Potente Sensibelchen in der Klinik |
Annette Rößler |
14.10.2025 16:20 Uhr |
Bis erste Treg-basierte Therapien auf den Markt kommen könnten, müssen noch viele Hindernisse überwunden werden. Eines davon ist die Skalierbarkeit der Ansätze. / © Adobe Stock/anamejia18
Treg sind eine Subgruppe der T-Lymphozyten, die im Grunde genommen das Gegenteil dessen tun, was »normale« T-Zellen tun: Sie verhindern, dass Effektor-T-Zellen andere Zellen attackieren (periphere Immuntoleranz), unterdrücken Entzündungsprozesse und tragen durch die Freisetzung von Zytokinen aktiv zur Geweberegeneration bei. Im Blut machen Treg 2 bis 5 Prozent der CD4+-T-Zellen aus. Charakteristisch für Treg ist, dass sie den Transkriptionsfaktor FOXP3 stark exprimieren.
Potenzielle therapeutische Anwendungsgebiete für Treg sind Allergien, Autoimmunerkrankungen und andere hyperinflammatorische Erkrankungen, denn bei diesen ist die Balance zwischen den (auto)aggressiven Effektor-T-Zellen und ihren Kontrolleuren, den Treg, zugunsten der Erstgenannten verschoben. Auch um zu verhindern, dass ein transplantiertes Organ abgestoßen wird, könnten Treg eingesetzt werden, weil in diesem Fall das Immunsystem das Transplantat zwar korrekt als fremd erkennt, die Abwehrreaktion aber unerwünscht ist.
Umgekehrt nutzen Tumoren die Treg-Kontrolle des Immunsystems für ihre Zwecke, indem sie sie verstärken und so dem Angriff von Effektor-T-Zellen entgehen. Bei Krebs könnte es also ein therapeutischer Ansatz sein, Treg abzuschwächen.
Welche Hindernisse auf dem Weg zu Treg-basierten Therapien zu überwinden sind, schilderte ein Team um Christine M. Wardell von der University of British Columbia in Vancouver, Kanada, Ende 2024 im Fachjournal »Nature Reviews Drug Discovery«. Laut dem Übersichtsartikel gab und gibt es zwar bereits zahlreiche klinische Studien der Phasen I oder II mit Treg. Einer Anwendung im großen Stil stehen aber nicht nur Schwierigkeiten bei der Gewinnung, Aufreinigung und Expandierung der Zellen entgegen. Auch dass Treg nicht stabil sind, sondern im Labor dazu neigen, zu »normalen« T-Zellen zu werden, ist ein Problem, das gelöst werden muss.
Gegenüber der Nachrichtenseite von »Nature« wies Professor Dr. Daniel Gray, Forscher am Walter and Eliza Hall Institute of Medical Research in Parkville, Australien, zudem darauf hin, dass viele Treg nach der Infusion eines entsprechenden Konzentrats direkt abgetötet werden, weil es im Körper Mechanismen gibt, um eine bestimmte Zahl dieser Zellen beizubehalten. Damit Treg, die etwa Patienten mit Autoimmunerkrankungen infundiert würden, dauerhaft wirken könnten, müssten diese Prozesse überwunden werden.
Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten, um die Anzahl von Treg bei einem Patienten zu erhöhen: Man kann sie von außen zuführen oder die Eigenproduktion des Patienten anregen. Letzteres passiert etwa schon bei Allergen-Immuntherapien, zum Beispiel bei Erdnussallergie – allerdings mit den bekannten Risiken einer schweren allergischen Reaktion im Verlauf der Therapie und nur mäßigem Effekt. Auch Ansätze zur gezielten Stimulierung von Treg mit modifizierten IL-2-Molekülen, die diverse Pharmaunternehmen getestet haben, seien bisher ohne Erfolg geblieben, schrieben Wardell und Kollegen.
Positiver waren die Ergebnisse mit Nanopartikel-basierten Therapien, wie sie etwa auch für die Covid-19-Impfstoffe auf mRNA-Basis verwendet wurden. Die Therapien zielen darauf ab, antigenspezifische Treg zu induzieren beziehungsweise zu expandieren, um so eine Toleranz gegenüber bestimmten Strukturen zu entwickeln. So kann etwa in Nanopartikeln verpackte mRNA gegeben werden, die für Autoantigene codiert: Die resultierenden Treg bremsen dann die Autoimmunreaktion ab. Nanopartikel können dabei auch an Antikörper gekoppelt werden, um sie an bestimmte Zielzellen zu lotsen.
