung von dunkelrot bis gelb hilft für den ersten Überblick.
Als Erstes sollten die dunkelroten (Kontraindikationen) und roten Meldungen (schwerwiegende Interaktionen) geprüft werden, indem Expertenwissen herangezogen und der Patient zu Verträglichkeit, Einnahme, Anwendungsgrund, Monitoring durch den Arzt und Behandlungsdauer befragt wird. Die Anzeige im Computer soll den Apotheker sensibilisieren, doch die tatsächliche klinische Relevanz der Meldung kann meist erst im Gespräch mit dem Patienten oder mit dem Arzt final bewertet werden.
Im zweiten Schritt sollten auch alle leichteren Wechselwirkungsmeldungen überflogen werden. Gibt es mehrere, die in die gleiche Richtung zielen – also mehrere Arzneimittel, die zum Beispiel die anticholinerge Last oder das Risiko für QT-Zeit-Verlängerung erhöhen –, muss die Kumulation als Risiko betrachtet werden und nicht die einzelne mittelschwere Wechselwirkung isoliert. Zur Entschärfung einer unerwünschten Wirkung aufgrund der Interaktionen sollte beachtet werden, dass bestimmte Medikamente aufgrund der Erkrankungen und Therapieeinstellung des Patienten alternativlos sind, andere aber meistens ausgetauscht oder reduziert werden können, ohne die Haupttherapie zu gefährden.
Hier ist der Therapieerfolg definitiv gefährdet. Apothekenteams können den Fehler mit einer persönlichen Schulung zielgerichtet beheben. / © Adobe Stock/SundGo
Ein Beispiel: Ein Patient klagt über Mundtrockenheit. Es stellt sich heraus, dass mehrere verordnete Arzneimittel gegen Inkontinenz und psychische Erkrankungen anticholinerge Wirkungen haben. Zusätzlich nimmt der Mann in Selbstmedikation regelmäßig ein Antihistaminikum der ersten Generation als Schlafmittel ein. Hier ist es am besten, zuerst Alternativen für das Schlafmittel vorzuschlagen, zum Beispiel ein pflanzliches Mittel ohne anticholinerge Effekte, und damit die gesamte anticholinerge Last zu reduzieren. Da es sich um ein Mittel der Selbstmedikation handelt, muss man nicht unbedingt den Arzt informieren. Dies kann der Apotheker allein mit dem Patienten entscheiden.
Ein anderes Beispiel: Eine Patientin hat vom Notdienst ein Antibiotikum gegen ihre Harnwegsinfektion verordnet bekommen, das die Nebenwirkung der QT-Zeit-Verlängerung hervorrufen könnte. In der Apotheke ist bekannt, dass sie weitere QT-Zeit-verlängernde Medikamente als Dauermedikation einnimmt. In diesem Fall ist es sinnvoller vorzuschlagen, das Antibiotikum gegen ein leitliniengerechtes Antibiotikum ohne die potenzielle Nebenwirkung, zum Beispiel Pivmecillinam oder Fosfomycin, auszutauschen, als Umstellungen in der Dauerverordnung anzuraten. Da eine ärztliche Verordnung betroffen ist, muss man mit dem Arzt sprechen und die möglichen ABP beschreiben.
AMTS-Tools wie der Medicheck zeigen den QT-Zeit-Score, mögliche Verordnungskaskaden, die anticholinerge Last oder auch inadäquate Medikamente im Alter an. Der Hinweistext empfiehlt mögliche Optimierungsmaßnahmen. Die Alternativvorschläge sollten im Hinblick auf die Gesamtmedikation geprüft werden, denn sie können gegebenenfalls andere Komplikationen hervorrufen – dies muss man vor der Umstellung oder dem Gespräch mit dem Arzt prüfen und klären.
Kommt ein unbekannter Patient mit seinen Medikamenten und ärztlichen Unterlagen zur Medikationsberatung, dann hat der Apotheker zunächst einige administrative Aufgaben zu erledigen. Die Vereinbarung und Schweigepflichtentbindung müssen unterschrieben und mitgebrachte Informationen, zum Beispiel Medikationspläne oder Entlassbriefe, kopiert werden. Über die Medikamente und bekannten Diagnosen muss sich der Apotheker ad hoc einen Überblick verschaffen.
