Preis: »Dieser Branche geht es nicht gut« |
Alexander Müller |
15.09.2025 11:48 Uhr |
Im Vorfeld des Deutschen Apothekertags (DAT) hat ABDA-Präsident Thomas Preis (Mitte) in Düsseldorf die aktuellen Zahlen des Apothekenklima-Index (AKI) präsentiert. / © ABDA
Der Apothekenklima-Index (AKI) 2025 ist die zehnte Auflage einer repräsentativen Umfrage unter 500 Inhaberinnen und Inhabern. Die Befragung fand zwischen dem 7. und 16. August 2025 statt. Die Ergebnisse werden traditionell im Vorfeld des Deutschen Apothekertags (DAT) veröffentlicht.
Zu beobachten ist laut ABDA-Präsident Thomas Preis »eine minimale Aufhellung der Stimmungslage« in den Apotheken nach der besonders kritischen Phase während der Ampelkoalition. So erwartet knapp ein Drittel (31 Prozent) eine deutlich oder zumindest etwas bessere wirtschaftliche Lage der eigenen Apotheke in den kommenden zwei bis drei Jahren. Allerdings befürchten noch immer 42 Prozent eine weitere Verschlechterung. Für Preis ist das ein alarmierendes Signal.
Zu den harten Zahlen: Der Absatz mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in öffentlichen Apotheken lag im ersten Halbjahr bei 390 Millionen Packungen. Das entspricht einem Rückgang von 0,5 Prozent. Im OTC-Geschäft lag das Minus sogar bei 0,7 Prozent (290 Millionen Packungen). Aufgrund von Preissteigerungen stieg der Rx-Umsatz dennoch um 6 Prozent, OTC-Arzneimittel legten nur um 2,2 Prozent zu. Und die Zahl der Apotheken ist in den ersten sechs Monaten erneut zurückgegangen: 16.803 Betriebsstätten bedeuten einen weiteren Rückgang um 2,8 Prozent und einen Tiefstand seit Jahrzehnten. »Der Abwärtstrend geht weiter«, monierte Preis. Nur 33 Neueröffnungen seien ein besonders alarmierendes Zeichen. »Das Apothekensterben wird weitergehen, wenn nicht schnell Hilfe kommt«, so Preis.
Die Hoffnungen auf Besserung knüpfen sich an den Regierungswechsel, denn im Koalitionsvertrag gibt es recht konkrete Versprechungen. ABDA-Präsident Thomas Preis fordert nun die Umsetzung: »Der Koalitionsvertrag sieht vor, die Apotheken zu stärken und ihnen eine noch wichtigere Rolle im Gesundheitswesen zuzuweisen. Wir brauchen diese Reform dringend, denn die Apotheken stehen schon seit Jahren mit dem Rücken zur Wand. Unsere aktuellen Umfragewerte aus der Apothekerschaft zeigen, wie schwierig die Lage für die Apotheken und wie dringend deshalb der politische Handlungsbedarf ist.« Der Auftritt von Gesundheitsministerin Warken werde den Apothekertag »maßgeblich beeinflussen«, so Preis. Die PZ wird Grußwort und Diskussion am Dienstag live übertragen.
Beim Apothekenklima-Index (AKI) sollten die Teilnehmenden die für die Apotheken relevanten gesundheitspolitischen Vorhaben der schwarz-roten Koalition nach Dringlichkeit ordnen. Die vorderen drei Ränge sind allesamt von den Wirtschaftsthemen besetzt: Auf Platz 1 liegt die versprochene Erhöhung des Apothekenfixums auf 9,50 Euro, gefolgt von der Aufhebung des Skonto-Verbots und der Dynamisierung des Honorars mittels Verhandlung zwischen Apotheken und GKV-Spitzenverband.
Aber die Apothekerschaft will auch neue Aufgaben übernehmen – sofern die Finanzierung des Personals gesichert ist. Im April hatte die ABDA ihr Zukunftskonzept vorgestellt, beim AKI wurden die verschiedenen Leistungen abgefragt. Demnach wünschen sich 83 Prozent mehr Abgabefreiheiten bei Lieferengpässen (aut idem und aut simile), 79 Prozent wollen Chroniker im Notfall mit einer kleinen Rx-Packung versorgen dürfen. 74 Prozent würden bestimmte Rx-Arzneimittel bei unkomplizierten, akuten Erkrankungen auch ohne Rezept abgeben wollen, genannt wird beispielhaft die Antibiotika-Abgabe bei einfachen Harnwegsinfektionen.
