Prämie darf auch als Lockmittel verwendet werden |
Cornelia Dölger |
17.11.2022 18:00 Uhr |
Mehr Geld in der Tasche ist nötig, seit die Preise für Energie und Lebenshaltungskosten explodieren. Mit einer Sonderprämie können Arbeitgeber ihren Mitarbeitenden unter die Arme greifen. / Foto: Adobe Stock/Gina Sanders
Am 3. September wurde das dritte Entlastungspaket auf den Weg gebracht, das unter anderem die so genannte Inflationsausgleichsprämie enthält, die Beschäftigte angesichts horrend steigender Lebenshaltungskosten entlasten soll. Die Prämie kann bis zu 3000 Euro pro Mitarbeiter betragen und ist grundsätzlich freiwillig. Sie gilt seit dem 26. Oktober 2022 und läuft bis zum 31. Dezember 2024. In diesem Zeitraum können Arbeitgeber ihren Mitarbeitenden diese Prämie gewähren, auf die keine Steuern und Abgaben entfallen, wie Rechtsanwalt Uwe Schlegel gegenüber der PZ erläuterte.
Schlegel, der bei der Kölner ETL Rechtsanwälte GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft speziell Heilberufler berät, betonte, dass es für Apotheken mit Blick auf die Inflationsausgleichsprämie keine gesonderten Konditionen gebe. Angesichts des Personalmangels auch in den Offizinen lasse sich die Prämie aber durchaus als Lockmittel verwenden. Der Arbeitgeber dürfe mit der Prämie werben und sie als Mittel nutzen, um Mitarbeitende im Team zu halten, als eine Art »versteckte Bleibeprämie«. Schlegel erklärte: »Nehmen wir an, Sie kündigen einem Mitarbeiter an, dass Sie ihm in den Jahren 2022 bis 2024 je 500 oder gar 1000 Euro an Prämie zahlen, dann dürfte dies den Mitarbeiter dazu motivieren, in Ihrem Unternehmen zu bleiben.« Grundsätzlich sei dies genauso möglich wie auch die Option, Mitarbeitende per in Aussicht gestellter Prämie von anderswo abzuwerben. Schlegel betonte, dass dies der Anerkennung als Inflationsausgleichsprämie »vermutlich nicht entgegenstehen« werde.
Die Prämie darf gestaffelt ausgezahlt werden. Zudem können Mitarbeitende unterschiedlich hohe Prämien erhalten. Grundsätzlich müssten bei unterschiedlicher hoher Prämie aber sachliche Gründe hierfür vorliegen, so Schlegel. Jemanden zu bevorzugen, etwa weil er besonders hohe Umsätze generiere oder in letzter Zeit wenig krank war, sei vermutlich unzulässig. »Da könnte es Probleme geben.«
Ohne Weiteres sei es aber zulässig, Mitarbeitenden, die weniger verdienen, mehr Prämiengeld zu zahlen. Bei im Laufe eines Jahres neu eingestellten Mitarbeitenden könne der Betrag an die Dauer der Unternehmenszugehörigkeit gekoppelt werden und entsprechend geringer ausfallen. Die Dauer der Unternehmenszugehörigkeit eigne sich aber wahrscheinlich nicht grundsätzlich als Maßstab für die Höhe der ausgezahlten Prämie. Dies ließe sich mit dem Zweck der Prämie nur schwerlich in Einklang bringen. Die Prämie dürfe auch an geringfügig Beschäftigte (Minijobber), arbeitende Rentner und Werkstudenten gezahlt werden.
Anders als zum Beispiel bei Tarifsteigerungen sei bei der Inflationsausgleichsprämie eine Auszahlung in Form von Warengutscheinen möglich, so Schlegel. »Bei Tarifsteigerungen geht es um steigende Arbeitsentgelte. Hier dürfen keine Warengutscheine zum Einsatz kommen«, erklärte er. Bei einer Prämie sei das anders, da sie kein Arbeitsentgelt darstelle. »Der Arbeitsgeber kann dem Arbeitnehmer beispielsweise einen oder mehrere Warengutscheine bis zu einem Gesamtbetrag in Höhe von 3.000 Euro zukommen lassen.«
Die Prämie darf Leistungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld nicht ersetzen, sondern muss immer »on top« geleistet werden. »Die Zahlung muss als zusätzliche Leistung anzusehen sein und sollte in der Entgeltabrechnung auch als solche bezeichnet werden.« Auch andere Sonderleistungen, die womöglich schon lange gezahlt werden, dürften nicht durch die Prämie ersetzt werden. In diesem Zusammenhang spiele das arbeitsrechtlich bedeutsame »Rechtsinstitut der betrieblichen Übung« eine Rolle, so Schlegel, also eine in der Vergangenheit durch den Arbeitgeber vorbehaltlose Leistung wie etwa ein 13. Gehalt, das seit Jahren ohne ausdrückliche Regelung im Arbeitsvertrag gezahlt wurde. In einem solchen Fall dürfe die Inflationsausgleichsprämie nicht an dessen Stelle treten. Kontrolliert werden könne dies von der Finanzverwaltung oder im Rahmen der regelmäßig stattfindenden Sozialversicherungsprüfungen, so Schlegel.
Er könne im Übrigen die Hektik nicht verstehen, die Unternehmen beim Thema Inflationsausgleichsprämie an den Tag legten. Von vielen wisse er, dass sie noch in diesem Jahr regeln wollten, ob überhaupt eine Prämie gezahlt wird und wenn ja, wie hoch sie ist. »Warum so eilig?«, fragte Schlegel. Weder die Höhe noch der Auszahlungszeitpunkt oder -turnus müssten noch in diesem Jahr abschließend entschieden werden.