Prävention muss ins Bewusstsein der Bevölkerung rücken |
Johanna Hauser |
09.10.2025 18:00 Uhr |
Diskutierten über pharmazeutische Präventionsangebote (von links): Michaela Engelmeier, Georg Kippels, Armin Hoffmann, Sonja Mayer und Heribert Schunkert. Die Moderation übernahm PZ-Redakteurin Daniela Hüttemann (ganz links). / © PZ/Brockfeld
Im sogenannten »Fahrplan für die Reformen im Apothekenwesen« des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) wird die Bedeutung der Apotheken im Bereich Prävention hervorgehoben. Doch welche Präventionsangebote sind sinnvoll und möglich? Welchen Stellenwert räumt die Bundesregierung der Prävention ein? Und was bieten die Apotheken schon heute in der Prävention an?
Darüber diskutierten heute in Berlin BAK-Präsident Armin Hoffmann, Georg Kippels (Parlamentarischer Staatssekretär im BMG), Sonja Mayer (angestellte Apothekerin und Mitglied im Direktorium des Wissenschaftlichen Instituts für Prävention im Gesundheitswesen), Heribert Schunkert (Kardiologe und Stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Herzstiftung) und Michaela Engelmeier (Vorstandsvorsitzende Sozialverband Deutschland). Die Moderation übernahm PZ-Redakteurin Daniela Hüttemann.
Aus Sicht von Kippels müsse der Stellenwert der Prävention und die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Vermeidung von Erkrankungen mit einfachen, aber wirkungsvollen Mitteln, noch besser kommuniziert werden. Prävention sei genauso wichtig wie die Entwicklung neuer Therapeutika, nur kostengünstiger. Man müsse im Gesundheitswesen bereit sein zu langfristigen, ökonomischen Betrachtungen von Maßnahmen. Der Spareffekt bei Innovationen trete nun mal erst später ein.
Schunkert verwies darauf, dass Apotheken der richtige Ort für den ersten Schritt in Richtung Prävention seien. Durch das niederschwellige Angebot seien Apotheken prädestiniert; hier seien Präventionsmaßnahmen einfach und für jedermann zugänglich.
Auch aus Patientensicht sei ein erweitertes Präventionsangebot sehr wünschenswert, betonte Engelmeier. Es sei äußerst wichtig, die flächendeckende Versorgung nicht weiter zu gefährden. »Apotheken sind der richtige Ort für Präventionsmaßnahmen«, sagte sie.
Georg Kippels betonte weiter, dass die Präventionsleistungen in den Apotheken auch ohne konkrete Anhaltspunkte für eine Erkrankung vergütet werden müssten. Wenn ein Patient mit Kopfschmerzen in die Apotheke komme und die Ursache abgeklärt werde, müsse das vergütet werden. Auch wenn keine Wechselwirkung oder Erkrankung die Ursache sei.
Sonja Mayer unterstrich die Bedeutung von Apotheken, täglich fänden 3,8 Millionen Patientenkontakte in deutschen Apotheken statt, eine individuelle Ansprache sei hier hervorragend möglich.
Auf die Frage nach dem Zeithorizont der Apothekenreform deutete Kippels an, die Thematik schnellstmöglich regeln zu wollen. Noch in diesem Jahr solle der Entwurf ins Kabinett, sodass ab Frühjahr 2026 die ersten Präventionsangebote an den Start gehen könnten. Auch die Vergütung müsse stimmen. »Man kann Innovationen nicht ausschließen, weil man dafür erst Geld in die Hand nehmen muss«, so Kippels. Auch Armin Hoffmann unterstrich die Notwendigkeit eines angemessenen Honorars. Viele Apotheken könnten Zusatzangebote nur mit entsprechender Honorierung anbieten. »Angebote sind nur machbar, wenn der finanzielle Ausgleich kommt«, betonte Hoffmann.
Mayer wies darauf hin, dass viele Apotheken bereits gut vorbereitet seien. So könnten Impfräume auch für Messungen und Beratungsgespräche genutzt werden, von der Bundesapothekerkammer gebe es zahlreiche Leitlinien und Curricula, die schnell aktualisierbar seien. Wichtig sei, dass das Apothekenteam vorbereitet sei und wisse, welche Leistungen im Betrieb angeboten würden.
Bereits jetzt bieten viele Apotheken pharmazeutische Dienstleistungen an, betonte Hoffmann. Die standardisierte Erfassung des Bluthochdrucks sei hierbei das Spitzenelement, gemeinsam mit der Inhalativa-Schulung, da diese beiden Dienstleistungen am einfachsten durchzuführen seien. Auch führten 1400 Apotheken bereits Impfungen durch.
Alle Beteiligten waren sich einig, dass die Impfquote insbesondere bei der Grippeimpfung steigen müsse. Viele Patienten seien sich nicht bewusst, welche Folgen eine Grippeinfektion haben könne, so Schunkert. Die Erhöhung der Impfquote müsse ein gemeinsames Ziel beider Heilberufe sein, ergänzte Hoffmann. Im Hinblick auf die Ärzteschaft, die sich gegen weitere Impfungen in der Apotheke aussprechen, betonte Kippels, dass es gute Erkenntnisse aus Frankreich gebe, wo alle Totimpfstoffe in Apotheken verimpft würden. »Man muss mal von den Maximalforderungen runterkommen und unaufgeregter mit dem Thema umgehen«, appellierte der Staatssekretär.
Hoffmann skizzierte die Vorstellungen der Bundesapothekerkammer, nach denen Apotheken allgemeine jährliche Beratungen sowie individuelle Beratungen in regelmäßigen Abständen zu verschiedenen Erkrankungen anbieten könnten. Auch hinsichtlich tabakassoziierter Erkrankungen könnten Präventionsleitungen in Apotheken angeboten werden.
Engelmeier fügte an, dass sie sich auch gut eine zielgruppenspezifische Beratung vorstellen könne, beispielsweise für Familien oder Kinder. Gerade für ältere Menschen sei die Apotheke die Anlaufstelle Nummer eins. Mit den Angeboten könnten sich Apotheken zu Präventionsstätte entwickeln, weg von der reinen Abgabestelle.
Einig waren sich die Teilnehmer dahingehend, dass es dringend mehr und besserer Kommunikation benötige, damit Patienten Präventionsleistungen in der Apotheke wahrnehmen.
Kurzzeitig emotional wurde die Diskussionsrunde, als die Sprache auf Incentivierungen oder Sanktionierung kam. »Die Verantwortung liegt bei jedem Einzelnen«, unterstrich Heribert Schunkert. Es sei ein langfristiger Prozess, den Präventionsgedanken in den Köpfen zu verankern. Georg Kippels wies darauf hin, dass man den Solidaritätsgedanken neu denken müsse, jeder müsse aktiv mitwirken. Auch sei es wichtig frühzeitig mit Prävention zu beginnen.
Sonja Mayer wies auf das Projekt »Apotheke macht Schule« hin, in dessen Rahmen Apotheker aktiv in Schulen zu Gesundheitsthemen aufklären. Sie plädierte für ein Schulfach »Gesundheit«. Michaela Engelmeier sprach sich strikt gegen Sanktionierungen aus, man müsse die Menschen ermutigen. ABDA-Präsident Thomas Preis meldete sich am Ende der Veranstaltung aus dem Publikum zu Wort und regte an, das Prophylaxe-Modell der Zahnärzte als Anregung für eventuelle Maßnahmen zur Hand zu nehmen.