Auch Rezeptverlängerungen (70 Prozent), die Pflege des elektronischen Medikationsplans (59 Prozent) und ein Reminder-Service in der Versorgung von chronischen Patientinnen und Patienten (56 Prozent) werden als mögliche Leistungen angenommen. »Die Apothekerinnen und Apotheker sind bereit, mehr Verantwortung
und Kompetenzen zu übernehmen und die großen Herausforderungen unseres Gesundheitswesens anzugehen«, so Preis. Der ABDA-Präsident ist überzeugt, dass sich damit im System viel Geld sparen lässt, wenn die Versicherten besser versorgt sind. Preis kündigte an, dass man das Projekt ARMIN zur Arzneimitteltherapiesicherheit zusammen mit der Ärzteschaft in einer Neuauflage angehen werde. »ARMIN 2.0 wird kommen«, kündigte Preis an.
Mehr als die Hälfte aller Apotheken (55,2 Prozent) plant laut AKI Neueinstellungen in den nächsten zwei bis drei Jahren. Etwa ein Viertel aller Inhaber rechnet allerdings mit keiner einzigen Bewerbung bei einer Stellenausschreibung für Approbierte. Besonders heikel wird der Fachkräftemangel bei der Nachfolgersuche sichtbar: Mehr als die Hälfte aller Inhaberinnen und Inhaber (56,8 Prozent) erwartet höchstens einen ernsthaften Interessenten für die Übernahme der eigenen Apotheke. »Man sieht, dass es dieser Branche nicht gut geht«, so Preis.
Zu den größten Ärgernissen im Apothekenalltag gehören Bürokratie (93 Prozent), die unzureichende Honorierung von Leistungen (84 Prozent) und die Lieferengpässe (66 Prozent). Erstmals abgefragt wurden hier »technische Probleme bei Nutzung der digitalen Infrastruktur«, also beim E-Rezept und der elektronischen Patientenakte (ePA). Für 59 Prozent der Befragten zählen die Ausfälle zu den größten Ärgernissen im Alltag. Mehrmals wöchentlich breche das System komplett oder in Teilen zusammen, kritisierte Preis. Das habe erhebliche Auswirkungen für die Patienten, aber auch die Apotheken würden dadurch wirtschaftlich belastet. »Deshalb brauchen wir ein stabiles E-Rezept-System«, so Preis.
Am wichtigsten für die Apotheken in den nächsten Jahren seien laut AKI wirtschaftlich stabile Rahmenbedingungen. Planungssicherheit und Bürokratieabbau. Auf Platz 4 dahinter landet eine stärkere Regulierung des Versandhandels. Preis führte dazu aus: »Das Ärgernis des Versandhandels nimmt zu. Jeden Tag werden tausendfach Regelungen durch Versandhändler gebrochen.« Gleichzeitig wurden Zahlen präsentiert, wonach der Versandhandel im OTC-Geschäft inzwischen 23,6 Prozent Marktanteil auf sich vereint. Das entspricht einem Umsatz von über einer Milliarde Euro im ersten Halbjahr 2025.
Bislang wird die Gesundheitspolitik der neuen Regierung nicht positiv gesehen. Beim AKI wurde die Note »mangelhaft« mit 28 Prozent am häufigsten vergeben. Im Durchschnitt wurde nach Schulnoten bestenfalls eine 4- vergeben. Preis führt das auf die ausgebliebene Soforthilfe für die Apotheken zurück, die noch im Wahlkampf versprochen worden war.
Was die anstehende Reform betrifft, hat keine Befürchtungen, dass Warken das von ihrem Vorgänger Karl Lauterbach (SPD) forcierte Konzept einer »Apotheke ohne Apotheker« neu aufgelegt wird. »Wir sind sicher, dass das ein für alle Mal in der Mottenkiste der Politik verschwunden ist.« Preis weiter: »Wo Apotheke draufsteht, muss immer eine Apothekerin oder ein Apotheker sein.«