Praxisteams protestieren in Berlin |
Vor dem Brandenburger Tor protestierten Praxismitarbeiterinnen, Zahntechniker und Ärzte gegen die aktuelle Gesundheitspolitik. / Foto: PZ/Anne Orth
Der Verband medizinischer Fachberufe (VmF) hatte zur heutigen Protestaktion vor dem Brandenburger Tor in Berlin aufgerufen. Bei hochsommerlichen Temperaturen zeigten Praxismitarbeiterinnen und -mitarbeiter, Zahntechnikerinnen und -techniker, Ärztinnen und Ärzte gemeinsam der Politik die »Rote Karte«. Mit Trillerpfeifen machten sie ihrem Unmut Luft und forderten lautstark eine gesicherte Finanzierung der flächendeckenden ambulanten ärztlichen und zahnärztlichen Versorgung sowie höhere Gehälter für Medizinische Fachangestellte, Zahnmedizinische Fachangestellte sowie in der Zahntechnik. Zudem machten sie sich für mehr Anerkennung und Wertschätzung der Leistungen dieser Berufsgruppen stark. Bereits im Vorfeld hatten Ärzte- und Zahnärztekammern sowie die jeweiligen Verbände ihre Unterstützung für die Protestaktion erklärt, darunter die Bundesärztekammer, die Kassenärztliche Bundesvereinigung, der Virchowbund und der Hartmannbund.
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»Ja zur Stärkung der Gesundheitsberufe«, »Nein zur jahrelangen Unterfinanzierung« und »MFA am Limit« stand auf T-Shirts und Plakaten der Protestierenden. Drei Medizinische Fachangestellte aus Berlin-Spandau waren zum Brandenburger Tor gekommen, um dort ein Zeichen gegen den Fachkräftemangel in den Praxen zu setzen. »Der Beruf ist wegen der Arbeitszeiten und schlechten Bezahlung unattraktiv«, lautete ihr Tenor. Extra aus Bayern waren Zahnärztin Jessica Wießner und ihr gesamtes Team angereist, um auf die Probleme in der ambulanten Versorgung aufmerksam zu machen. »Wir wenden uns gegen die aktuelle Sparpolitik und fordern ein Ende der Budgetierung. So geht es nicht weiter, es muss endlich ein Umdenken einsetzen«, machte Wießner deutlich. Die Zahnärztin betreibt gemeinsam mit ihrem Mann eine Praxis in Herzogenaurach bei Nürnberg.
Stephanie Schreiber, 2. Vorsitzende im geschäftsführenden Vorstand des Verbands medizinischer Fachberufe (VmF), erinnerte daran, dass die Praxismitarbeiterinnen während der Corona-Pandemie die Versorgung sichergestellt hätten. Dennoch seien sie von der Politik als nicht systemrelevant eingestuft worden. Sie kritisierte die »kontinuierliche Ignoranz« seitens der Bundesregierung. Diese forciere, dass die Beschäftigten aus der ambulanten Versorgung abwanderten. Mit ihrem Protest wollten die Praxismitarbeiterinnen und -mitarbeiter dagegen ein Zeichen setzen. »Stärken Sie die ambulante Versorgung«, richtete sie einen direkten Appell an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).
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Bundestagsabgeordnete und Vertreter der Ärzte- und Zahnärzteschaft versicherten den Protestierenden ihre Unterstützung. »Ohne das Praxispersonal würden die Praxen nicht funktionieren«, machte der gesundheitspolitische Sprecher der CSU, Stephan Pilsinger, deutlich. Er versprach, sich für weniger Bürokratie und bessere Honorare einzusetzen. Die Praxen bräuchten dringend einen Inflationsausgleich. Statt Gesundheitskioske auf den Weg zu bringen, müsse die Bundesregierung den ambulanten Sektor stärken, sagte der Bundestagsabgeordnete unter dem Jubel der Protestierenden.
»Es braucht bessere Rahmenbedingungen und es braucht Wertschätzung. An beidem fehlt es«, beschrieb Norbert Smetak, Vorstandsmitglied des Spitzenverbandes Fachärzte Deutschland (SpiFa), die Situation des Praxispersonals. Während der Pandemie hätten die Praxismitarbeiterinnen ohne Schutzausrüstung bei der Durchimpfung der Bevölkerung viel geleistet. Sie gingen auch »spitze« mit teilweise aggressiven Patienten um. Der Dank seien ein Spargesetz und die Gesundheitskioske. Smetak rief die Praxismitarbeiterinnen, Ärzte und Zahnärzte auf, auch künftig weiter zusammenzustehen. »Uns eint die Sorge um die ambulante Versorgung«, sagte Smetak und erinnerte daran, dass die Ärzteschaft am 2. Oktober einen großen Protest plane.
Auch Markus Beier, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes, lobte die Praxismitarbeiterinnen. Sie seien keine Helferinnen, sondern Managerinnen. »Ohne euch gehen die Praxen zugrunde, und ohne die Praxen geht die ambulante Versorgung zugrunde«, sagte er. Dringend nötig sei eine Strukturpauschale, damit der Inflationsausgleich auch beim Praxispersonal ankomme. Martin Hendges, Vorsitzender der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), bezeichnete die Praxismitarbeiterinnen als das »Herz unserer Praxen«. Zahnärzte, Ärzte und Praxispersonal müssten zusammenstehen und gemeinsam ein Zeichen in Richtung Politik setzen. »Wenn sich nichts ändert, wird das Gesundheitswesen irreversiblen Schaden nehmen«, warnte Hendges.
Am 18. August machten bereits Hunderte Ärzte und Psychotherapeuten ihren Unmut deutlich. Während einer Krisensitzung in Berlin verabschiedeten sie einen Forderungskatalog und übermittelten ihn anschließend Bundesgesundheitsminister Lauterbach. Unter anderem verlangten sie eine tragfähige Finanzierung, ein Ende der Budgetierung, weniger Bürokratie sowie eine Abschaffung von Regressen. Nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) soll der Minister bis zum 13. September zu den Forderungen Stellung beziehen und konkrete Umsetzungsschritte benennen.