Wie das Team um Wardell berichtet, haben unter anderem die Firmen Moderna, Takeda, Cartesian Therapeutics und Topas Therapeutics Nanopartikel-Präparate in den Phasen I bis II der klinischen Prüfung, die zum Einsatz bei Patienten mit Allergien oder Autoimmunkrankheiten bestimmt sind. Indikationen sind etwa Erdnussallergie, Zöliakie, Myasthenia gravis, Pemphigus vulgaris und primär biliäre Cholangitis, aber auch Gicht – hier sollen Antikörper deaktiviert werden, die sich gegen das therapeutisch eingesetzte Enzym Uricase richten.
Treg können auch in Form einer Zelltherapie gegeben werden, indem sie von einem Patienten gewonnen, ex vivo expandiert und reinfundiert werden. Diese Methode wurde laut den Autoren beispielsweise bei Nierentransplantierten in Phase-I/II-Studien bereits erfolgreich angewendet: Die Patienten brauchten statt drei Immunsuppressiva nur noch eines, um eine Abstoßungsreaktion zu verhindern.
Bei Menschen mit Typ-1-Diabetes hätten autologe Treg-Therapien, teilweise in Kombination mit dem Anti-B-Zell-Antikörper Rituximab, dagegen nur teilweise den Verlust der Betazellfunktion aufhalten können. Hier komme es womöglich stark auf die Dosis der Treg, die Anzahl der Infusionen und den Zeitpunkt der Therapie im Verhältnis zum Krankheitsbeginn an. Als weitere Indikationen, in denen einzelne frühe klinische Studien gelaufen seien, nennt das Team Lupus erythematodes, Colitis ulcerosa und amyotrophe Lateralsklerose (ALS).
Analog zur CAR-T-Zelltherapie, bei der »normale« T-Zellen einem Patienten entnommen, im Labor mit einem chimären Antigenrezeptor (CAR) ausgestattet und dem Patienten zurückgegeben werden, befinden sich auch CAR-Treg-Zelltherapien in der frühen klinischen Prüfung. So rekrutiert etwa Sonomabio, das Unternehmen, dessen Mitgründer Dr. Fred Ramsdell einer der Preisträger des diesjährigen Medizin-Nobelpreises ist, gerade Patienten mit rheumatoider Arthritis oder Hidradenitis suppurativa für zwei Phase-I-Studien mit einem CAR-Treg-Zellpräparat.
Tumoren entkommen dem Angriff des Immunsystems, indem sie sich ein immunsuppressives Milieu schaffen, in dem häufig ein Überfluss an Treg herrscht. Zur Bekämpfung von Tumoren versucht man daher, Treg gezielt zu schwächen. Entsprechende therapeutische Ansätze zielen etwa auf FOXP3 ab, auf das Oberflächenantigen CD25 oder auf den CC-Chemokin-Rezeptor 8 (CCR8), die Treg ebenfalls stark exprimieren.
Eine Besonderheit von Treg ist, dass sie verglichen mit Effektor-T-Zellen weniger ATP enthalten. Sie können deshalb weniger Glutathion produzieren, was sie anfälliger macht für oxidativen Stress. Dieser Stress lässt sich durch die Hemmung von CD39 und CD73 noch verstärken, weshalb auch Inhibitoren dieser Ektonukleotidasen klinisch bei Krebserkrankungen getestet werden.
Die gezielte Reduktion von Treg bezweckt man auch mit der Hemmung des Enzyms Indolamin-2,3-Dioxygenase (IDO1), das Tryptophan zu Kynurenin abbaut. Der genannte Metabolit hemmt die Proliferation von Effektor-T-Zellen und kurbelt die Differenzierung von Treg an. Schließlich sind auch Inhibitoren des Zytokins Transforming Growth Factor β1 (TGFβ1) in der Prüfung, dessen dämpfende Wirkung auf das Immunsystem ebenfalls durch Treg zustande kommt.
Generell könnten Krebstherapien, die auf Treg abzielen, womöglich auch mit Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) kombiniert werden, da sich die beiden Ansätze ergänzen könnten. Allerdings ist zu dem Zusammenspiel von Treg und ICI erst wenig bekannt. Eine unbeabsichtigte Überstimulation des Immunsystems könnte für den Patienten sehr gefährlich werden und muss deshalb vermieden werden.