Eine genaue Absprache im Team erleichtert auch den Ablauf der pharmazeutischen Dienstleistungen. / © Imago/Westend61
Einfacher ist es, wenn vor dem Beratungstermin bereits systematisch Unterlagen, gegebenenfalls auch von einer PTA, vorbereitet werden. Wenn diese einen Patienten anspricht und für die Medikationsanalyse gewinnt, sollte sie sich schon erste Daten geben lassen. Sie kann bereits den Medikationsplan kopieren, aktuelle Beschwerden, die für den Patienten im Vordergrund stehen, aufnehmen, einen Termin vereinbaren und die Unterlagen zur Unterschrift vorbereiten.
Der Apotheker kann dann vorab die Informationen überprüfen, Unklarheiten und potenzielle häufige AMTS-Risiken bei bestimmten Arzneimitteln (Teilbarkeit, falsche Einnahmezeitpunkte, erklärungsbedürftige Anwendung) notieren, um sie im Anamnesegespräch gezielt anzusprechen.
Offensichtliche ABP wie falsche Dosierungen oder Einnahmefrequenzen, Doppelmedikation sowie erklärungsbedürftige Arzneiformen sollten im Beratungsgespräch priorisiert werden. Die Patienten werden die persönlich erlebte Kompetenz schätzen und leichter Vertrauen zum beratenden Apotheker aufbauen. Dies schafft wertvolle Kundenbindung.
Wie geht man nun praktisch vor? Am Beispiel einer Medikationsliste (Tabelle) werden auffällige Probleme gezeigt, die Apotheker vorrangig mit dem Patienten klären sollten.
Viele Apotheker beschreiben das Gespräch mit Patienten als besonders zeitaufwendig. Häufig gelingt es nicht, einen gesteckten Zeitrahmen einzuhalten, wenn Patienten ins Reden kommen und schwer zu stoppen sind. Apothekenleiter beklagen, dass die Medikationsberatungen zu lange dauern und währenddessen die »normalen« Kunden warten müssen.
Um Druck aus der Situation herauszunehmen, sollten die Teammitglieder für die Medikationsberatung ein definiertes Zeitfenster in der Personaleinteilung erhalten. Dies muss realistisch sein, aber auch möglichst eingehalten werden.
Wirkstoff | Dosierung |
---|---|
Pantoprazol 40 mg | 1-0-0-0 |
Amlodipin 10 mg | 0,5-0-0,5-0 |
Bisoprolol 5 mg | 0,5-0-0,5-0 |
Metformin 850 mg | 1-0-1-0 |
ASS 100 mg | 0-1-0-0 |
Ibuprofen 600 mg | 1-0-1-0 |
Simvastatin 80 mg | 0-0-1-0 |
Salbutamol DA | bei Bedarf |
Zusätzlich bringt der Patient mit: | |
Atorvastatin 40 mg | |
Thomapyrin |
Um Termine zeitlich zu begrenzen, kann ein Wecker im Beratungsraum aufgestellt werden. Zu Beginn des Gesprächs wird der Zeitrahmen klar kommuniziert: »Ich freue mich, dass Sie heute zu unserer Medikationsberatung gekommen sind. Wir haben jetzt 20 Minuten Zeit, um alle Ihre Beschwerden und Fragen zu besprechen. Ich werde mir dazu einige Notizen machen und nach unserem Termin in Ruhe alle Informationen überprüfen.«
Der Gesprächsleitfaden der ABDA zielt auf die Informationsgewinnung zu den zu prüfenden 13 ABP ab. Zu jedem mitgebrachten Arzneimittel sollte umfassend gefragt werden. Es ist aber möglich, »Sammelfragen« zu stellen und die Einnahmezeitpunkte oder Adhärenz direkt von allen Medikamenten abzuprüfen. Weiß der Apotheker, dass alle verordneten Arzneimittel unabhängig von den Mahlzeiten angewendet werden können, muss er nicht bei jedem einzelnen fragen, sondern nur bei denjenigen Medikamenten, bei denen die Einnahme vor oder nach dem Essen wirklich wichtig ist. So ist es entscheidend, dass Bisphosphonate wie Alendronsäure mit Leitungswasser mindestens 30 Minuten vor dem Frühstück eingenommen werden, bei Betablockern oder ACE-Hemmern ist es dagegen egal.
