Prävention in Apotheken nur mit den Ärzten |
ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening kann sich weitere Präventionsangebote in Apotheken durchaus vorstellen, allerdings nur »im Schulterschluss mit den Ärztinnen und Ärzten«. / Foto: AKWL
Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind in Deutschland die häufigste Todesursache, und auch die Volkskrankheit Diabetes mellitus ist weit verbreitet. Um gegenzusteuern, will das Bundesgesundheitsministerium (BMG) die Früherkennung und Vorsorge verbessern – auch mit Hilfe der Apotheken. So hat Bundesgesundheitsminister Lauterbach vorgeschlagen, Vorsorgeuntersuchungen zu Bluthochdruck, Cholesterin und Diabetes künftig auch in Apotheken durchzuführen. Konkret sollen die Krankenkassen allen 25-, 35- und 50-Jährigen einmalig einen Gutschein – einen sogenannten Voucher – schicken, mit dem sie in die Apotheke gehen und sich untersuchen lassen können. Das soll nach der Vorstellung von Lauterbach insbesondere bei jungen Menschen die Hemmschwelle senken, sich durchchecken zu lassen.
Die ABDA sieht die Pläne des Ministers generell als Chance für die Apotheken, stellt jedoch Bedingungen. Grundsätzlich sei die Apotheke vor Ort für viele Menschen »eine niedrigschwellige Pforte ins Gesundheitssystem«, sagte Präsidentin Gabriele Regina Overwiening auf Nachfrage der PZ. Sie forderte, die pharmazeutische Expertise der Apothekerinnen und Apotheker stärker zu nutzen, »um die Gesundheit der Menschen zu verbessern«. Apothekerinnen und Apotheker seien Heilberufler, die den Patientinnen und Patienten bei Gesundheitsfragen flächendeckend – auch nachts und am Wochenende – wohnortnah zur Verfügung stünden. Man müsse sich allerdings genau anschauen, welche Präventionsleistungen Apothekenteams sinnvollerweise anbieten könnten.
»Fest steht, dass die Apothekerschaft präventive Leistungen nur im Schulterschluss mit Ärztinnen und Ärzte zum Wohle der Menschen anbieten will«, betonte Overwiening. Die Bundesvereinigung erwarte zudem, dass das Bundesgesundheitsministerium alle weiteren Schritte und Abstimmungen bei diesem Vorhaben nur gemeinsam mit der Apotheker- und Ärzteschaft vornehme, machte sie deutlich.
Dass das Ministerium die Apothekerschaft in die Pläne mit einbeziehen sollte, forderte auch Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein (AVNR). Er begrüßte Lauterbachs Pläne ebenfalls. »Es ist gut für die Menschen, dass der Gesundheitsminister den Apotheken weitere Vorsorgeuntersuchungen erlauben will«, sagte er der »Rheinischen Post«. Aus seiner Sicht könnten mit einem solchen niederschwelligen Angebot vor allem junge Erwachsene erreicht werden, die sonst nicht zum Arzt gingen. Schon jetzt würden Apothekenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter im Einzelfall den Blutdruck messen oder den Blutzuckerwert bestimmen. Der Vorsitzende des AVNR zeigte sich zudem überzeugt, dass eine strukturierte Einbindung der Apotheken in die Prävention die Ärzte entlasten könne.
Der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) bewertete die Idee ebenfalls positiv. Der Stellenwert der Apotheker in der öffentlichen Wahrnehmung könne dadurch weiter steigen, äußerte der AVWL auf Nachfrage der PZ. Niedrigschwellige Angebote in Apotheken wie Grippeschutzimpfungen würden von den Patienten gut angenommen. Ein solcher niedrigschwelliger Zugang könne auch bei Blutdruck- und Cholesterinchecks gut funktionieren. Gerade bei der Volkskrankheit Diabetes, die bei vielen Patienten über Jahre unentdeckt bleibe, sei das ein sinnvolles Instrument. Der Verband stellte klar, dass es nicht darum gehe, die Ärzte zu ersetzen, sondern lediglich darum, potenzielle Patienten zu erkennen und an die Arztpraxen zu vermitteln. Die Diagnose und Therapieentscheidung müsse selbstverständlich in ärztlicher Hand bleiben.
Wichtig sei außerdem eine »auskömmliche Honorierung«, forderte der AVWL. Zudem müssten sich die bürokratischen Anforderungen im Rahmen halten. Zum Beispiel sollte der Prozess komplett digital abzuwickeln sein, ohne dass der Patient Papierformulare unterschreiben müsse. Was die Räumlichkeiten angehe, sei ebenfalls eine rechtssichere und apothekenfreundliche Lösung erforderlich. Es sollte zum Beispiel möglich sein, Räume in erreichbarer Nähe zur Apotheke anzumieten, machte der AVWL deutlich. Haupthindernis für das Angebot weiterer Vorsorgeleistungen in Apotheken ist aus Sicht des Verbandes der Fachkräftemangel, der durch überbordende Bürokratie und Lieferengpässe verschärft werde. »Wir sehen bereits bei Impfungen und pharmazeutischen Dienstleistungen, dass viele Apotheken vor Ort sie nicht anbieten können, weil ihnen schlicht das Personal fehlt«, gab der Verband zu bedenken.
Ärzteverbände übten hingegen deutliche Kritik an Lauterbachs Plänen. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, warnte, Apotheken seien keine »Arztpraxen to go«. Die Politik wolle seit Jahren systematisch medizinische Leistungen aus der ärztlichen Versorgung in Apotheken verlagern. Dies seien in seinen Augen jedoch bloß »teure Parallelangebote, die einen Besuch beim Arzt und die ärztliche Präventionsberatung niemals ersetzen können«. Markus Beier, Bundesvorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands, bezeichnete die Pläne in einer Pressemitteilung als »vollkommen absurd« und aus medizinisch-fachlicher Sicht unausgegoren. Würden die Werte der Vorsorgeuntersuchungen isoliert und nicht im Zusammenhang mit der Vorgeschichte der Patientinnen und Patienten betrachtet, so werde dies zu jeder Menge auffälliger Befunde führen, die die Menschen verunsicherten und das Gesundheitssystem noch mehr belasteten, kritisierte Beier.