Positive Einstellung als Anti-Aging-Strategie |
Theo Dingermann |
04.04.2022 11:15 Uhr |
Wer das Altern positiv sieht und noch Ziele hat, lebt einer aktuellen Untersuchung zufolge länger. / Foto: Getty Images/Westend61/Uwe Umstätter
Vor 20 Jahren publizierten Professorin Becca R. Levy und Kollegen eine viel beachtete Studie, in der sie untersuchten, ob Personen mit einer positiveren Selbstwahrnehmung ihres eigenen Alterns eine bessere funktionelle Gesundheit aufweisen als Personen mit einer negativeren Selbstwahrnehmung ihres Alterns. Tatsächlich konnte die Autoren damals ihre Hypothese bestätigen, wenn die Daten hinsichtlich der individuellen gesundheitlichen Ausgangssituation, der selbst eingeschätzte Gesundheit, des Alter, des Geschlechts und des sozioökonomischen Status normalisiert wurden.
Diese Daten bildeten die Basis für eine Studie von Professorin Dr. Susanne Wurm und Dr. Sarah Schäfer an der Universität Greifswald, um die Effekte einer positiven Selbstwahrnehmung des Alterns vor dem Hintergrund der jüngsten Diskussionen in der Forschung zum subjektiven Altern zu wiederholen und zu erweitern. Die Ergebnisse wurden nun im »Journal of Personality and Social Psychology« veröffentlicht.
Die Autorinnen analysierten die Daten einer großen bundesweiten bevölkerungsbasierten Stichprobe von Personen im Alter von 40 Jahren und älter (N = 2400), für die auch die Mortalität über einen Zeitraum von 23 Jahren (1996 bis 2019) dokumentiert wurde. Sie stellten die Frage, ob eine positive Selbstwahrnehmung des Alterns nicht nur die funktionelle Gesundheit verbessert, sondern auch dazu beitragen kann, länger zu leben.
Die Frage nach der Verlängerung eines gesunden Lebens ist hoch aktuell und wird wechselweise von verschiedenen biologischen Disziplinen untersucht, darunter die Ernährungsmedizin oder die Anti-Aging-Medizin. Psychosoziale Faktoren, die das Alter eines Menschen mit beeinflussen, kommen bei diesen Untersuchungen in der Regel zu kurz oder werden völlig vernachlässigt.
Dass dies ein relevantes Versäumnis ist, zeigen die beiden Wissenschaftlerinnen in ihrer Studie. Anhand von Überlebenszeitanalysen kommen sie zu dem Ergebnis, dass sich die persönliche Einstellung zum Älterwerden in den Extremen so auswirkt, dass ein Unterschied in der Lebenserwartung von bis zu 13 Jahren resultieren kann.
Im Gegensatz zur älteren Studie wurde in der Greifswalder Studie auch die Vielfalt des Alters beleuchtet. So wurde nicht nur die Rolle allgemein positiver Altersbilder für die Langlebigkeit untersucht, sondern auch zwischen unterschiedlichen Sichtweisen auf das Älterwerden, die Menschen mit Blick auf einzelne Lebensbereiche haben, differenziert. Dadurch konnte verglichen werden, welche dieser Sichtweisen tatsächlich für ein langes Leben bedeutsam sind.
Bei Personen, die ihr Altern als eine fortschreitende (natürliche) Entwicklung wahrnahmen, war das Sterberisiko halb so hoch wie bei Personen, die dem Altern mit einer negativen Einstellung begegneten. Erstmals wurde durch diese Studie untersucht, wie bedeutend die Auswirkungen einer positiven beziehungsweise negativen Einstellung zum Altern für die Lebenserwartung sind. Es konnte gezeigt werden, dass eine gewinnbezogene Einstellung ein signifikanter Prädiktor für die Sterblichkeit ist. Umgekehrt eignet sich eine negative Einstellung zum Altern nicht als Prädiktor für die Sterblichkeit.
»Viele Menschen sehen das Älterwerden nicht allein positiv oder negativ. Vielmehr unterscheiden sie dabei zwischen verschiedenen Lebensbereichen. Wir konnten nun erstmals zeigen, dass jene Menschen länger leben, die das Älterwerden mit einer persönlichen Weiterentwicklung verbinden, die also viele Ideen und Pläne realisieren und weiterhin neue Dinge lernen wollen. Bemerkenswert ist, dass es vergleichsweise unwichtig für ein langes Leben ist, ob Menschen das Älterwerden mit körperlichen oder sozialen Verlusten verbinden«, sagt Wurm in einer Pressemitteilung der Universität Greifswald.
Koautorin Schäfer ergänzt: »Wir wissen aus vielen anderen Studien, welche psychischen und gesundheitsbezogenen Faktoren zu Langlebigkeit beitragen. Diese haben wir in unserer Studie mitberücksichtigt, um sicherzugehen, dass Altersbilder über bereits bekannte Faktoren hinaus Langlebigkeit erklären können. Und dies ist tatsächlich der Fall. Die Befunde geben gute Hinweise darauf, dass wir Menschen vor allem darin unterstützen sollten, ihr Älterwerden aktiv zu gestalten. Als Erzfeind des gesunden Alterns entpuppt sich die Einstellung, sich selbst zu beschränken, weil es für diesen Plan oder jene Aktivität vermeintlich schon zu spät sei. Menschen lernen ihr ganzes Leben lang negative Bilder vom Alter und neigen deshalb dazu, diese auf sich selbst anzuwenden, wenn sie dann alt sind. Diese Altersselbstdiskriminierung gilt es zu durchbrechen«, resümiert Wurm.