Prävention als gemeinsame Herzenssache |
»Die Apotheke ist der richtige Platz für niederschwellige Prävention und an Kompetenz fehlt es hier nicht.« Davon ist Professor Dr. Martin Schulz, Apotheker und ABDA-Geschäftsführer des Bereichs Arzneimittel, überzeugt. Um die Lebenserwartung der Menschen in Deutschland zu steigern, sei es essenziell, die Risikofaktoren insgesamt zu verringern.
Der Kabinettsentwurf des Gesundes-Herz-Gesetz sehe hierzu verschiedene Dienstleistungen in Apotheken vor, darunter die Beratung zu und Erfassung von kardiovaskulären Risikofaktoren. Zu einzelnen Leistungen sollen Versicherte Gutscheine erhalten. Das sei sinnvoll, da Patienten die Apotheke vor Ort bis zu zehnmal häufiger aufsuchen als den Hausarzt und die bestehenden Check-up-Angebote nur unzureichend angenommen werden. Nicht einmal die Hälfte der jüngeren Berechtigten (45 bis 54 Jahren) gehe zum Gesundheits-Check-up.
»Wir brauchen die systematische Untersuchung in Apotheken, um diejenigen mit Risiken herauszufiltern, die ärztlich untersucht werden müssen.« Zu diesen Vorfelduntersuchungen zählte Schulz unter anderem die Messung von Blutdruck, Cholesterol und Blutglucose sowie der Nierenleistung. Dies entlaste die Hausarztpraxen.
Beispiel Bluthochdruck, der Risikofaktor Nummer 1 für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die standardisierte Dreifachmessung des Blutdrucks ist als pharmazeutische Dienstleistung (pDL) verankert. Eine Auswertung von Dokumentationsbögen von 677 Patienten mit diagnostizierter und behandelter Hypertonie ergab: 56 Prozent hatten Blutdruckwerte »im roten Bereich«, die zeitnah abgeklärt werden müssen. Bei 40 Patienten wurde sogar ein Druck über 180/110 mmHG festgestellt – hier liege eine hypertensive Dringlichkeit vor. Die Intervention der Apotheker sei nachweislich hilfreich und die wissenschaftliche Evidenz für die interprofessionelle Zusammenarbeit liege vor, resümierte Schulz.
ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening forderte in der Diskussion, dass die Präventionsleistungen in Apotheken als pDL eingestuft werden, die von den Krankenkassen vergütet werden. »Wenn die Präventionsarbeit ordentlich honoriert wird, können wir sie gut leisten.« Doch ohne adäquate Honorierung sei es angesichts der Personalnot »extrem schwierig«. Zudem dürfe das Apotheken-Reformgesetz in der vorgesehenen Form nicht kommen, denn das strukturelle Ziel, »Apotheke ohne Apotheker« zu erlauben, passe nicht zu mehr Präventionsarbeit.
Nirgendwo im Gesundheitswesen könnten Menschen eine heilberufliche Expertise so niedrigschwellig nutzen wie in Apotheken, warb Overwienig. Dies reduziere langfristig die Kosten, weil die Krankheitslast durch Prävention insgesamt sinke. Der Benefit für die Apotheker: »Sie können damit ihr Profil bei den Patienten schärfen und das Bild der Apotheke in den Köpfen der Menschen verändern.« Auch die ABDA-Präsidentin betonte die Bedeutung einer »sehr guten Vernetzung« von Apothekern und Ärzten, damit überall die gleichen Zielwerte und Empfehlungen gelten.
Das bestätigte auch der niedergelassene Hausarzt Professor Dr. Jörg Schelling aus München, Vorstandsmitglied des Bayerischen Hausärzteverbands. Präventionsarbeit könne nur dann funktionieren, wenn die Heilberufe zusammenhalten und nicht »ihre eigene Suppe kochen«. Schunkert fügte an, dass Apotheker- und Ärzteschaft dieselben Therapieziele und Grenzwerte haben müssten, um den Patienten nicht mit widersprüchlichen Aussagen zu verwirren. Zum Teil herrsche schon Uneinigkeit zu Grenz- und Zielwerten innerhalb der Ärzteschaft, eine dritte Stimme könne man hier nicht gebrauchen. »Wir müssen den Schulterschluss suchen zwischen Hausärzten, Kardiologen und Apothekern, und gemeinsam einen Konsens erarbeiten«, fasste Schelling zusammen.
In Bezug auf den Erfolg von Präventionsmaßnahmen sieht er die freie Arzt- und Apothekenwahl als Problem an. Prävention sei ein langer Weg, der eine Bindung des Patienten an seine Behandler benötige, um erfolgreich zu sein.
In der Schlussrunde warben alle Teilnehmer für mehr Dialog und Einigkeit der Heilberufler in puncto Prävention. Schulz: »Lassen Sie uns erstmal ausprobieren, ob das Gutscheinsystem funktioniert. Das Ding muss zum Fliegen kommen.«