Einfaches Hilfsmittel, große Wirkung bei der Zeiteinhaltung / © Adobe Stock/KraPhoto
Nach möglichen Nebenwirkungen kann man ebenfalls übergeordnet fragen: »Gibt es Beschwerden, die Sie mit der Einnahme Ihrer Arzneimittel in Verbindung bringen; wenn ja, welche?« Das Gleiche gilt für die Adhärenz: »Vergessen Sie schon einmal eines Ihrer Arzneimittel, wenn ja, welches und warum?«
Diese zusammenfassenden Fragen sparen Zeit und helfen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Wenn der Apotheker sich beim Anamnesegespräch an den einzelnen Arzneimittelpackungen orientiert, hat er einen Gesprächsfaden, der ihm hilft, beim Abweichen des Patienten auf die wesentlichen Aspekte zurückzukommen: »Frau Meier, lassen Sie uns noch mal auf Ihre Tabletten eingehen. Hier haben wir die Ramipril-Tabletten, wogegen und wie nehmen Sie diese ein?«
Adhärenzprobleme lassen sich häufig nur lösen, wenn die Ursache bekannt ist. Patienten haben in der Regel Gründe dafür, dass sie ihre Arzneimittel nicht oder anders einnehmen – so wie die Dame, die das Diuretikum wegen des häufigen Harndrangs am Vormittag bewusst nicht regelmäßig angewendet hat.
Bei drängenden Arzneimittelproblemen oder Unklarheiten, die den Patienten oder die Therapie gefährden können, ruft die Apotheke in der Regel direkt den Arzt an. / © Adobe Stock/contrastwerkstatt
Möglicherweise vergisst der Patient auch gelegentlich die Einnahme. Dann könnten ihm verschiedene Erinnerungshilfen angeboten werden. Wenn er die Tabletten nicht nimmt, weil er nicht weiß, wofür er diese bekommen hat, hilft eine entsprechende Aufklärung. Hat er Probleme beim Schlucken oder der Teilung, kann die Anwendung unter Umständen mit entsprechenden Hilfsmitteln erleichtert oder eine andere Arzneiform oder Stärke vorgeschlagen werden.
Der Grund für das vorliegende ABP muss also genau hinterfragt werden, weil man nur dann zielgerichtete Maßnahmen vorschlagen kann. Das erfordert eine empathische Gesprächsführung. Der Apotheker baut damit Vertrauen auf, sodass der Patient sich traut, sich ihm ohne Peinlichkeit zu öffnen.
Werden bei der »normalen« Abgabe von verordneten Arzneimitteln ABP erkannt, wird man bei Unklarheiten, die den Patienten oder die Therapie gefährden können, in der Regel den Arzt anrufen. Ist etwas mehr zeitlicher Spielraum für die Rücksprache vorhanden, können auch etablierte andere Kommunikationswege, zum Beispiel KIM, gewählt werden.
Bei der pDL »Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation« ist der Bericht an den Arzt nicht zwingend vorgeschrieben, aber zur guten interprofessionellen Zusammenarbeit sinnvoll. Die ABDA stellt Arbeitshilfen zur Erstellung des Ergebnisberichts auf der Seite der pDL zur Verfügung. Die Blankovorlage für den Bericht unterscheidet zwei Szenarien:
Ärzte leiden genauso wie Apotheker unter Zeitmangel. Deshalb sollten nur die relevanten ABP kurz und knapp inklusive eines Lösungsvorschlags kommuniziert werden. Wurde die Anwendung eines Arzneimittels erfolgreich geschult, die Teilung einer Tablette mit einem Teiler erläutert oder auf korrekte Einnahmezeitpunkte im Zusammenhang mit der Mahlzeit hingewiesen, dann sind dies wichtige Maßnahmen. Sie sollten jedoch nicht priorisiert dem Arzt mitgeteilt werden, weil die Probleme bereits in der Apotheke gelöst wurden.
Katja Renner ist Apothekerin in der Apotheke am MDZ in Heinsberg und arbeitet als Referentin für verschiedene Apothekerkammern und die ABDA. Ihre Schwerpunkte sind Arzneimitteltherapiesicherheit und praxisnahe Aspekte zu Themen wie Depressionen, Atemwegserkrankungen, Kinderkrankheiten und Arzneimittel in der Schwangerschaft. Sie ist Vertreterin der AMK in mehreren Leitlinienkommissionen und war an der Aktualisierung der Leitlinie zur unipolaren Depression beteiligt. Im Leitungsteam von ATHINA setzt sie sich für die Implementierung der pharmazeutischen Dienstleistungen ein. Dr. Renner ist Vorstandsmitglied der Apothekerkammer Nordrhein.